Allgemein- und Viszeralchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie
Einsatzbereiche
Station, Notaufnahme, OP
Heimatuni
Hamburg
Kommentar
"Deinen Namen werde ich mir nicht merken können, PJ-ler sind ja hier auch nur Biomasse".
"Ah, heute ist ja wieder ein PJ da, dann hätten wir ja noch mehr Blutentnahmen stellen können".
So oder ähnlich beginnt der Tag im AK St. Georg für PJ-Studierende in der Chirurgie auf Station. Wenn man es einmal auf Station geschafft hat, denn sich im Organisations-Chaos der Klinik dort hin vor zu arbeiten, ist schon eine Herausforderung. Die PJ-Beauftragte hat am ersten Tag des Tertials regelmäßig frei, eine Vertretung gibt es nicht, sodass wir uns erst einmal durchfragen mussten. Obwohl alle 2 Monate eine neue Gruppe PJ-Studierender im Krankenhaus anfängt, ist die Personalabteilung völlig überfordert damit, den neuen unbezahlten Mitarbeitern Namensschilder, Spindschlüssel und Zugangs-Chip auszuhändigen. Einige meiner Mitstreiter:innen sind leider leer ausgegangen und mussten ohne eigenen Spind auskommen. Abgesehen von einer knappen Hygieneschulung (Händedesinfektion) gibt es keine Einführungsveranstaltung für PJ-Studierende. Ebenso gab es keine Einführung in das Klinik-IT-System. Um herauszufinden, wer auf welcher Station eingeteilt ist, und wo diese zu finden ist, ist dann der Rest des ersten Tages einzuplanen. Um am Ende festzustellen, dass die zuvor per Mail eingereichten Wünsche schlichtweg ignoriert wurden. Nun aber zum eigentlich Wichtigen: Dem PJ auf den chirurgischen Stationen.
ALLGEMEIN- UND VISZERALCHIRURGIE (AVC)
- Arbeitsbeginn: 7:00 Uhr
- Arbeitsende: Nach der Röntgendemo (ca. 16:15 Uhr)
Für alle, die im Chirurgie-Tertial einen Pflicht-Anteil in der Allgemein- und Viszeralchirurgie ableisten müssen (UKE beispielsweise 8 von 16 Wochen), ist von Chirurgie im AK St. Georg nur abzuraten. Die Abteilung ist sehr klein, meist im Bereich von 10-15 belegten Betten (Minimum in meiner Zeit waren einmal 3 belegte Betten). In der Regel wird auch nur ein OP-Saal allgemein-/viszeralchirurgisch besetzt. Das Eingriffsspektrum ist daher auch nicht besonders breit (meist VAC-Anlagen/-Wechsel, Port-Im-/Explantation). Ein Behandlungsfokus liegt auf proktologischen Eingriffen (Starre Rektoskopie, Hämorrhoiden-OPs), ein weiterer auf der chirurgischen Resektion von Weichgewebstumoren. Da aber aufgrund des Pflichtanteils an vielen Unis meist recht viele PJ-Studierende in der AVC gleichzeitig eingeteilt sind (wir haben mit 6 PJ-lern dort begonnen), kann man nicht jeden Tag in den OP. Dort geht es meist um Haken halten, gelegentlich darf man auch die Haut nähen oder den Sauger halten.
Tagesablauf: Kurz nach 7 Uhr beginnt die ärztliche Visite. Frühbesprechung gegen 8 Uhr, danach Aufteilung in Station/OP. An manchen Tagen findet vormittags zusätzlich noch die proktologische Sprechstunde im MVZ statt, die sich tatsächlich lohnt. Röntgendemo an den meisten Tagen um 15:30 Uhr bis ca. 16:15 Uhr, je nach Patientenaufkommen. Einmal wöchentlich Tumorkonferenz. Eine Teilnahme an der Visite ist für PJ-ler oft nicht möglich, da die Blutentnahmen parallel erfolgen sollen, damit zur Frühbesprechung um 8 Uhr alles erledigt ist und die Ergebnisse früher da sind. Ausnahme hiervon ist die Chef-Visite einmal wöchentlich, zu der PJ-Studierende ausdrücklich erwünscht sind. Aufgaben sind hier: Kittel zubinden, Handschuhe (Größe S!) vorhalten, Bett auf Arbeitshöhe fahren, Desinfektionsmittel sprühen, Pflaster und Schere bereit halten und bei entlassungsfähigen Patient:innen einen Flyer mit Kontaktdaten und überlebensgroßem Porträt der Chefin anreichen. Wer den perfekt durchchoreografierten Auftritt stört, wird unmittelbar und vor dem Patientenbett von der Chefin gemaßregelt.
Sind die Blutentnahmen erledigt und ist im OP gerade nichts zu tun, sitzt man sehr viel einfach nur herum. Mit Glück gibt es einen freien PC-Arbeitsplatz, den man zum Selbststudium nutzen kann. Mit Pech klingelt regelmäßig das PJ-Telefon, über das man entweder in den OP zum Hakenhalten oder zu allerhand Hilfstätigkeiten eingeladen wird ("Patient XY braucht noch einen Zugang", "Hast du die Blutentnahmen schon ins Labor gebracht?", "Bring mir doch mal ein 15er-Pflaster in die Ambulanz runter", "Wir brauchen gaaanz dringend noch einen Corona-Abstrich hier"). Botengänge sind hier an der Tagesordnung. Selten handelt es sich auch einmal um spannendere Sachen, wie Drainagen ziehen, kleinere Wunden nähen oder einen VAC-Wechsel. Eigene Patienten betreuen, Diagnostik- oder Therapieentscheidungen diskutieren oder selbst Briefe schreiben durfte ich hier nie, ich hatte regelmäßig das Gefühl, dass Eigeninitiative auch explizit nicht erwünscht ist. So sperrt die Klinik-IT beispielsweise für PJ-Studierende die Einsicht in den Medikationsplan von Patient:innen, sodass ein eigenständiges Arbeiten ohnehin kaum möglich wäre.
ORTHOPÄDIE UND UNFALLCHIRURGIE
- Arbeitsbeginn: ca. 06:50 Uhr
- Arbeitsende: Nachmittags (15:00 - 16:00 Uhr)
Das AK St. Georg ist traumatologisch recht breit aufgestellt, unfallchirurgisch ist deutlich mehr Betrieb als in der AVC. Es gibt regulär 3 Stationen, zuzüglich Außenliegern, IMC und Intensivstation. Orthopädie und Unfallchirurgie betreiben meist 3-4 OP-Säle täglich, hinzu kommt noch die Wirbelsäulenchirurgie. Der chirurgische Teil der zentralen Notaufnahme wird ebenfalls durch die Unfallchirurgie geführt. Hier kann man als PJ-ler tatsächlich viel lernen (Patient:innen eigenständig aufnehmen, untersuchen und vorstellen, Wundversorgung, Wundnähte, etc.). Spannend ist auch der Betrieb in den beiden Schockräumen. Allerdings ist dieser Teil natürlich bei den meisten PJ-lern sehr beliebt, man sollte sich also gut miteinander absprechen.
Der Tagesablauf ist ähnlich wie auf der AVC, an der Visite kann man meist aber teilnehmen (Beginn meist Punkt 7 Uhr, also ist Anwesenheit ca. 06:50 gut). Aufgrund des hohen Patientenaufkommens gibt es hier oft sehr viele Blutentnahmen (morgens bis zu 30 Blutentnahmen), die vollständig auf die PJ-ler abgewälzt werden, sodass Blutentnahmen hier die dominierende Tätigkeit sind. Über das PJ-Telefon wird man recht oft zu OPs gerufen, i.d.R. zum Haken- oder Extremitätenhalten bei Endoprothetik-Eingriffen (Hüft-/Knie-TEPs). Man kann, wenn sich zwischen den Blutentnahmen Zeit dazu findet, aber auch zu zahlreichen anderen Eingriffen dazu gehen und darf oft auch eingewaschen mit an den Tisch. Das Spektrum an traumatologischen Eingriffen ist hier recht breit.
FAZIT
Mein Chirurgie-Tertial am AK St. Georg hat mich maßgeblich desillusioniert. Ich hatte in diesem Haus das ständige Gefühl, dass hier nicht nur die Einrichtung und Infrastruktur, sondern das gesamte Personal - pflegerisch wie ärztlich - bewusst auf Verschleiß gefahren wird. Es herrscht ein konstanter Mangelzustand an alltäglichen Arbeitsutensilien wie Blutentnahme-Besteck oder OP-Sieben, an funktionierender Infrastruktur wie PC-Arbeitsplätzen oder funktionstüchtigen Fahrstühlen sowie an zeitlichen Kapazitäten, sich ernsthaft mit Patient:innen auseinanderzusetzen. Ausdruck dieses Mangels ist, dass PJ-Studierende hier nicht als lehrwillige angehende Ärzt:innen angesehen werden, sondern als Lückenbüßer für alles, was den Tag über sonst liegen bleiben würde.
Als "Dankeschön" für die Arbeit hat jeder PJ-ler übrigens einen Sack gefüllt mit Asklepios-Merchandising-Ramsch erhalten sowie einen 20-Euro-Einkaufsgutschein. Vielen Dank für diese Geste, aber eine faire Behandlung im PJ wäre mir lieber gewesen.