Ich habe wenig erwartet und wurde trotzdem enttäuscht. Ich hatte zuvor alles in allem wirklich 2 gute Tertiale mit einer ordentlichen Betreuung in denen ich auch viel mitgenommen habe. Aus meinem Chirurgie-Tertial habe ich mir so eigentlich nur ein nettes Arbeitsumfeld, das Erlernen ein paar praktische Skills (Blutentnahme, Viggo, Wundmanagment, Nähen etc.) und das Erkennen der wichtigsten Redflags mit den diagnostischen Abläufen und Therapien erhofft.
Die Abteilung besteht aus einem Chefarzt, drei Oberärzten, sechs Assistenten und zwei Hospitanten. Bis auf den Chefarzt der Klinik sind alle Assistenzärzte und Oberärzte keine Muttersprachler, häufig wird sich deshalb auch nur auf Arabisch miteinander unterhalten, seien es private oder auch fachliche Konversationen. Insgesamt sind die meisten Ärzte zwar nett, nutzen es aber auch schamlos aus, wenn sie sehen, dass ihr ihnen Arbeit abnehmen könnt. Die beiden anwesenden Hospitanten (beide bereits in der Heimat mehrere Jahre approbiert) haben wenig bis gar nicht gearbeitet, obwohl sie zum Teil bis spät nachmittags anwesend waren. Bei schwierigen Blutentnahmen oder einem Zugang wurde man erst mal schief angesehen und wenn überhaupt das ganze nur sehr widerwillig gemacht. Zum Teil wurde Blut abgenommen und irgendwo im Haus stehen gelassen, so dass man es selbst später wieder abnehmen musste, da es geronnen war. Mehrfach wurde man von den Hospitanten und Assistenzärzten angelogen, zB „der Patient möchte nur Blut vom Pjler abgenommen bekommen und hat uns rausgeschickt“.
Insgesamt werdet ihr als Pjler schamlos als billige Arbeitskraft ausgenutzt trotz zum Teil großzügiger Stationsbesetzung. So waren zum Teil bis zu 6 Assistenten + 2 Hospitanten anwesend, die sich um weniger als 30 Patienten kümmern mussten. Trotzdem mussten ein Pjler-Kollege und ich alle Blutentnahmen, Viggos, Briefe schreiben und nebenbei noch in den Op sobald das Telefon klingelte. Die Briefe werden meistens nicht Mals von den Ärzten angelegt und schon gar nicht während des Aufenthalt gepflegt, so dass man zT Patienten über 4-6 Wochen mit komplikationsreichem Verlauf in der Klinik hat und nichts geschrieben wurde, sofern wir das nicht taten. Da die Patienten über bis zu 6 Stationen verstreut liegen schreibt man oftmals auch Briefe für Patienten, die man nie gesehen hat, da die morgendliche Visite sich aufteilt. Befunde sucht man sich in der ganzen Klinik zusammen, da das SAP-System nicht alle Befunde enthält und bei Aufnahme etwa ein schludriger chir. ZNA-Brief angelegt oder nur eine handschriftliche Dokumentation erfolgt, die in einer Akte verschwindet. CT- und Röntgen-Befunden telefoniert man zum Teil über 10 Tage hinterher, da diese durch eine an die Klinik angebundene Praxis gemacht werden und man Patienten so leider manchmal mit mündlichen Befunden von einem Assistenzarzt entlassen muss. Generell wird alles auf einem abgeladen, selbst wenn man nur einen Satz in einem Brief ändern soll wird man angerufen und zur Not der Patient 2 Stunden später entlassen, solange die Assistenten es dann nicht selbst machen müssen. Einem werden Aufgaben zugeteilt die man als Pjler einfach nicht allein erledigen sollte wie zB:
- Betreuung über das Amtsgericht für einen Patienten beantragen und Aussagen über dessen psychischen Gesamtzustand treffen
- Patienten notfallmäßig zu OPs oder gar auf Intensivstation in externen Kliniken verlegen
- Patienten für externe Tumorboards vorstellen ohne genaue Befunde zur Histologie und der Bildgebung zu haben
- Gespräche mit dem Jugendamt zur Klärung des Aufenthaltsbestimmungsrecht und der Wohnsituation Minderjähriger
Zu Anfang waren wir ständig im OP als erste Assistenten eingeteilt, der Grund war, dass die Assistenzärzte OP-Verbot hatten. So hatten diese eigentlich noch mehr Zeit ihre Arbeit auf Station routiniert und sorgfältig zu erledigen, was sie aber trotzdem nicht getan haben. Mehrfach kam es zu Vorfällen eklatanter fachlicher Fehler trotz mehrfacher Nachfrage und Ermahnung unsererseits, ob man das Prozedere nicht überdenken möchte oder nicht doch etwas vergessen habe. Dazu kümmert sich Niemand um das Entlass- und Sozialmanagment, wenn man wollte, dass sich um die Leute gekümmert wurde, musste man das als Pjler mit dem Sozialdienst zusammen selbst machen. Euer Stethoskop könnt ihr getrost zu Hause lassen, da Niemand auf Station eines bei sich trägt und es auch nicht für nötig hält eines zu benutzen, selbst in der Notaufnahme. Ich denke das spricht für sich, was die Qualität der körperlichen Untersuchung dort anbelangt.
Eine der wenigen Lichtblicke ist der ltd. Oberarzt der wirklich bemüht war einem im OP auch etwas zu zeigen, beizubringen und auf Station für Ordnung zu sorgen. Ihm war auch sehr wohl bewusst, dass er über Wochen nur Briefe von uns gelesen hat und gab uns den Tipp uns auch auf Station nicht alles gefallen zu lassen. Ansonsten beschränkte sich die Lehre auf einen PJ-Unterricht einmal pro Woche, dieser fiel wie in anderen Häusern natürlich manchmal auch aus, aber fand eigentlich recht regelmäßig statt. Häufig waren die Kurse auch praktischer Natur (Orthopädischer Untersuchungskurs, Sono Abdomen, Echo), so dass sich auch mal lohnte reinzuschauen. Manche Dozenten sind wiederum leider auch total unvorbereitet, fragen einfach in die Runde was man besprechen will und sind auch nicht wirklich auf dem Stand der Dinge was neue Leitlinien oder EBM angeht.
Mit 600€ Aufwandsentschädigung, freiem Essen und Diensten (10€/h mit 16h Diensten unter der Woche und 24h Diensten am WE mit Ausgleichsfrei unter der Woche am Folgetag, sowie Blutentnahmedienste für Sa/So) ist es zumindest von der Bezahlung ein „faires PJ“. Zum PJ gehört jedoch vor allem anderen, dass man etwas lernt und betreut wird. Das hat in diesem Haus leider nicht stattgefunden und für die Arbeitslast, die einem hier aufgeladen wurde, war es dann auch wieder deutlich zu wenig Geld. Dienste habe ich keine gemacht, da mich die ganze Arbeitsatmosphäre und fahrlässig schlechte Patientenversorgung in diesem Haus einfach nur krank gemacht haben. Frau Saar die für die PJler als Sekretärin zuständig ist ist sehr nett und bemüht, organisatorisch kann ich mich über nichts beschweren. Ebenso ist die Pflege auf Station meist sehr nett und es war ein angenehmes Arbeitsklima. Im OP erwarten einen die üblichen etwas ruppigen OTAs, aber auch hier sind die meisten recht nett, wobei Tiktok-Videos während Operationen oder das Schlagen von Instrumenten gegen die Hände als stummer Befehl für „halt fest“ doch ein absolutes No-Go sind.
Nach diesem letzten Tertial bin ich zwar selbstsicherer in meinem Auftreten, habe gelernt zu hinterfragen und auch mal Nein zu sagen, Briefe im Akkord zu schreiben und technische Skills wie Blutentnahmen und Viggos zu üben, aber vor allem bin ich einfach froh keinen Tag mehr in dieser Klinik verbringen zu müssen.