Mein Fazit vorne weg: Es hat sich auf jeden Fall gelohnt nach La Chaux-de-Fonds zu gehen, ich habe sehr viel gelernt (ohne einen Vergleich zu haben würde ich sagen deutlich mehr als in Deutschland) und nette Menschen kennengelernt. Es war aber auch eine etwas anstrengende Zeit, da man viel Zeit in der Klinik verbringt. Insgesamt bereue ich es aber nicht und würde wieder dorthin gehen!
Das Krankenhaus ist ein eher kleines Haus in dem es vor allem eine Abteilung für innere Medizin gibt (2 Stationen à etwa 30 Betten, eine Bedarfsstation (als ich da war wurde sie als Covid-Station genutzt) und eine kleine Intermediäre Care Station mit 4 Betten) gibt. Ansonsten gibt es eine kleine chirurgische Station und relativ viele Konsiliarärzte aus anderen Fachrichtungen, die dann die Patienten auf Station mitbetreuen (Onkologen, Neurologen, Endokrinologen...).
Als PJler bekommt man direkt am Anfang ein Telefon und geht anfangs auf Normalstation, wo man erstmal mit einem Assistenzarzt mitgeht. Stück für Stück übernimmt man dann Aufgaben und kann anfangen eigene Patienten zu übernehmen. Dabei schaut einem der zuständige Assistent aber mit über die Schulter und man kann alles fragen. Insgesamt wird man eher als kleiner Assistenzarzt gesehen und es passiert regelmäßig, dass auch Therapeuten einen anrufen um über Patienten zu sprechen um die man sich kümmert. Das ist echt eine gute Vorbereitung aufs Berufsleben. Auch hier galt aber: immer wenn man überfordert ist bekommt man Hilfe :)
Ein normaler Arbeitstag sieht etwa so aus: Um 8 Uhr treffen sich alle zur Frühbesprechung, danach geht es auf Station, wo 2 mal die Woche eine Besprechung mit Pflege und Sozialdienst folgt. Danach geht man auf Visite, jeder Arzt hat im Normalfall etwa 8 Patienten, was schonmal angenehmer als in Deutschland ist. Einmal in der Woche kommt der Oberarzt und die Case-Managerin mit auf Visite. Danach geht es ans Dokumentieren, was in der Schweiz tendenziell noch ein bisschen mehr Zeit in Anspruch nimmt als in Deutschland. Allerdings gehen die Ärzte insgesamt sehr systematisch vor, was mir sehr dabei geholfen hat mir selbst ein Schema zu erarbeiten um Patientenfälle zu erfassen. Mittags gehen eigentlich meistens alle Ärzte von Station zusammen essen, selbst an stressigen Tagen wird da meistens drauf geachtet. Um 13 Uhr findet jeden (!!) Tag eine Fortbildung für Assistenten und PJler statt, mal in Präsenz, mal über Skype. Um 14 Uhr folgt eine kurze Röntgenbesprechung, danach wird wieder der Stationsalltag fortgeführt. Gegen späten Nachmittag findet nochmal eine Rücksprache mit der Pflege statt (ein Arzt und ein Pflegeteam betreuen zusammen die gleichen Patienten). Insgesamt ist dadurch die Patientenbetreuung echt gut, gleichzeitig führt das auch dazu, dass man ziemlich lange in der Klinik ist, meistens bin ich so gegen 18 Uhr gegangen. Da war ich aber vielleicht auch selbst dran schuld, wenn ich mal früher wegmusste ging das nach Rücksprache auch immer :)
Im Verlauf des Tertials kann man dann auch auf die IMC und die Notaufnahme rotieren. Insbesondere die Notaufnahme hat sich sehr gelohnt, man kann Patienten relativ selbstständig betreuen und dann in Rücksprache mit dem zuständigen Oberarzt entscheiden wie es weitergeht (immer mit Unterstützung wenn nötig).
Wie schon in anderen Bewertungen angesprochen kann es passieren, dass man als PJler gefragt wird, ob man als Aushilfe-Assistenzarzt mitarbeiten möchte (dann auch für entsprechendes Gehalt). In meiner Zeit war das nicht der Fall, da die Station ausreichend gut besetzt war, in den Monaten davor ist es aber vorgekommen. Insgesamt ist es aber so, dass man davor gefragt wird, ob man sich das zutrauen würde und man zumindest zu Anfang weniger Patienten als die anderen Assistenten übernimmt und Hilfe bekommt. Kann also eine Chance sein, sich schonmal wirklich auf die Assistenzarztzeit vorzubereiten, es wird aber niemand dazu gedrängt so wie ich das verstanden habe.
Insgesamt ist das Klima im Team sehr angenehm, die Hierarchien sind flacher als in Deutschland und der Umgang der Beschäftigten untereinander ist sehr wertschätzend!
Thema französisch:
Ich selbst hatte gute Vorkenntnisse im Französischen, da ich in der Schulzeit ein halbes Jahr in Frankreich war. Trotzdem war es am Anfang etwas herausfordernd die ganzen Fachbegriffe und vor allem Abkürzungen zu verstehen (davon benutzen sie dort echt viele), aber nach ein bisschen Eingewöhnung ging es dann. Ein PJ-Kollege von mir der auch aus Deutschland kam hatte etwas weniger Vorkenntnisse, aber darauf haben alle sehr viel Rücksicht genommen und nach einer kurzen Eingewöhnung ist er auch sehr gut klargekommen.
Unterkunft:
Leider hat das Krankenhaus kein eigenes Wohnheim mehr. Ich fand es etwas schwierig eine Unterkunft zu bekommen, deshalb hier einige Tipps die hoffentlich aber helfen:
Wenn man die "ressources humaines" anschreibt schicken die einem eine Liste mit möglichen Unterkünften, von denen allerdings viele richtige Wohnungsseiten sind, die sich für PJler eher nicht lohnen. Insgesamt gibt es zum Beispiel Folgende Möglichkeiten: Direkt neben dem Krankenhaus ist eine Berufsschule in der Zimmer vermietet werden (das stand glaub ich auch auf der Liste die einem vom Krankenhaus auf Nachfrage geschickt wird). Ein anderer PJler hat in "Le Locle" im Krankenhaus gewohnt, das ist der Nachbarort, in dem eine Reha-Klinik ist, die zum Krankenhausverbund (réseau hospitales neuchâtelois) dazu gehört. Etwas nervig wegen der Pendelei, aber preiswert. Es fahren aber regelmäßig Züge zwischen Le Locle und La Chaux-de-Fonds, also durchaus machbar.
Ich selbst habe ein möbliertes Zimmer gefunden, in dem Haus sind regelmäßig Zimmer frei und die Vermieterin ist sehr nett und hilfsbereit und freut sich über Anfragen (https://www.casapalomba.ch). Damit war ich sehr zufrieden!
Verpflegung:
Es gibt eine Kantine die sich echt sehen lassen kann. Allerdings ist das Essen mit 10-12 CHF schon recht teuer, wenn man allerdings nur die Beilagen bestellt zahlt man nur 4 CHF, das schont den Geldbeutel doch ordentlich!
Die Stadt:
Insgesamt ist La Chaux-de-Fonds eine ruhige, etwas verschlafene Stadt, in der es aber durchaus schöne Ecken zu entdecken gibt. Es gibt immer noch eine große Uhrenfabrik, die meine ich auch der größte Arbeitgeber ist. In der Umgebung kann man gut wandern gehen und das Bahnnetz ist echt gut, dadurch kommt man auch ohne Auto gut in umliegender Städte. Im Winter liegt regelmäßig Schnee und es gibt viele Langlauf-Loipen und irgendwo auch eine Abfahrt, da hab ich aber wenig Ahnung von da ich selbst kein Ski fahre :D
Bewerbung
Man bewirbt sich für die gesamte französische Schweiz entweder bei der Uni in Lausanne (dort habe ich mich beworben, alle Infos findet ihr hier: https://www.unige.ch/medecine/fr/enseignement1/bachelor-et-master-en-medecine-humaine/curriculumclinique6/annee6etudiantsetrangers/) oder über die Uni Genf. Ich habe dort einfach erstmal eine relativ formlose Mail hingeschrieben (an Frau Favre, super nett und antwortet schnell) um rauszufinden, ob überhaupt noch Plätze frei sind, woraufhin sie mir dann 3 mögliche Plätze genannt hat und ich ihr meine Bewerbungsunterlagen zuschicken sollte. Man zahlt für das Ganze eine Gebühr von 300 CHF an die Uni Lausanne, das war aber auch fast schon alles was ich an Kontakt mit der Uni hatte.
Die Zeiten werden nicht ganz mit den Tertialszeiten übereinstimmen, da man nur ganze Monate dort als Praktikum machen kann und ich glaube die Mindestdauer bei 3 Monaten liegt. Ich war letztendlich 3 Monate da (es war mein letztes Tertial) und drumherum habe ich dann Urlaubstage in Deutschland genutzt, im Einzelfall lohnt sich aber vielleicht eine Rücksprache mit der eigenen Uni :)
Ich hab mich etwa 10 Monate im Voraus beworben.