Im Chirurgie-Tertial in Geilenkirchen durchläuft man die zwei großen Abteilungen Unfall- und Allgemeinchirurgie. Zwar erscheint das Angebot des Krankenhauses auf den ersten Blick sehr reizvoll (Kleidung gestellt, Essen umsonst, klare Stationszuordnung, Fortbildungstag, Seminare) und einige der Ärzte und Pflegekräfte sind wirklich bemüht, freundlich mit einem umzugehen, jedoch überwiegen viele negative Eindrücke in den entscheidenden Kategorien.
Auf positiver Seite ist sicher der ganz grundsätzliche Ansatz des Hauses zu nennen, gewisse Boni zu verteilen. So wird man gleich zu Anfang mit Kleidung ausgestattet, die man behalten darf, erhält einen Essenschip, hat einen formalen Einführungstag und darf jeden Montag nach einer Seminarreihe ohne Einsatz auf Station nach Hause gehen. Dass die Kleidung im Haus besser nicht gewaschen werden sollte (auch wenn das die Leitung anders sieht), man den ein oder anderen missbilligenden Blick für den Essenschip erhält, die erforderlichen Dokumente (u.a. Führungszeugnis) vorher nicht abgesprochen waren und viele Seminare nicht oder nur ungenügend stattgefunden haben, kann an dieser Stelle noch verziehen werden. Es ist ein eher kleines Haus, beinahe familiär, wenn auch oft in der Manier einer im Grundsatz zerstrittenen Sippe, mit Ressourcen wird sparsam umgegangen, Digitalisierung ist nur in Ansätzen erkennbar (zumindest wenn man als Assistenzarzt der Meinung ist, einen Internetzugang zu brauchen). Das Essen ist meist gut, die technische Ausstattung ausreichend, im Großen und Ganzen für die Ausbildung in Ordnung, das sei nur einmal deskriptiv hier stehengelassen.
Auf negativer Seite sind einige mehr oder minder essentielle Aspekte des PJ-Alltags zu nennen, die leider das Gesamtbild erheblich trüben.
So wird man nur wenig als angehender Kollege betrachtet und die Betreuung wird auf die Einführungsveranstaltung und die rudimentär vorhandene Seminarkultur reduziert. So etwas wie Mentoren, Einführung in die IT-Software oder klare Ansprechpartner bei Fragen und Problemen gibt es nicht, und das wäre auch von den meisten der sich abschuftenden Assistenten nicht zu erwarten gewesen. Wie eingangs erwähnt, geben sich viele Mühe und der ein oder andere Tag war gerade wegen dieser wichtigen Ausnahmen erträglich, trotz einer teils gähnenden Monotonie, teils unüberwindbaren Chaotik. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass in einigen Kreisen des Hauses der PJler mehr ein Botengänger, Ja-sagendes Visiteninventar oder tolerierter Hakenhalter ist, dem man auch gern sein imposantes Wissen vortadelt, eine anständige Lehre allerdings meistens in kläglichen Ansätzen versandet. Auf Station ist die Atmosphäre häufig bedrückend, zum Glück nicht überall, ein subtiles Gefühl der Überforderung und gegenseitiger Abneigung ist aber nicht zu verkennen. Trauriges Aushängeschild dieser Atmosphäre ist der OP, in dem neben wenigen netten Ausnahmen, ein Großteil der Kommunikation aus zwischenmenschlichem Vulgarismus besteht. Passiv-aggressiv ist hier zum Teil eine Beschönigung. Neben Hakenhalten darf man auch Tücher halten, solange man als dummer nicht-Arzt natürlich nichts unsteril macht. Es werden ab und an auch Fragen gestellt, die sind aber entweder nicht beantwortbar (man möchte beinah Absicht unterstellen), noch didaktisch zu irgendetwas nütze. Der OP ist Fleißarbeit, wenn man schweigt und erträgt, kommt man gut durch. Wer nicht Chirurg werden will, kann über diesen Aspekt vielleicht sogar lächelnd hinwegsehen.
Leider ist aber die übrige Arbeit ebenfalls bestenfalls beschäftigend, Lehrbemühungen sind ebenso rar wie eine sinnvolle Visite, aber das scheint in Chirurgien häufiger ein Knackpunkt zu sein. Man darf durchaus Patienten "aufnehmen" und auch in den Chefarztvisiten (Visite ist hier von "ansehen" durchaus wörtlich zu nehmen) vorstellen, ob das dann aber gewünscht oder sinnvoll ist oder es vielleicht doch eher um das lästige Ausfüllen der obligaten Aufnahmescheine geht, für die die Assistenten keine Zeit haben, bleibt häufig ungewiss. Fakt ist, man legt einige Zugänge, macht viele Verbände neu und punktiert die eine oder andere Patient/in zwanzig Mal, weil die Absprache gelinde gesagt ausbaufähig erscheint. Wenn einem das reicht und man den einen Tag in der Woche gerne nur zum Spaß etwa eine dreiviertel Stunde mit dem Auto von Aachen anreisen will, dann ist gegen das Haus nichts einzuwenden.
Im Übrigen gibt es auch gar keinen Grund, nicht mit dem Auto anzureisen, immerhin wurde während Flutkatastrophe und Bahnausfällen betont, man habe pünktlich um 7 Uhr da zu sein, idealerweise vor manch einem Assistenten, denn wer macht schon gern die Blutabnahmen von der Nacht vor der Frühbesprechung, die übrigens (Grund unbekannt) ebenfalls verpflichtend ist.
Zu guter Letzt sei noch darauf hingewiesen, das nahezu der gesamte Unterricht des Tertials von den Ärzten der Inneren Medizin veranstaltet wird, von wenigen zaghaften Lehrstündchen der chirurgischen Kollegen abgesehen. In der Inneren lässt sich übrigens angeblich ein sehr gutes PJ-Tertial in Geilenkirchen absolvieren, so hört man. In puncto Lerneffekt und persönliche Entwicklung ist es in der Chirurgie jedenfalls leicht zu überbieten. Dass das Haus zum Großteil Hernien, Hüften, Knie und "Phlegmone" (der Begriff darf breit ausgelegt werden) versorgt, kann durchaus ein Vorteil sein, wenn man eher das Häufige und Zugängliche in der Chirurgie sucht; den niedrigen Ausbildungsstandard mag es jedoch nicht rechtfertigen.
Im Fazit daher ein eher schwaches Tertial mit viel ermüdendem Gleichschritt, teilweise grenzwertigem Verhalten von Vorgesetzten und OP-Personal und einer gen Erde weisenden Lernkurve. Gute systemische Ansätze und einige nette Kollegen können leider den unangenehmen Gesamteindruck nicht ausgleichen.