PJ-Tertial Unfallchirurgie in Chris Hani Baragwanath (9/2021 bis 11/2021)

Station(en)
Resus, Pits, OR, Trauma Ward 1, Burns Unit, ICU, SEU, MEU
Einsatzbereiche
OP, Diagnostik, Notaufnahme, Station
Heimatuni
Wien (Oesterreich)
Kommentar
Da ich sowohl 2 Monate auf der Anästhesie als auch auf der Traumatologie war habe ich in beide Bewertungen denselben Text übernommen. Rotieren zwischen den einzelnen Abteilungen ist auch gut möglich, sprich mit netten Nachfragen kann man trotz offizieller Zusage auf der Allgemeinchirurgie auch nur Trauma-Schockraum machen, auf die internistische oder chirurgische Notfall gehen, OPs zusehen etc. ..

Tertial B im Chris Hani Baragwanath Academic Hospital - Johannesburg, Südafrika
Südafrika ist ein Land das irgendwo zwischen Weltoffenheit und Post-Apartheid-Rassismus, Gastfreundlichkeit und elektrischen Stacheldrähten, landschaftlicher Schönheit und Townships, Industrialisierung und Hexenverbrennungen, letztendlich zwischen moderner erster und mittelalterlicher dritter Welt stecken geblieben ist. Seit Jahrzehnten kämpft man hier gegen eine immense Kluft zwischen Arm und Reich, ein niedriges Bildungsniveau, staatliche_ Korruption und eine Arbeitslosenquote von bis zu 60%
Dieses Ungleichgewicht, das im Wesentlichen durch die erst 1994 abgeschaffte Apartheid verursacht wurde, entlädt sich in einer der weltweit höchsten Kriminalitätsraten, mit mehr als 60 Morden pro Tag. Eine Vielzahl an illegalen Waffenbesitzen und ein größtenteils korrupter Polizeiapparat haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass der private Sicherheitssektor mehr finanzielle Mittel zur Verfügung hat als nationales Militär und Polizei zusammen. Neben den bereits vorhandenen politischen Problemen hat die Ausbreitung der Deltavariante des Covid19-Virus die Wirtschaft und das Gesundheitssystem des Landes noch weiter in die Knie gezwungen und zusätzlich zu weitreichenden Unruhen und Instabilität geführt.

Bereits vor Beginn der SARS-CoV-19-Pandemie hatte Südafrika mit einer der höchsten HIV-Raten weltweit, je nach Quelle rund 20% der Gesamtbevölkerung zu kämpfen. Die Hälfte aller landesweiten Fälle werden in den Provinzen KwaZulu-Natal (Durban) an der Ostküste und Gauteng, in welcher sich Johannesburg befindet, registriert. Die Empfehlung des ehemaligen Präsidenten Südafrikas Thabo Mbeki (1999-2008) HIV mit Knoblauch & Olivenöl oder mit roter Bete (Empfehlung Dr Manto Tshabalala-Msimang, Gesundheitsministerin 1996-1999) zu therapieren, bzw. Jacob Zumas (Päsident 2009-2018) Antwort auf die Frage eines Journalisten was er protektiv nach dem bewussten Geschlechtsverkehr mit einer HIV-positiven Frau gemacht habe – „I had a shower!“, hatten nicht sonderlich zur Aufklärung beigetragen. Ein Monat HIV-Postexpositionsprophylaxe nach Nadelstich war bereits vorauszusehen.

Anästhesie – „Are we on generators? Again?“
Chris Hani Baragwanath Academic Hospital ist mit rund 3200 Betten das größte Krankenhaus der Südhalbkugel und das drittgrößte der Welt. Das Krankenhaus selbst wurde während des Zweiten Weltkriegs für südafrikanische und britische Soldaten errichtet und nach dem aus dem Cornwall? stammenden Goldschürfer John Albert Baragwanath und dem ANC-Politiker Chris Hani benannt. Es liegt direkt an Soweto, kurz für South-West-Township. Aufgrund der unmittelbaren Nähe zum fast 2 Millionen Einwohner zählenden größten Township des Landes ist das „Bara“ mit einer für europäische Verhältnisse unglaublich hohen Anzahl an mittelstandslosen PatientInnen aus der Region konfrontiert.

Relativ überrascht ist man demnach vom hohen akademischen Level der AnästhesistInnen, die zwar größtenteils noch nie eine ECMO gesehen haben, aber die Basisphysiologie und Anwendungen ihres Faches im Schlaf beherrschen und die gleichzeitig eine unglaubliche Motivation an den Tag legen jüngeren MedizinerInnen etwas beizubringen. Auch die Ausstattung der Operationssäle im „Baradise“ lässt so manchen alten OP im ehemaligen KAV wie ein dritte Welt Spital aussehen. Merkbare Unterschiede finden sich ausschließlich im nicht-Vorhandensein von Handschuhen – „Just size small for this theater!“, Noradrenalin – „Too expensive!“, und Sugammadex – „waaaay too expensive!“. Auch die Tatsache, dass es bei stärkeren Regenfällen mal zum perioperativen Regenguss von der Raumdecke in einem der mehr als 30 Operationssälen kommt, hebt sich von den europäischen Hygienestandards ab. Durch die chronische Unterfinanzierung der staatlichen Krankenhäuser muss man öfter improvisieren, eine Aktivität die mittlerweile als Baraism bekannt wurde: Larynxmasken und Harnkatheter werden mit Ultraschallgel geschmiert, Mineralwasserflaschen mit warmem Wasser als Hotline für die EKs verwendet, Lampengriffe mit sterilen Handschuhen umwickelt, Operationsbesteck per Hand „steril“ gewaschen und wieder eingepackt. Dank Dieselgeneratoren merkt man von den wöchentlichen Stromausfällen im Krankenhaus bis auf das Flackern der OP-Lichter recht wenig. Den Umstand, dass, als auch diese als Backup ausfielen, man Patienten auf ICU handbeatmen musste, sämtliche Ventilatoren in den OPs ausfielen und man die nächtlichen 25-30 Sectios mit Unterstützung von Handytaschenlampen geschnitten hatte, habe ich knapp um einige Wochen verpasst.

Trauma Department – Gunshots, Stabbings & Mob Assaults
Etwa 70% aller Einlieferungen im Bara werden in der internistischen Notfallaufnahme oder der Traumatologie aufgenommen. Dies entspricht täglich mehr als 350 PatientInnen, davon monatlich 160 Opfer mit Schusswunden. Nicht umsonst hat Bara’s Trauma mit 14 offiziellen Resuscitation-Positionen (=Schockraumbetten) den internationalen Ruf als hektischste Notaufnahme der Welt. Die Krankheitsbilder unterscheiden sich dabei grundlegend von jenen in der europäischen Traumatologie: Stich- und Schusswunden, elektrische, chemische und Flammenverbrennungen gehören zum täglichen PatientInnengut, ebenso wie Autounfälle und angefahrene FußgängerInnen. Da es die örtliche Polizei häufig vorzieht sich nicht in tiefe Townships zu begeben, nimmt die Bevölkerung vor Ort die Strafverfolgung selbst in die Hand. Betitelt als „Mob Justice“, gehören PatientInnen mit Crush-Syndrom und Verbrennungen nach Gruppenattacken ebenso zum täglichen Klientel.
Trauriger Rekord während der Riots im Sommer 2021: 149 Resus PatientInnen, davon 43 PatientInnen mit Schusswunden innerhalb 24 Stunden - und das alles ohne einem einzigen Erythrozytenkonzentrat, nachdem Plünderer die Blutbank überfallen hatten, in der Hoffnung in der „blood bank“ Geld zu bekommen. Bewaffnet mit dem kleinsten Venflon im Raum (16G, weiß) und einem Ganzkörper-Low-Dose-X-ray (Lodox) statt Schockraum-CT ist man teilweise als Student dann alleine für die Betreuung von P1-PatientInnen zuständig.

Ambulance Shifts – Saving Soweto
Wem die Hektik in den Pits und im Resus noch nicht genug ist, der kann sich auch mit etwas Connections und nettem Nachfragen Schichten auf den ALS/ECP-Response-Cars der privaten Ambulanzen von Netcare911 und Emer-G-Med vereinbaren. An der Seite von Paramedics, die ihr Studium mit Einsätzen in Afghanistan und Irak finanziert haben, bzw bewaffneten Tactical-Paramedics findet man sich plötzlich in der Situation wieder in Townships Nulllinien-EKGs bei 20jährigen schreiben und Einschusslöcher für die Polizei zählen zu müssen (7 in dem Fall, ohne den Kopfschuss). Ebenso eine der unzähligen Möglichkeiten Notaufnahmen anderer Krankenhäuser kennen zu lernen, tief in den Alltag der ärmsten Bevölkerung in Soweto und Alexandra einzutauchen und sich der eigenen Privilegien in Europa bewusst zu werden. Trotz der erschreckenden Umstände vermisst man dabei nur die morgendliche Blutabnahmen, das Hakenhalten bei der hunderten Varizenoperation und das angeschrien werden von ChirurgInnen (in Südafrika genauso wie sexistische Anspielungen übrigens ein absolutes No-Go). Zusammenfassend ist Johannesburg als Tertial - wenn auch nur für Hartgesottene, ein Erlebnis und eine Bereicherung. Vor allem für jene die sich später notärztliche Einsätze in Krisengebiete vorstellen können!

Unterkunft und andere Internationals
Bei einer Zusage von Mrs Refilwe wird euch eine Liste von "approved accomondations" zugeschickt. Hier unbedingt die von Christine Loukakis nehmen. Diese betreut Medizinstudierende bis Fachärzte auf Rotationen im Bara seit vielen Jahren, lässt euch vom Flughafen abholen, besorgt euch eine SIM-Kart mit Auto, Scrubs und und und. Ebenso sind dort fast alle internationalen RotantInnen (zu meiner Zeit fast immer 10 Personen, von Japan, Finnland, Spanien, bis hin zu einem Meer an deutschen Studierenden) untergebracht, es gibt ein eigenes Gym mit Swimmingpool, Grillpartys, gemeinsame Ausflüge, Fahrgemeinschaften, ..

Bei weiteren Fragen jederzeit gerne an: markus.kleinberger@meduniwien.ac.at : )
Bewerbung
Wahrscheinlich 2-3 Jahre im Vorhinein, bei Anästhesie aufgrund der wenigen internationalen Studierenden voraussichtlich auch kurzfristiger möglich, bei Trauma um einiges länger. Allerdings haben relativ viele Studierende einfach eine Zusage auf der Allgemeinchirurgie oder Internistischen Notaufnahme bekommen, sind am ersten Tag zum Leiter der Trauma gegangen (Dr Pretorius) und haben um einen Wechsel bitten können - und immer eine Zusage bekommen.

Bewerbung über Mrs. Refilwe an der Wits University (telefonisch, eMails beantworten SüdafrikanerInnen nur sporadisch).
Unterricht
3 x / Woche
Inhalte
Nahtkurs
Repetitorien
Fallbesprechung
Bildgebung
Sonst. Fortbildung
EKG
Patientenvorstellung
Tätigkeiten
Notaufnahme
Eigene Patienten betreuen
Patienten untersuchen
Botengänge (Nichtärztl.)
EKGs
Chirurgische Wundversorgung
Blut abnehmen
Punktionen
Braunülen legen
Patienten aufnehmen
Briefe schreiben
Mitoperieren
Untersuchungen anmelden
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
Schichtdienst
Studientage
Frei verfügbar
Gebühren in EUR
Rund 500 EUR / Monat

Noten

Team/Station
2
Kontakt zur Pflege
3
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
1
Unterricht
2
Betreuung
2
Freizeit
2
Station / Einrichtung
4
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1.6