(Dieser Bericht ist als Ganzes unter „Chirurgie“ und die Teilberichte in ihrer jeweiligen Fachrichtung auch einzeln zu finden.)
Das Chirurgie-Tertial war mein 3. PJ-Tertial, und insgesamt auch tatsächlich mein bestes Tertial, obwohl ich Chirurgie gegenüber sehr skeptisch eingestellt war.
Wir waren 4 PJler und da wir alle vier am Ende den Urlaub genommen haben und Weihnachten in das Tertial fiel, war das Tertial deutlich kürzer und so waren wir jeweils 5 Wochen in der Allgemeinchirurgie und 5 Wochen in der Unfallchirurgie. In der Allgemeinchirurgie gibt es die Viszeralchirurgie/“upper GI“ und die Koloproktologie/“lower GI“. Es gibt zwar auch noch die Gefäßchirurgie und die Endokrine Chirurgie, dorthin rotiert man aber nicht planmäßig, nur auf eigenen Wunsch.
Zunächst war ich in der Koloproktologie. Die Sekretärin hatte bereits vor unserer Ankunft für uns PC-Zugänge, Rabatt-Karten für die Kantine (4,10€ pro Tag), Schlüssel/Transponder sowie den Wäschechip organisiert, so dass der Arbeitseinstieg deutlich leichtet war.
Das Team ist insgesamt super nett, vor allem das in der Koloproktologie. Hier duzt man sich sogar mit den Oberärzten und wirklich alle (von den MFAs bis zum Chefarzt!) sind bemüht, dass man gut im Team eingebunden ist und viel mitnimmt.
Der Tag fängt um 7.15 Uhr auf Station mit der Visite an, bei der man als PJler die Aufgabe hat, auf dem Stations-iPad alles zu dokumentieren. Um 8.00 Uhr ist dann die Frühbesprechung mit der kompletten Allgemeinchirurgie, mittwochs auch Fortbildung oder einmal im Monat M&M-Konferenz. Danach geht es in die verschiedenen Bereiche: OP, Aufnahmezentrum AOZ), Sprechstunde, Rettungsstelle oder auch mal Station. Häufig wird einem in der Frühbesprechung auch gesagt, wo man mitkommen kann („Du kannst mir gut bei … helfen.“). Schluss hat man zwischen 15 und 16 Uhr, offiziell ist es 15.45 Uhr. Freitagfrüh ist die sehr lehrreiche Chefarzt-Visite. Studientage darf man einmal die Woche nehmen, nur nicht gleichzeitig mit den anderen PJlern. Man spricht das einfach mit den Ärzten auf Station ab.
Vom Spektrum her ist so ziemlich alles dabei: Karzinome (Kolon, Rektum, Anus), Mesenterialischämie, Sigmadivertikulitis, Analabszess, Analfissur, Analfistel, Kondylome, Hämorrhoide, Sinus pilonidalis, operative Therapie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, Funktionsstörungen des Darms. Man kann die Krankheitsbilder sowohl im OP, als auch in den Sprechstunden gut kennenlernen.
Ein absolutes Highlight der Abteilung sind die Sprechstunden, vor allem die chefärztliche! Nach jedem Patienten hat der Chefarzt sich Zeit genommen, um den Fall noch einmal detailliert zu besprechen. Bei allen Ärzten konnte man aber auch immer Fragen stellen, bei Untersuchungen dabei sein und z. T. sogar assistieren.
Die Stimmung im Team ist immer sehr nett und angenehm gewesen, ich wurde nie angebrüllt o.ä., wenn ich mal etwas noch nicht konnte oder etwas nicht richtig gemacht hatte. Auch im OP herrscht ein sehr angenehmes Klima. Nachdem ich am Anfang zweimal fast umgekippt bin und mir von der Anästhesie fast ein Zugang gelegt wurde, hat mich der OA in der nächsten OP (eine knapp 4h dauernde Hemikolektomie) regelmäßig gefragt, ob alles ok sei, was ich total nett fand.
Mit den doch eher schambehafteten Erkrankungen der Patienten wird überall ebenfalls sehr respektvoll umgegangen.
Im OP darf man eigentlich immer zunähen oder zutackern, klar, man hält viele Haken, aber man bekommt dafür immer Erklärungen bzw. darf immer Fragen stellen und manchmal darf man auch mit irgendeinem krassen Gerät irgendwas durchschneiden.
Ab und zu muss man auch Stationsarbeit machen, die sich aber sehr in Grenzen hält (max. 3 Blutabnahmen/Zugänge pro Tag), da es dankenswerterweise einen Blutabnahmedienst gibt.
Weitere Empfehlungen sind Ausflüge in die Pathologie insbesondere während oder nach Tumoroperationen (Schnellschnitt etc.) und das Mitgehen bei der Wundschwester, die einem die verschiedenen Verbände und Besonderheiten der verschiedenen Wunden super erklärt. Man kann auch mal einen Nachtdienst mitmachen, bei dem man dann auch Notfalleingriffe wie eine Appendizitis sehen kann.
Die Station 16 wird sich von den Viszeralchirurgen und Koloproktologen geteilt, so dass man immer mit dem gleichen Pflegeteam zu tun hat, was ebenfalls super nett und hilfsbereit ist.
In der Viszeralchirurgie hat man auch ein breites Spektrum: Hernien aller Art, Cholezystitis, Appendizitis, Ileus, Karzinome von Leber und Pankreas, selten auch mal Magen oder Dünndarm. Der Chefarzt hier ist auf PPPD/Whipple spezialisiert, diese Eingriffe finden auch regelmäßig statt, sind aber nichts für Leute, die nicht lange stehen können (Dauer mindestens 6h, eher 8h).
Im 2. Teil war ich noch in der Unfallchirurgie, die ebenfalls ein sehr nettes Team hat. Meine Empfehlung hier ist, schon ein paar Tage vor Beginn zu der Sekretärin zu gehen und die entsprechenden Dinge wie Schlüssel, PC-Zugang und Essenskarte organisieren zu lassen, damit es dann rechtzeitig da ist.
Hier geht es schon um 7 Uhr los mit der Visite, die aber wirklich eine sehr kurze Visite ist; denn um 7.30 Uhr ist schon Früh- und Röntgenbesprechung. Danach starten eigentlich alle in den OP, in den man auch selbst regelmäßig eingeteilt wird. Also schaut immer nach, ob im OP-Plan irgendwo „Student“ steht. Um 14.45 Uhr gibt es noch eine Nachmittagsbesprechung, an der man aber nicht teilnehmen muss und es auch häufig eh nicht kann, weil man noch im OP ist. Raus kommt man aber in der Regel sehr pünktlich, spätestens gegen 15.30 Uhr. Stationsarbeit fällt wenig an, aber natürlich hilft man auch da ab und zu. Die Pflege ist ebenfalls sehr nett und hat mir z. B. auch nochmal ausführlich einen ordentlichen Verbandswechsel erklärt.
Das Team führt alle Arten an Eingriffen durch, von der Schulterathroskopie bis hin zur Sprunggelenksstabilisierung. Es gibt ein zusätzliches Schulter- und ein Endoprothetik-Team mit jeweils eigenen Chefs. Im Schulter-Saal kann man auch öfter helfen, die Chefärztin dort ist sehr tough, aber auch sehr nett und man kann auch immer Fragen stellen. Den Chefarzt vom Endoprothetik-Team würde ich jetzt nicht unbedingt als Sympathie-Träger bezeichnen, aber man kann auch bei ihm immer wieder im OP Fragen stellen.
Empfehlungen meinerseits sind
- Knie-TEPs, da man hier viel sieht
- KEINE Hüft-TEPs, hier sieht man GAR nichts (man wird aber fürs Beinhalten trotzdem regelmäßig dafür eingeteilt)
- Materialentfernungen, im OP-Plan mit „ME“ bezeichnet, die darf man ggf. sogar selbst machen
- Athroskopien, da man auch hier viel sieht
Schulter-OPs sind immer recht unterschiedlich, bei den häufig inversen Schulter-TEPs sieht man manchmal nur wenig, manchmal aber auch recht viel.
Eine Woche ist man auch in der Rettungsstelle, in der man dann im Spätdienst (offiziell 14 bis 22.30 Uhr, real eher so bis 22 Uhr) arbeitet. Gerade ab 18 Uhr wird der Andrang auch schon mal größer, so dass die Hilfe von einem sehr gefragt ist. Patienten befragen und untersuchen gehört genauso dazu wie auch mal die ein oder andere Wunde zu nähen. Nehmt euch für den Spätdienst auf jeden Fall was zu Essen mit. In der Klinik gibt es dann nichts mehr und der nächste Dönerladen ist 800m weiter weg (Ernststr. oder U Rathaus Reinickendorf). Es gibt aber in der Gorkistr. 206 einen Italiener, der wohl die Mitarbeiter des Humboldt auch regelmäßig beliefert.
Man wird mit 375€ im Monat, auch anteilshalber für begonnene und nicht beendete Monate, vergütet. Unterricht gibt es zweimal in der Woche für alle PJler des Tertials. Informiert euch unbedingt vorher, ob der Unterricht auch wirklich stattfindet! Manchmal vergessen die Lehrenden den nämlich abzusagen. Insbesondere die Gyn und die Uro waren nicht so zuverlässig. Wenn der Unterricht stattfindet, ist aber in der Regel ziemlich gut.
Fazit: Das Chirurgie-Tertial im Humboldt ist ein sehr lehrreiches Tertial. Man kann viel lernen, trifft auf sehr nette Teams und arbeitet sich nicht tot. Wie auch schon die anderen Berichte sagen, ist es wohl der Geheimtipp für Chirurgie in Berlin.