Ohne praktische Vorkenntnisse und mit lediglich vagen Vorstellungen von den Abläufen auf der Anästhesie, startete ich im September in mein zweites Tertial am Sankt-Elisabeth-Hospital Gütersloh. In einem kurzen Blockpraktikum an meiner Heimatuni hatte ich die Einleitung erstmals gesehen. Damals erschien mir das alles sehr komplex und ich konnte mir kaum vorstellen, die Abläufe in kurzer Zeit nachzuvollziehen. Doch genau dazu kam es letztlich. Vom ersten Tag an wurde ich „an die Hand genommen“; als einzige PJlerin der Abteilung genoss ich die Vorteile einer Eins-zu-Eins-Betreuung. Schon in der Frühbesprechung wurde mir ein Saal „ans Herz gelegt“ (die Zuteilung war dabei nie in Stein gemeißelt und ich konnte jederzeit in einen anderen Saal wechseln). Der Anästhesist im jeweiligen Saal erklärte mir alles bis ins kleinste Detail: Geräte, Vorschriften, Medikamente, Dosierungen, Intubation, etc. Ich bin heute noch so unglaublich dankbar für all die Zeit und Mühe, die diese wunderbaren Ärzte in meine PJler-Ausbildung gesteckt haben. Doch es blieb nie bei der Theorie. Von Anfang an sollte (oder vielmehr durfte) ich praktisch arbeiten: Patienten in die Einleitung übernehmen, Safe Surgery Checkliste, Zugänge legen, Monitoring, Präoxygenierung, Medikamentengabe, Maskenbeatmung, Intubation, Narkosegerät einstellen, Übernahme des Patienten in den OP, Dokumentation, Überwachung, Ausleitung. Also tatsächlich alle Aufgaben, die ein Assistenzarzt im ersten Jahr auch tun würde. Diese permanente Förderung und herzensgute Betreuung (ging etwas schief, wusste ich immer, dass sofort jemand eingreifen würde) führte letztlich dazu, dass ich bald ein gutes Verständnis für die Zusammenhänge entwickelte. Großartig war, dass man auch an viele kleinere und größere Eingriffe rangelassen wurde, also sprich ZVKs, Pleurapunktion auf Intensiv, Spinalanästhesie, etc. Es ist nicht übertrieben, zu behaupten, dass man in Gütersloh extrem an der PJler-Ausbildung interessiert ist und sehr viel Herzblut in die Lehre steckt. Deutlich zu erkennen war das auch an Qualität und Regelmäßigkeit der PJler-Fortbildungen. Um hier nur einige Highlights zu nennen: Kinderanästhesie und –Reanimation, Sepsis und Schock, Schockraummanagement, Analgosedierung auf Intensivstation, EKG-Quiz, Blutprodukte, Transfusionsprotokoll und Besonderheiten bei Mitgliedern der Zeugen Jehovas. Die Folien bekamen wir größtenteils ohne große Umstände zur Verfügung gestellt. Gegen Ende des Praktischen Jahres fühlte ich mich im Bereich Anästhesie am sichersten, allein aufgrund der großartigen theoretischen und praktischen Lehre. Die Fortbildungen der anderen Fachbereiche seien an dieser Stelle aber ebenfalls erwähnt, denn auch hier haben wir enorm profitiert. Beispielsweise gab es jeden Dienstag (und später zusätzlich mittwochs) eine Radiologie-Fortbildung, in der wir Strategien lernten, um Röntgen-Bilder und CTs systematisch zu befunden. Diese Fortbildungen finden statt, sobald PJler im Haus sind, egal ob sie in der Radiologie sind oder nicht. Auch die Internisten, Unfall- und Allgemeinchirurgen hielten regelmäßig Seminare ab. Zahlenmäßig und qualitätsmäßig am besten waren aber eindeutig die der Anästhesisten.
Im Verlauf der vier Monate verbrachte ich außerdem Zeit in der Prämedikation, auf Intensiv und auf dem NEF. Die Chance, hier mitzufahren, sollte man sich nicht entgehen lassen, denn jeder Einsatz (und sei er noch so „klein“) ist spannend, lehrreich und bleibt (zumindest bei mir) dauerhaft in Erinnerung. Die Einsätze reichten von NSTEMI über Reitunfall, Exsikkose, Fehlalarm, Totenschein, bis hin zum Suizidversuch.
Mal abgesehen vom fachlichen Umfang hat das Sankt-Elisabeth-Hospital (auch liebevoll „Elihop“ genannt) aber auch noch einige andere Highlights zu bieten. Als PJler hat man dort:
- unbegrenzten Zugang zum Essensangebot in der Kantine: frisch belegte Brötchen, Brezeln, Laugenstangen, Kaffee, Getränke und warme Mahlzeiten. Schmeckt alles sehr lecker, denn das meiste wird vor Ort frisch zubereitet. Im Sommer gibt es Spargel, im Winter Grünkohl, und zwischendrin Burger und alles was das PJler-Herz begehrt :)
- einen PJler-Raum mit Spinden und Schlafsofa. An dieser Stelle kann ich empfehlen, zumindest ein paar Dienste mitzumachen. Was man da sieht, ist nochmal ganz anders als tagsüber. Insbesondere nächtliche Sectios sind spannend.
- ein eigenes Telefon. Sehr praktisch, um sich untereinander abzusprechen. Gerne wird man auch zu spannenden Eingriffen oder Fällen dazugerufen.
- kostenlosen Zugang zum Parkhaus. Oder (für Nicht-Ortsansässige): Ein kostenloses Zimmer in einer der beiden PJler-WGs. Diese WGs sind so schön, dass meine Beschreibung dem jetzt gar nicht gerecht würde. So viel sei gesagt: Man kann dort (zumal mit anderen PJlern) eine wunderbare Zeit verbringen und hat wirklich alles was man braucht.
- Frau Ortkras, Mitarbeiterin in der Personalabteilung. Egal was es ist, sie wird euch freundlich und kompetent weiterhelfen.
- wahnsinnig gute, qualifizierte und hilfsbereite Pflegekräfte. Vorbehaltlos und geduldig haben mir Conni, Elke, Thomas, Annette, Jan, Wolfgang, und all die anderen, schon oft aus der Patsche geholfen und mir vieles beigebracht.
- Gütersloh und Umgebung. Wer von hier kommt, wird es wissen. Aber für diejenigen, die diese Gegend zum ersten Mal entdecken: Besorgt euch ein Fahrrad und fahrt los! Super schön! Zwei besonders engagierte Oberärzte der Anästhesie hatten im Sommer außerdem eine PJler-Radtour organisiert, die auf sehr viel Anklang stieß :)
Wer bis hier gekommen ist, wird sich fragen, ob ich Positives und Negatives in zwei Dokumenten separiert und nur eines hochgeladen habe. Tatsächlich ist das aber alles, was ich berichten kann – und ja, es ist durchweg positiv. Das Elihop ist für engagierte PJler, die möglichst viel mitnehmen wollen, der Himmel auf Erden.
Übrigens: Mein PJ fiel passgenau ins Corona-Jahr 2020. Anders als an vielen anderen Lehrkrankenhäusern erhielten wir unsere Covid-Impfung ohne Diskussion zum frühestmöglichen Zeitpunkt (Mitte Januar 2021) und damit zeitgleich mit Ärzten und Pflegepersonal der am stärksten exponierten Abteilungen. Wenn man bedenkt, dass PJler an anderen Häusern überhaupt nicht geimpft wurden, ist das eine überaus kollegiale, wertschätzende Geste, für die wir (der PJler-Jahrgang 2020/21) sehr dankbar sind.