Ich komme aus einer riesigen Uniklinik und hatte daher Lust, mein Wahltertial in einem kleineren Haus mit guten Bewertungen zu absolvieren. Die Entscheidung für Görlitz im Speziellen war vor allem dem Studienort meiner Freundin geschuldet, dort hatte ich sie einige Male besucht und hatte die Stadt sowie die Natur drum herum sehr schön gefunden. Viel mehr steckte eigentlich nicht hinter dieser Wahl, aber ich bin wahnsinnig froh, dass ich mich für die Neuro in Görlitz entschieden habe!
Zum Klinikum Görlitz selbst: Die städtische Klinik hat (mit Bettsperrungen durch Covid-19) knapp 600 Betten, könnte also größer sein, ist aber auch defintiv kein ganz winziges Inselkrankenhaus. Die Region, die das Klinikum abdecken muss, ist recht groß - Und in vielerlei Hinsicht übernimmt das Klinikum auch viele Aufgaben, die in größeren Städten vielleicht über Niedergelassene möglich wären, die es im Landkreis teilweise einfach nicht gibt. Einige spezielle Ambulanzen werden auch nur durch das Klinikum ermöglicht.
Die Gebäude wurden vor <10 Jahren unter Erhalt der historischen Fassade saniert und sind mMn. von Innen und Außen ganz hübsch, es ist recht hell. Die Klinik hat alle wesentlichen Fachrichtungen, fehlend sind eine Abteilung oder Ambulanz für Orthopädie (wird stattdessen durch die Unfallchirurgie mitgetragen) und es gibt keine allumfassende, Interventionelle Radiologie (wobei natürlich PCIs und Angiosachen gemacht werden, aber Neuroradiologische Intervention ist nach Dresden ausgelagert).
Zu den Rahmenbedinungen meines Tertials ist zu sagen, dass die Neurologische Abteilung des Städtischen Klinikums nicht viele PJ-Studenten in den letzten Jahren hatte. Es gibt einen Austausch mit der polnischen Medizinischen Universität Wroclaw (Breslau) und ziemlich viele überall in Osteuropa studierende, deutschsprachige Medizinstudenten kommen für Praktika, allerdings sind diese zumeist mit 4 Wochen oder weniger deutlich kürzer da.
Das Klinikum ist gut organisiert, stellt einem einen Spind, Dienstkleidung mit Kittel wenn man möchte, Transponder für die jeweiligen Bereiche, analoge Schlüssel und Programm und Netzwerk-Zugänge mit Arztkompetenz. Damit kann man echt arbeiten und ist nicht auf die Gnade des ärztlichen- oder Pflegepersonals angewiesen. Man bekommt am Anfang der ersten Woche einen Laufzettel um sich diese Sachen abzuholen und zu quittieren, aber danach ist man echt gut aufgestellt, ich war jedenfalls beeindruckt, dass hier keine halben Sachen gemacht werden. Auch im Vorlauf vor dem ersten Arbeitstag werden direkt die wichtigsten Unterlagen von einem eingefordert und man bekommt einen genauen Termin, wann man wo zu sein hat auf seiner Station. Die Station weiß Bescheid und man kommt nicht unangemeldet.
Die Neuro hat ein im Durchschnittsalter junges Team, die Oberärztinnen und der Chefarzt sind die einzigen Ü45er. Ich finde das erwähnenswert, weil man sich als Student knapp U30 einfach in einer Atmosphäre mit "jüngerem Spirit" leichter einfindet- das ging bei mir jedenfalls sehr schnell, und ich habe mich von Anfang an ernstgenommen und wertgeschätzt gefühlt.
Von daher fiel ich in ein gemachtes Bett: Ein sehr motiviertes Teams, was sich einerseits über die reine erledigte Arbeit gefreut hat (z.B. Patientenaufnahmen, Untersuchungen, Befundschreiben abzunehmen) und andererseits auch viel Interesse daran hatte, selbst Wissen zu vermitteln und einem echt was beizubringen. Die Ärzte sind stets bemüht, fachlich auf Stand zu bleiben und gute Medizin zu machen- manchmal stellt man Fragen, die nicht sofort beantwortet werden können, (aber das ist auch ein bisschen das Wesen der Neurologie fürchte ich) und dann wird sich die Zeit genommen und man schaut es gemeinsam nach. Ich habe jedenfalls hinterher jetzt ein gutes Gefühl, verhältnismäßÃg routiniert neurologisch untersuchen zu können, und die wichtigsten oder zeitkritischsten Krankheitsbilder erkennen und etwas einschätzen zu können.
Der Chef ist auch stets bemüht, einen morgens auch so einzuteilen, dass man die verschiedenen Bereiche (Stroke-Station mit Monitoring, Elektrophysiologie, Notaufnahme, Stationsarbeit, MS/Muskelkrankheiten-Ambulanz) alle mal zu sehen kriegt. Geht ein Patient zu einer spannenden Untersuchung, kann man auch immer mitgehen und kriegt viel dabei erzählt.
Die tägliche Arbeit beginnt mit einer Morgenbesprechung um 07:00, mit der Übergabe aus dem Spät- und Nachtdienst. Wenn man über die Notaufnahme oder elektiv am Vortag Patienten mit aufgenommen hat, stellt man diese als PJler dem Team vor. Das ist kein Bloßstellungsakt und man wird ergänzt sollte man etwas vergessen zu berichten. In der Stationsvisite wird oft länger gesprochen oder untersucht, es kommt vor dass die Visite erst um 10 endet. Nach der Visite erledigt man Blutabnahmen und PVKs, prinzipiell wird dies aber auch durch die Pflegekräfte erledigt- es ist eher Arbeitserleichterung und kein Zwang, niemand ruft einen wegen einer Blutabnahme aus einer Untersuchung. Dann gibts ein kurzes ungezwungenes Kaffeetrinken, bis dann elektive Aufnahmen oder Hospitieren/Mithelfen in der Notaufnahme beginnt und man den Rest des Vormittags damit schnell voll hat. Stationsarbeit ist Untersuchungsergebnisse, Bildgebung anschauen- weitere Diagnostik oder Therapie ansetzen, Briefe und Befunde zu "eigenen" Patienten schreiben. Zwischendurch auch die kleinen Highlights wie Lumbalpunktionen selbst durchführen. Generell sind die Liegezeiten auf der Neuro oft ziemlich kurz, da ein Großteil der Untersuchungskaskade durch die Neuro-eigene Elektrophysiologie ziemlich zügig abgelaufen wird.
Ich habe mich echt gut mit dem Team verstanden und hatte durch die tolle Unterstützung auch echt täglich viel Motivation teilweise auch regelmäßig etwas länger zu bleiben oder wollte auch Sachen einfach noch erledigen- allerdings wurde man nie zu irgendwas gezwungen, länger zu bleiben oder noch Briefe zu schinden. An Tagen wo ich früher weg musste, war das überhaupt kein Problem und man muss sich nicht komisch rechtfertigen. Man hatte eben seine "eigenen" Patienten und wollte daher auch, dass man eine gute Anamnese und den Befund dokumentiert, solange man sich noch erinnern kann. Auch bei schönen Famulaturen habe ich so ein Gefühl nicht entwickeln können- Am Ende wurde ich jedenfalls mit viel Liebe verabschiedet.Ich hab in Görlitz echt gerne gearbeitet!
Bewerbung
Unproblematisch via PJ-Portal als Gast im Lehrkrankenhaus der Uni Dresden