Vorweg gesagt: Mein Tertial in Solothurn war wirklich gut, ich würde es jederzeit wieder machen!
Generell ist alles sehr gut organisiert, man bekommt frühzeitig einen Arbeits- und Wohnvertrag zugesendet, den Einsatzplan bekommt man jedoch erst kurz vorher. Wer mit dem Auto in die Schweiz fährt sollte an eine Plakette denken, diese kostet ca. 35 Euro für das ganze Jahr und ist bei jedem ADAC-Büro erhältlich. Für die Anrechnung des Tertials muss man eine Bescheinigung der Universität Bern anfordern, die ich nach ca. 2 Wochen erhalten habe. Diese reicht man dann beim zuständigen Landesprüfungsamt ein.
Arbeit:
Vor Beginn kann man sich bei der Chefarztsekretärin verschiedene Einsatzgebiete wünschen, wobei man wissen sollte, dass die Stationen weitestgehend gemischt sind und einzelne Fachgebiete eigentlich sowieso überall vertreten sind. Generell lohnt es sich jedoch, mindestens (!) einen Monat auf die Notfallstation zu rotieren, da man dort mit Abstand am Meisten tun und lernen kann. In der Schweiz sind die Ärzte und Ärztinnen der Inneren Medizin eher für die generelle Verwaltung der Patient*innen zuständig, für bspw. kardiologische Patient*innen ist ein kardiologischer Oberarzt/ eine kardiologische Oberärztin verantwortlich, die alles mit dem allgemeinen Internisten bespricht, welcher dann die Medikamente verordnet, Angehörigengespräche führt etc. Wenn man die spezialisierten Kaderärzte fragt darf man aber auch mal in den Herzkatheter, zu einer Ablation oder einer Nierenbiopsie mitgehen. Ansonsten ist der Arbeitsalltag wie folgt gegliedert: Um 8 Uhr ist Morgenrapport, danach geht man auf Station, liest sich in seine Patient*innen ein und geht ab 9 Uhr auf Visite. Danach hat man keine festen Aufgaben, ich habe im Anschluss immer die arteriellen BGAs gestochen (venöse Punktionen werden von der Pflege durchgeführt), Angehörige angerufen, telefonisch von Hausärzten Berichte angefordert, Patient*innen die vom Notfall auf Station geschickt wurden aufgenommen und untersucht und MoCA- sowie Schellong-Tests durchgeführt. Zwischen 11:30 Uhr und 13 Uhr geht man zusammen Mittagessen, danach geht’s dann wieder auf Station und meistens wird man zwischen 15 und 16 Uhr nach Hause geschickt. Generell findet um 16 Uhr noch ein Röntgenrapport statt, zum Ende meines PJs musste man dort anwesend sein, im Endeffekt war dies aber nur der persönliche Wunsch eines Oberarztes der von allen ignoriert wurde, wenn dieser keinen Dienst hatte. Fortbildungen finden 2-3 Mal pro Woche für alle Assistent*innen statt, wobei einmal pro Woche die Neurologie, einmal ein internistisches Gebiet und einmal bunt gemischt (z.B. auch Pathologie) auf dem Plan steht. Mittwochs findet immer ein Journal Club statt, in dem ein/e Assistenzarzt/ärztin ein Paper vorstellt und im Anschluss kurz darüber diskutiert wird. Generell ist die Stimmung im Team sehr gut, alle sind zwar immens überarbeitet, lassen es aber nie an einem aus und sind dankbar für alles, was man ihnen abnimmt. Trotz allem hält sich der Lernerfolg in Grenzen und ist stark davon abhängig, mit wem man unterwegs ist. Teils kann man sehr viel mitnehmen, teils sitzt man aber auch den ganzen Tag nur am Schreibtisch und fühlt sich mehr wie eine Sekretärin (wobei man dieselbe Arbeit wie alle Assistent*innen macht, also diese telefonieren und schreiben einfach auch sehr sehr viel, wie man es halt aus der Inneren kennt…).
Auf dem Notfall arbeitet man im 3-Schicht-System (Frühdienst: 7-17 Uhr, Spätdienst: 16-1:30 Uhr, Nachtdienst: 23-8:30 Uhr). Das ist anstrengend, jedoch lernt man hier mit Abstand am Meisten. Man darf fast alle Patient*innen selbst untersuchen, teils auch einfache Patient*innen alleine in Rücksprache mit dem Oberarzt betreuen und sieht viele verschiedene Krankheitsbilder. Hierbei fand ich es besonders toll, dass die Notfallstation interdisziplinär geführt wird, sprich man sieht sowohl chirurgische als auch internistische Krankheitsbilder und darf auch mal nähen und gipsen. Einzig und allein gynäkologische Fälle werden sofort zu den Gynäkologen weitergeleitet.
Wohnen und Gehalt:
Das Spital überweist das Gehalt von 1700 CHF (abzüglich Miete, Steuern und im ersten Monat einem nicht unerheblichen Betrag für organisatorische Dinge) seit neuestem nur noch, in bar wird nichts mehr ausgezahlt, auch wenn dies älteren Berichten zufolge früher so gehandhabt wurde. Für Schicht- und Wochenendarbeit erhält man keine Zuschläge wie in anderen Spitälern der Schweiz übrig. Trotz allem ist Solothurn damit eines der spendabelsten Spitäler der Schweiz und recht lukrativ. Ein Personalwohnheimzimmer kann für knapp 300CHF pro Monat gemietet werden, ein ggf. benötigter Parkplatz kostet 40CHF pro Monat. Beides ist direkt neben dem Spital, man benötigt morgens dementsprechend nicht einmal 3 Minuten dorthin. Das Zimmer ist gemütlich eingerichtet mit einem Bett, Schreibtisch, Minikühlschrank, Stuhl, Sessel, Schrank und Waschbecken. Pro Stockwerk (à 12 Zimmer) gibt es ein Gemeinschaftsbad mit 2 Duschen und Toiletten sowie eine kleine Gemeinschaftsküche mit Backofen und nochmal seinem Minikühlschrank und einem Mini-Gefrierfach. Man sollte unbedingt sein eigenes Geschirr und Pfannen/Töpfe etc. mitbringen, da dies kaum vorhanden ist und teils von den Putzfrauen entsorgt wird, wenn es offen herumsteht. Wir hatten im Wohnheim jedoch so ein familiäres Verhältnis, dass wir uns auch gerne mal etwas ausgeliehen oder zusammen gekocht haben. Generell findet man dort meiner Erfahrung nach schnell Anschluss, da fast alle Studierenden dort wohnen. In dem Personalwohnheim ist unten ein Kindergarten untergebracht, was bei Nachtschichten teils sehr laut sein kann, ansonsten aber nicht weiter stört. Die Etagen G und H werden von Unterassistent*innen und Blockstudent*innen bewohnt, wobei zu meiner Zeit nahezu nur Deutsche dort gewohnt haben. Zusammengenommen kommt man finanziell sehr gut zurecht, das Essen ist definitiv teurer aber wenn man bei Aldi oder Lidl einkauft ist alles gut möglich (mein PJ-Kollege würde an dieser Stelle auf die Lidl-Plus-App verweisen, die sich in der Schweiz wirklich lohnt!). Ansonsten sind generell gesagt Dienstleistungen wie beispielsweise Essen gehen, Frisörbesuche oder auch Bahnfahrten sehr teuer. Trotz allem muss man bei dem recht großzügigen Gehalt und dem billigen Wohnheimzimmer nicht allzu sehr sparen und kann auch einiges der schönen Schweiz sehen.
Freizeit
Freizeittechnisch ist Solothurn ideal gelegen: Im Winter kann man im Berner Oberland Skifahren gehen, im Sommer in der Aare schwimmen, Wandern, Radfahren, etc. Nahezu alle größeren Städte und bekannten Wanderhighlights sind gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Wer allerdingt die Großstadt mit vielen Museen, Theatern, Oper etc. liebt der ist in dem kleinen Städtchen Solothurn definitiv falsch!
Bewerbung
Für mein PJ-Tertial in der Inneren Medizin in der Schweiz habe ich mich 1,5 Jahre im Voraus bei verschiedenen Kliniken beworben. In der deutschsprachigen Schweiz bewirbt man sich hierbei bei den Chefärzten der jeweiligen Klinik direkt, in der französischsprachigen Schweiz laufen die Bewerbungen über die zugehörige Universität. Generell war ich mit dieser Vorlaufzeit eher zu spät als zu früh dran, viele Spitäler hatten bereits keine Stellen als „Unterassistent*in“ mehr frei. Nachdem ich am Ende 3 verschiedene Zusagen hatte habe ich mich auf Grund der soliden PJ-Berichte, der Lage und der Größe des Spitals für das Bürgerspital Solothurn entschieden.