Pro:
-eigenständiges Arbeiten ist möglich (wird aber auch erwartet) in der Allgemein-Chirurgie
- viel OP-Zeit, auch als 1.Assistenz in der Allgemein-Chirurgie
- gute Teamatmosphäre unter Assistenzärzten in der Unfall-Chirurgie
Contra:
- Notaufnahme in Allgemeinchirurgie ist quasi PJ-befreite Zone
- wenig Möglichkeiten körperliche Untersuchung unter Anleitung zu üben!
- Umgangsformen sind teilweise etwas kritisch (lässt sich aber nicht verallegemeinern)
Bewerbung
Ich möchte vorweg für die Chirurgie in Wismar erstmal eine Lanze brechen und etwas relativierend auf einiges reagieren was in den letzten 2Tertialen so an Bewertungen verfasst wurde: Es war wirklich nicht so schlimm wie es sich hier und da ließt! Speziell in der Allgemeinchirurgie besteht massiver Personalmangel, was sich leider tatsächlich manchmal auf die Umgangsformen, speziell im OP, auswirkt. Andererseits hat das aber auch zur Konsequenz, dass man auf Station und auch im OP wirklich extrem viel Verantwortung übertragen bekommt und ich sagen muss, dass ich eine wirklich extrem steile Lernkurve hingelegt habe!
Also vielleicht das Fazit vorweg: Wer Lust auf OP-Zeit und Chirurgie im allgemeinen hat, nicht nur Haken halten möchte, wer Bock auf eigenständiges Arbeiten hat und sich vor kaltem Wasser nicht scheut, der kann hier in kurzer Zeit extrem viel lernen. Wer frisch in die Klinik kommt und sich vielleicht noch etwas Führung und Anleitung erhofft, also speziell Studierende im ersten Tertial, kann sich hier schnell überfordert fühlen! Unabhängig davon muss man tatsächlich sagen, dass die Umgangsformen im OP gelegentlich aus der Zeit gefallen wirken und zu Teilen echt nicht klar gehen, das liegt aber vor allen an einschlägigen Operateuren und kann nicht verallgemeinert werden!
Also, für diejenigen die noch nicht völlig abgeschreckt sind, die Formalien: Das Tertial ist aufgeteilt in 50% Ortho/Unfall und 50% Allgemeinchirurgie, wer also Teilzeit macht oder gesammelte Fehltage am Schluss nimmt, sollte nach der Hälfte der anwesenden Tage wechseln um Trouble zu vermeiden. Quatscht bei Anliegen am besten vorab mit Liesa Barz, der PJ-Beauftragen, die ist wirklich super engagiert und lieb, und findet für alles ne Lösung!
Nun zu meinen Erfahrungen:
Gestartet habe ich in der Ortho/Unfall.
Hier arbeitet man vor allem mit den Assistenten und Fachärzt_innen auf Station, die ALLE wirklich SUPER NETT sind!
Der Tag startet mit einer Teambesprechung, bevor es dann auf Visite geht, einmal die Woche ist Chef-Visite, da sind dann auch die Physios und die Pflege dabei. Danach kommt die obligatorische Blutentnahme-Runde (was bei den Unfall-Chirurgen wirklich machbar ist) und auch die Verbandswechsel sind PJ-Aufgabe. So bekommt man mit der Zeit ein Gefühl für Wunden und erkennt auch mal wenn etwas nicht stimmt, was nicht nur für Chirurgen ein sinnvoller Skill ist.
In den OP muss man tatsächlich nur für Hüft- und Knie-TEPs, hier hält man leider nur Haken, und darf die Drainagen annähen, erste Assistenz bleibt einem als PJler strikt verwehrt. Mehr tun darf man hingegen in der Notaufnahme, wer also nähen üben möchte hat hier größere Chancen als im OP, wo dann meist doch nur getackert wird. Natürlich kann man auch zu anderen OPs, vorausgesetzt dass es den Operateur nicht nervt, und dass die Stationsarbeit nicht zurückbleibt. Teaching erwartet einen dagegen vor allem in der ZNA! Was man ebenfalls zur genüge üben kann ist Briefe diktieren, wobei man sich praktischerweise an Musterbriefen orientieren kann, sodass man nach einer Weile wirklich sicher im Briefeschreiben wird! Außerdem kann man Reha-Anträge bearbeiten, wofür man, bei berufstätigen Patient_innen eine kleine Nebeneinkunft einstreichen kann, und das kommt in der Unfallchirurgie doch gar nicht so selten vor!
Ein Nachteil ist, dass die körperliche Untersuchung oft etwas kurz kommt! Wenn man nicht immer wieder aktiv in die Notaufnahme geht, und auch dann ist es abhängig davon wer sie besetzt, kann es gut passieren, dass man nach dem Tertial so schlau ist wie davor.
Nun zur Allgemein- und Gefäßchirurgie:
Auch hier startet der Tag um 7:00. Hier ist jedoch Visite vor Team-Besprechung, welche um 7:45 startet. Obwohl die Station in der Hälfte geteilt ist, man also nur 50% der Patient_innen visitiert, ist die Zeit hierfür leider relativ knapp bemessen. Man läuft entweder mit den Gefäßchirurg_innen oder den Viszeralchirurg_innen mit und führt Buch darüber was bei den betreffenden Patienten ansteht. Hier lohnt es sich trotz früher Stunde aufmerksam zu sein, da sonst Dinge untergehen können.
Nach der Teambesprechung geht es entweder in den OP oder aber an die Erledigung der soeben erarbeiteten ToDo-Liste. Briefe, Anmeldungen, Blutabnahmen, Anrufe bei der Pathologie, wo die Histo denn schon wieder bleibt, oder bei Angehörigen, Stationsarbeit eben. Hier hält man zwar immer Rücksprache mit den Oberärzt_innen und dem Assistenzarzt (ja es gab nur einen!), arbeitet aber prinzipiell eigenständig. Es gibt ein PJ-Zimmer, indem man sich ehrlicherweise eher etwas vom Rest des Teams ausgeschlossen fühlt. Der Hauptfokus des Geschehens liegt sowieso eher auf dem OP. Wenn man Lust auf OP hat und sich nicht ungeschickt anstellt, kann man hier, ausgenommen von Whipple und Konsorten, oft auch als erste Assistenz mit operieren. Bei Laparoskopien führt man meist Kamera und darf, je nach Operateur/in, die Hautschnitte nähen. Generell empfiehlt es sich, sich an Oberärzt_innen zu halten mit denen man gut klarkommt. Vor allem Oberarzt Wolf und Oberärztin Vogts zeigen und erklären einem viel. Bei CA Thomas ist es sehr davon abhängig ob er einen leiden kann oder nicht, und selbst wenn gibt es schlechte Tage. Mal ist er ein echt cool und väterlich, gibt einem Ratschläge und leitet einen an, an anderen Tagen ist er einfach nur fies und unter der Gürtellinie.
Das Spektrum der Patient_innen und OPs ist wirklich vielseitig, von der 18jährigen Appendizitis-Patientin, über den 60 jährigen Kleingärtner mit Pankreaskopfkarzinom, bis zur 85jährigen Oma mit Aortenaneurysma oder akuten Darmverschluss.
Was die Freizeit angeht, so liegt auf der Hand, dass Wismar keine Großstadt ist und keine prickelnde Kneipen oder Clubszene zu bieten hat. Man kann jedoch speziell im Sommer seine Zeit gut am Hafen, am Strand oder mit anderen PJler_innen verbringen. Außerdem kann man am Wochenende Ausflüge nach Rostock, Schwerin, Lübeck, Greifswald oder Hamburg machen. Wer sich in der alternativen Szene wohlfühlt, dem kann ich außerdem das Tiko in der Dr.Leber-Straße ans Herz legen.