Insgesamt waren die 2 Monate in der Orthopädie und Unfallchirurgie in Bern super gewinnbringend und lehrreich. Ein ganzes Tertial würde ich persönlich dort nicht absolvieren wollen, um auch noch Einblicke in andere Bereiche der Chirurgie zu erlangen. Möchte man dies auch am Inselspital verbringen, müsste man sich getrennt über die jeweiligen Sekretariate bewerben, da dies nicht wie häufig in Deutschland zentral vergeben wird.
Bezüglich der Anerkennung gab es manchmal die Frage, ob „Orthopädie und Unfallchirurgie“ (den Facharzt gibt es bei uns ja so nicht) als Allgemeinchirurgie-Tertial gezählt wird - bei uns gab es meines Wissens nach aber keine Probleme mit der Anerkennung in Deutschland.
Beworben habe ich mich ca. 1,5 Jahre im Voraus. Die Bewerbungen werden auch wirklich von dem zuständigen Oberarzt gelesen. Wie schon häufig beschrieben gibt es verschiedene „Teams“, für welche man Präferenzen angeben kann. Eher unbeliebt war bei uns Hüfte, da man dort einfach oft das Bein hält. Ich war im Wirbelsäulen-Team, Knie sowie Obere Extremität/Schulter und kann alle empfehlen. Insgesamt fand ich vor allem die Mischung an Teams gut, die Leute waren alle nett und haben einen in das Team eingeschlossen. Was besonders hängen geblieben ist war eine Skoliose-OP bei einem jungen Mädchen in einem High-Tech-OP-Saal mit 3D-Rekonstruktion der CT-Bilder mit virtueller Projektion der OP-Geräte.
Man ist zwei Tage in der Woche in der Ambulanz und 3 Tage im OP des jeweiligen Teams. Ich habe kaum eine Operation zwei Mal gesehen, da die Eingriffe selbst innerhalb eines Teams häufig sehr unterschiedlich sind. Selbstständiges Operieren hängt vom eigenen Engagement und der operierenden Person ab. Ich durfte hin und wieder Bohren und Zunähen. Daher war meine Tätigkeit ehrlicherweise nicht grundsätzlich anders, als in Deutschland. Insgesamt war ich in den 2 Monaten (davon aber auch 2 Wochen Urlaubstage, die separat von den deutschen Fehltagen gerechnet werden) in ca. 40 Operationen Assistenz (meistens die 2., manchmal auch 1.).
Wenn man in der Ambulanz eingeteilt ist, kann man teilweise richtig mithelfen und die PatientInnen voruntersuchen und Anmanese machen. Oft sind es einfache Post-OP-Kontrollen, aber nicht immer. Anschließend diktiert man den Brief inklusive körperlicher Untersuchung und eigener Befundung der Röntgenbilder. Wenige Tage später muss man seine eigenen Briefe dann vidieren und anschließend an den zuständigen Arzt oder Ärztin schicken. Ich fand auch die radiologischen Kenntnisse der Chirurgen dort beeindruckend, die Einschätzung der Radiologen lasen sie häufig nicht oder teilten sie nicht.
Auf Station war ich nur ein paar Tage eingeteilt, hier habe ich nicht wirklich was mitgenommen. Es sind dort selten Studierende, sodass sie einen nicht wirklich einplanen. In der Notaufnahme bin ich auch vor allem mitgelaufen und habe nicht viel selbst gemacht.
Hervorzuheben sind die flachen Hierarchien und das nette Team. Wir waren auch gemeinsam mit den Oberärzten mal zum Glühweintrinken auf dem Sternenmarkt eingeladen. Zu erwähnen ist dabei, dass schätzungsweise die Hälfte des ärztlichen Teams selbst Deutsche sind. Kontakt zu Einheimischen zu finden ist gar nicht so leicht, da auch fast alle PJs Deutsche waren - fand ich eigentlich ein bisschen schade.
Gegangen bin ich meistens zwischen 16:00 und 17:00, hin und wieder ging es auch bis spät abends, aber das war die Ausnahme. Der Pickett-Dienst umfasst das Wochenende von 8-18 Uhr und wird 1:1 durch einen anderen (mit dem Team abgesprochenen) Tag kompensiert, auch wenn man nicht gerufen wird. Ich hatte das Glück, nie gerufen zu werden, das war aber die Ausnahme. Die Einteilung erfolgt selbstständig im Team und war nur um die Weihnachts-Tage herum etwas problematisch, hat aber dann auch funktioniert. Laut Unterlagen des Inselspitals gibt es auch Tage für Fortbildungen, sodass ich 2 Tage an einer Fortbildung von meiner Heimatuni teilnehmen konnte. Das habe ich mit der super netten Sekretärin abgesprochen.
Die Fortbildungen sind super. Man ist morgens in den Fallbesprechungen mit Röntgendemonstration, außer es gibt eine eigene Fortbildung für die PJs. Das umfässt Teaching durch OberärztInnen, AssitentInnen oder durch uns selbst.
Negativ waren die unglaublich teuren Personalwohnungen, deren Preise angestiegen sind in der Zeit, die zwischen Bewerbung und Stellenantritt vergangen sind. Im Nachhinein hätte ich so ein anderes Zimmer gewäht. Ich zahlte 750 CHF pro Monat, sodass vom Gehalt nicht viel übrig blieb, wenn man an Anreise/Abreise usw. denkt.
Man muss ein Schweizer Konto eröffnen, die meisten hatten eines von Post Finance. Wenn man beim 1. Mal abgelehnt wird wegen irgendwelcher Formalitäten, nicht aufgeben. Zu Empfehlen ist das Abo von Publi-Bike, es gibt dort Rabatte für Mitarbeitende des Inselspitals. Die PJ-Gruppe war super, wir haben wöchentlich Pizza bestellt nebenan oder waren Glühwein-Trinken. Unter der Woche war es im Winter schon dunkel im Feierabend, sodass wir dort keine größeren Unternehmungen mehr starten konnten. Am Wochenende haben wir Ausflüge zum Wandern, Skifahren, Schneeschuhwandern oder Langlaufen organisiert. Außerdem sind Zürich, Genf usw. alle schnell erreichbar. Mit dem Zug oft teuer, da sollte man Halbtax haben (gibt es oft mit Rabatt-Codes vom Supermarkt).
Insgesamt zu empfehlen, aber definitv kein Chill-Tertial