Zum Arbeitsalltag: als senior co-assistent ist dein Lernziel, die ganze Station alleine zu leiten, praktisch als Generealprobe fürs Berufsleben. Das war auf jeden Fall eine Herausforderung, aber super lehrreich. Man kann immer um Hilfe fragen (muss man natürlich auch viel machen) und man kann den Assistenzärzten natürlich auch Aufgaben abgeben. Morgens ist um 7:30 Uhr große Morgenbesprechung mit allen chirurgischen Fachdisziplien, man muss aber schon vorher da sein um nachzulesen, was über Nacht auf seiner Station so passiert ist. Dann gibt es auf Station noch eine Besprechung in der eigenen Fachdisziplin. Anschließend ist Visite, zusammen mit dem Pflegepersonal. Die dürfen sehr viel mehr machen als unser Pflegepersonal (Blutabnehmen, Flexülen, Magensonde, Wundversorgung, Drainagen ziehen, etc.). Eine Pflegekraft sorgt auch nur für 1-4 Patienten, also sehr anders als bei uns!
Dann ist man damit beschäftigt, die Aufgaben abzuarbeiten, die während der Visite anfallen. In der Niederlanden arbeitet man sehr spezialisiert, zumindest an der Uniklinik, weshalb man auch viel Zeit mit telefonieren mit den Consulenten anderer Fachrichtungen verbringt. Meist dauert das den ganzen Vormittag. Mittags gehen alle gemeinsam Mittagessen. Nachmittags werden Aufnahmen am Computer vorbereitet (d.h. das Dossier lesen, damit man die Patienten in der Nachmittagsbesprechung vorstellen kann und die Patienten anrufen/auf ihrem Zimmer besuchen). Um 17:00 ist theoretisch Schluss, aber meistens arbeitet man noch Sachen nach, die sich aus der Nachmittagsbesprechung ergeben haben.
Unterschiede in der Ausbildung: in den Niederlanden läuft man im Master nur Praktika (Coschappen) und rotiert so durch ganze Krankenhaus. Es ist also viel praktischer aufgebaut als bei uns. Studenten werden von allen total respektiert, alle wollen einem was beibringen und Hirarchien sind praktisch nicht existent. Man bekommt einen Supervisor zugeteilt, mit dem man regelmäßig Gespräche führt. Der holt sich dann Feedback von den Kollegen mit denen man am meisten zusammenarbeitet. Das ist ein mega cooles System! Der Nachteil für mich war, das OP gar nicht vorgesehen war. Ich musste sehr viel Eigentinitiative zeigen und viel erklären, dass es in DE anders läuft und ich noch nicht viel im OP war. Ich hab zwar nicht viele OPs gesehen, aber am Ende doch ein paar. Manchmal durfte ich auch Patienten in der Poliklinik sehen und untersuchen. In der Regel wollen alle wirklich dass man so viel wie möglich lernt und passen sich auch an unseren Lehrplan an. Man muss sich dann nur gut mit den Coassistenten absprechen, weil die ja regulär im OP/in der Poliklinik sind. Als senior co muss man auch beim Unterricht für die normalen co's helfen, z.B. Nähunterricht geben. Übrigens muss man in den Niederlanden erst ein paar Jahre als ANIOS ( = arts niet in opleiding tot specialist) arbeiten, also vor allem Stationsarbeit machen, bevor man sich für die Weiterbildung bewerben kann. Der normale Vertrag für einen ANIOS geht über 46 Wochenstunden, also schon mehr als bei uns.
Sprache: ich habe vorher auf B2 Niveau Niederländisch gesprochen und fand es am Anfang trotzdem wirklich schwierig. Aber alle waren super lieb, auch die Patienten. Zum Schluss ging es wirklich gut mit der Sprache. Niederländischkentnisse sind auch Voraussetzung, damit man genommen wird. Welches Niveau weiß ich nicht, es wollte auch keiner einen Nachweis sehen.
Fazit: es war ein wirklich sehr anstrengendes aber sehr lehrreiches Tertial! Das Arbeitsklima ist wirklich sehr anders als bei uns. Mir hat es sehr gut gefallen, außer, dass man super viel arbeiten musste. Ich hatte Glück dass ich spontan noch im letzten Monat auf eine andere Station rotieren konnte, aber ich würde empfehlen, sich vielleicht gleich bei zwei Stationen zu bewerben, damit man auf jeden Fall rotiert.
Bewerbung
4 Monate im Voraus übers International Office. Man muss dann einen Motivationsbrief verfassen und sie leiten es weiter.
