Motivation
Ursprünglich hatte ich für den Zeitraum des halben PJ-Tertials einen Einsatz in Kolumbien geplant, welcher wegen der Pandemie-Situation nicht durchführbar war. So entschied ich mich kurzfristig für ein Tertial in der Schweiz, da man dort als PJ-Student ein hohes Ansehen genießt und für die geleistete Arbeit vergütet wird. Außerdem reizte mich die Nähe zu den Bergen und das Kennenlernen eines Nachbarlandes „von innen“. Für das Spital Wolhusen sprach die übersichtliche Größe des Spitals, der familiärer Umgang mit den Kollegen und dass das Spital über eine gemischte Chirurgie mit allgemeinchirurgischen, orthopädischen, aber auch gynäkologischen, urologischen und HNO-Patienten verfügt, wodurch man einen breiten Überblick über verschiedene chirurgische Disziplinen erhält.
Unterkunft
Für eine Unterbringung im Personalwohnheim entfällt eine Miete von ca. 370 CHF, welche direkt vom Gehalt einbehalten wurde. Mein Zimmer war ca. 18 qm groß und etwas spartanisch mit einem Bett, Schreibtisch, Regal, 3 Schränken und einem kleinen Bad mit WC und Dusche eingerichtet. Außerdem hatte das Zimmer einen Balkon mit einer hervorragenden Aussicht über das angrenzende Biosphärenreservat Entlebuch. Eine ausreichend ausgestattete Küche befand sich auf dem Stockwerk und wurde mit 8 anderen Mitbewohnern geteilt.
Tätigkeitsbeschreibung
An den ersten beiden Tagen des Tertials erhielten alle neuen Unterassistenten eine Einführung zum Luzerner Kantonspital, eine Schulung für das Computerprogramm, eigene Telefone und ein Badge, welcher als Identifikationsdokument, Zahlungsmittel und Computer-Login fungierte. Die Einarbeitung auf Station übernahm eine erfahrene Unterassistentin und jeder Unterassistent wurde einem Assistenzarzt zugeteilt, mit dem man ein strukturiertes Einführungsgespräch führte.
Die Hauptaufgaben als Unterassistent waren die sogenannten Eintritte, also Neuaufnahmen elektiver Patienten und das Assistieren bei Operationen.
Je nach OP-Plan wurden täglich 5-10 Patienten aufgenommen, die zur jeweiligen Eintrittszeit kurz visitiert und untersucht werden mussten. Meistens stand dafür nur ein sehr knappes Zeitfenster zur Verfügung, da die Patienten recht schnell von der Anästhesie zur Vorbereitung abgerufen wurden. Bei der anschließenden Dokumentation am Computer wurden dann alle Vorerkrankungen und die Vormedikation eingegeben und bei Bedarf auch weiter verordnet. Anders als in Deutschland waren die Verordnungen ohne weitere Prüfung eines Arztes aktiv, sodass man eine relativ hohe Verantwortung übernahm. Je nach Vorarbeit, Komplexität und Kenntnisstand des Patienten konnte ein Eintritt nur wenige Minuten dauern, bei schwer vorerkrankten Patienten aber auch mehrere Stunden, bis man alle relevanten Informationen von Hausärzten und aus alten Arztbriefen zusammengetragen hatte. Die Koordination der Eintritte erforderte deshalb eine enge Absprache mit den anderen Unterassistenten.
Im OP wurde man als Unterassistent je nach Operation als 1. oder 2. Assistent eingeplant. Da das Spital Wolhusen vor Allem für seine orthopädische Abteilung bekannt ist, bildeten Hüft- und Knieprothesen einen großen Anteil des Operationsspektrums. Bei diesen Implantationen war man tatsächlich reiner „Hakenhalter“ und konnte nur selten einen Blick ins OP-Feld erhaschen, durfte aber meistens die Hautnaht machen. Bei allgemein- und viszeralchirurgischen OPs wurde man deutlich intensiver eingebunden und übernahm je nach Können beispielsweise die Kameraführung laparoskopischer OPs oder half bei Phlebektomien. Je nach durchführendem Oberarzt durfte man bei kleineren Eingriffen auch die Rolle des Operateurs übernehmen, so führte ich zum Beispiel Abszessspaltungen oder Sinus pilonidalis-OPs durch. Allgemein ist die Stimmung im OP sehr gut, der Umgang ist fast familiär, man fühlt sich eingebunden und wird nach anstrengenden Einsätzen oftmals vom Operateur auf einen Kaffee oder Ovomaltine eingeladen. Allerdings gibt es unter den Assistenzärzten eine deutliche Konkurrenz um einige OPs, weil sie diese für ihren Facharzt-Katalog brauchen. So hat man als Unterassistent fast nie die Chance bei einer Frakturversorgung mit am Tisch zu stehen.
Ist man nicht mit Eintritten beschäftigt oder im OP eingeteilt, kann man sehr frei die Assistenzärzte auf Station unterstützen. Ich habe versucht regelmäßig auf den Morgenvisiten mitzulaufen und bei den Verordnungen und Arztbriefen zu helfen. Ebenfalls sehr lehrreich war die Arbeit auf der Notaufnahme, wo man bei hoher Auslastung selbstständig Patienten aufnehmen, untersuchen, bei Bedarf apparative Diagnostik verordnen und anschließend dem diensthabenden Kaderarzt vorstellen konnte. Dort war es auch möglich Patienten zu schallen und unkomplizierte Wunden zu versorgen.
Täglich musste ein Unterassistent einen Pikett-Dienst übernehmen, bei dem man innerhalb von 30 Minuten nach Anruf im OP sein musste. Je nach Anzahl der Unterassistenten bedeutet das mit 1-2 Dienste pro Woche eine deutliche Einschränkung der Freizeit. Theoretisch konnte man während der Rufbereitschaft die ganze Nacht bis zur Morgenvisite angerufen werden, meistens war aber schon am späten Abend abschätzbar, ob man noch für eine OP ins Krankenhaus gerufen werden würde. Insgesamt wurde ich in 2 Monaten um die 5 Mal gerufen und durfte dann immer als 1. Assistent operieren, sodass ich den Dienst eher als Bereicherung statt als belastend empfand. Außerdem wird die Bereitschaft aktuell unabhängig vom tatsächlichen Einsatz zusätzlich vergütet.
Auch am Wochenende wurde je ein Unterassistent zur Unterstützung des diensthabenden Assistenzarztes benötigt. Der Wochenenddienst umfasste einen Pikettdienst von Freitagnachmittag bis Montagmorgen und einen regulären Tagdienst von 7 bis ca. 17 Uhr. Auch der Wochenend-Einsatz wurde nochmal separat vergütet und man erhielt 2 Kompensationstage, die man relativ frei einplanen konnte. Tagsüber übernahm man je nach Motivation 1-2 Stationen komplett, ging dort selbstständig auf Visite, verordnete Diagnostik und Medikamente und schrieb Verlaufsnotizen. Es bestand aber immer die Möglichkeit bei Unklarheiten Rücksprache mit dem Assistenzarzt oder einem Kaderarzt zu halten. Weiterhin musste man je nach Auslastung in der Notaufnahme Patienten übernehmen oder in Notfall-OPs assistieren.
Obwohl sehr anstrengend, waren die Wochenenden für mich eine sehr lehrreiche Erfahrung, da ich zum ersten Mal komplett selbstständig ärztliche Entscheidungen treffen musste/konnte und ich durch die dünne Personalbesetzung häufig bei interessanten OPs 1. Assistent sein durfte.
Neben der Bedside-Lehre fanden wöchentlich zwei Fortbildungen vor dem Morgenrapport statt, bei jeder Unterassistent verpflichtet war einmalig einen Vortag über ca. 15 Minuten zu einem beliebigen Thema, etwa der Doktorarbeit oder einem neu erschienenen Paper beizutragen. Desweiteren waren wöchentlich eine Assistentenfortbildung und eine Unterassistentenfortbildung geplant, die jedoch nicht regelmäßig stattfanden. Auf Wunsch konnte man sich frei bei einem der Kaderärzte in die Sprechstunde setzen, bei OPs anderer Fachrichtung zuschauen oder nach Rücksprache assistieren und die Wundsprechstunde besuchen.
Fazit
Ich war im Nachhinein sehr froh einen Teil meines gesplitteten Tertials in Wolhusen absolviert zu haben. Durch die intensive Einbindung, die hohe Autonomie und das sehr breite Patientenspektrum hat man dort die Möglichkeit sowohl über einen guten Einblick in Chirurgie zu bekommen als auch persönliche Kompetenzen weiterzuentwickeln. Das gute Klima zwischen den Assistenzärzten, aber auch zu den Kaderärzten, OP-Personal und Pflegenden macht den Alltag kurzweilig, man fühlt sich wertgeschätzt und hat bei einer Frage immer einen niederschwelligen Ansprechpartner. Neben der Arbeit im Krankenhaus bleibt genug Zeit Luzern, das Entlebuch und die nahen Berge zu erkunden.
Ich kann mir allerdings vorstellen, dass bei einem kompletten Tertial der Lerneffekt mit der Zeit deutlich abnimmt, weil es für das recht stupide Hakenhalte einfach die Manpower der Unterassistenten braucht. Für mich waren die zwei Monate die ideale Dauer, um die chirurgischen Basics gut zu erlernen und eine gute Vorbereitung auf die zweite Hälfte meines Chirurgie-Tertials in Tansania.
Bewerbung
Vorbereitung
Der Organisation des Tertials gestaltete sich unkompliziert, nach einer kurzen Bewerbung bei Jolanda Wiederkehr (jolanda.wiederkehr@luks.ch), der Sekretärin für Chirurgie, erhielt ich digital einen Arbeitsvertrag und einen Mietvertag für das Personalwohnheim zugesandt. Für Zeiträume unter 3 Monaten ist in der Schweiz keine Arbeitserlaubnis oder Visum nötig. Die gesetzlichen Krankenversicherungen mit EHIC-Karte bietet auch in der Schweiz Versicherungsschutz. Ebenfalls kann man mit entsprechender Kreditkarte (z.B. DKB Cash) ohne Aufpreis in Schweizer Franken Zahlen und an manchen Geldautomaten kostenfrei Bargeld abheben. Für Auslandsüberweisungen in Euro berechnete das Krankenhaus einen Aufpreis von 4 CHF. Da die Schweiz ein sehr gut ausgebautes Bahnnetz hat, lassen sich die Anreise wie auch Unternehmungen vor Ort umweltfreundlich mit der SBB gestalten. Dabei empfiehlt sich ein Halbtax-Probeabo, mit dem man für 33 € für zwei Monate 50 % Rabatt auf alle Fahrten bekommt.