PJ-Tertial Chirurgie in Dreifaltigkeits-Hospital Lippstadt (1/2022 bis 4/2022)

Station(en)
ACh, GCh, UCh
Einsatzbereiche
OP, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Station, Notaufnahme
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
In einer perfekten Welt

In einer perfekten Welt würde der Student jetzt das Bein halten. So wurde ich in der ersten Woche freundlich darauf hingewiesen, dass ich mich doch bitte dann erst zu waschen habe, wenn es ausdrücklich von mir verlangt würde, keine Sekunde früher, keine Sekunde später. Da wusste ich noch nicht, dass mir dieser Satz in den folgenden Wochen noch sehr häufig durch den Kopf gehen würde.

Denn in einer perfekten Welt:
• würden die Verantwortlichen wissen, wann die neuen PJler im Krankenhaus anfangen
• gäbe es eine Besprechung zu Beginn des Tertials in der mögliche Rotationen und auch die Länge dieser besprochen und festgelegt werden
• würden Lehrkrankenhäuser auch Lehre anbieten und Seminare häufiger als alle drei Wochen angeboten
• wäre der PJler nicht nur ein stummer, nicht denkender Hakenhalter sondern grundlegende OP-Schritte würden erklärt
• würde die Visite länger als 20 Sekunden pro Patient dauern und es würde Zeit zum Teaching von Assistenten und PJler bleiben
• würde man sich sachlich und respektvoll unterhalten
• wird der Strahlenschutz beachtet
• werden PJler nicht fest für OPs mit eingeplant, vor allem wenn dies beim PJ-Tag als selbstverständlich dargestellt wird
• würden PJs entsprechend ihrem Ausbildungsstand unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes ihnen zugewiesene ärztliche Verrichtungen durchführen
• werden tolle Versprechungen, die in Informationsmaterial wie der PJ-Broschüre stehen, auch eingehalten

Doch die Welt ist nicht perfekt. Und schon gar nicht in Lippstadt. Das lernte ich in meinem dritten Tertial nach einem bisher wirklich gelungenen PJ sehr schnell.

Beginnend in der Unfallchirurgie erfuhr ich sehr schnell den rauen Umgangston, der hier herrschte. Ob es nun der falsche Wortgebrauch während der Visite (zum Beispiel „reizlos“ statt „entzündungfrei“, denn reizlos sind nur junge Damen) oder auch die Beschwerde von einem Patienten, der sich nicht richtig behandelt fühlte, war, hier gab es immer einen Grund sich aufzuregen, zu schreien und sprachlich den für ein Krankenhaus geeigneten Rahmen deutlich zu verlassen.
Abgesehen von dieser Umgewöhnung im Vergleich zu meinen bisherigen Erfahrungen im Umgang mit ÄrztInnen war die Rotation in der Unfallchirurgie rückblickend wohl mein angenehmster Abschnitt dieses Tertials. Die beiden Assistenten, die noch sehr frisch in diesem Bereich waren, hatten zwar selbst genug mit sich und ihrer Arbeit zu tun, als dass noch viel Zeit für die Lehre blieb, jedoch waren sie wirklich nett und versuchten mich nach Ihren Möglichkeiten einzubinden. Eine erfahrene Fachärztin, die hauptsächlich die Arbeit in der Ambulanz übernahm, fand dafür häufig Zeit zum Teaching. Im OP war ich nicht sehr häufig, da ich von vornherein gesagt habe, dass ich dies nicht so gerne möchte. Es wurde auch größtenteils eingehalten außer in einer Woche, in der nur ein Assistent anwesend war. Das war insgesamt in Ordnung, wenn man gerne Haken hält. Erklärt wurde nur dann, wenn neben mir als PJ auch noch ein „richtiger“ Assistent dabei war.
Die darauffolgende Rotation in der Gefäßchirurgie war zwar die kürzeste, zog sich aber dennoch wie Kaugummi. Dies lag vor allem daran, dass man wirklich kaum etwas selbstständig machen konnte. Die Assistenten war zwar auch hier ganz nett, aber beim 64. Thromboseausschluss und der 97. BAA-Kontrolle nur zuzuschauen, hat im PRAKTISCHEN Jahr einfach wenig Mehrwert. Der Chef und auch einige der Oberärzte erklärten zwar ganz gerne, standen jedoch häufig und dann lange im OP. Aufgrund der langen Strahlungszeiten und bei fehlender Röntgenplakette für PJs war ich auch hier allerdings eher selten im OP.
Meine letzten Wochen verbrachte ich dann beim PJ-Beauftragten in der Allgemeinchirurgie. Vom bisherigen Verlauf wirklich enttäuscht und auch aufgrund der Berichte meiner Mitleidenden hatte ich keine große Hoffnung mehr auf eine bessere Zeit. Den Chef kannte ich immerhin schon aus den beiden in den ersten acht Wochen stattgefundenen Seminaren. Hier war ich relativ viel im OP, da ich das Gefühl hatte die Zeit geht dabei schneller rum. Dass es normal war, dass ich bei einer Leberteilresektion nicht ein einziges Mal trotz Nachfrage die Leber zu sehen bekam, war mir mittlerweile fast egal.

Insgesamt lässt sich wohl sagen, dass das Chirurgie-Tertial in Lippstadt trotz einiger weniger super lieber und engagierter AssistentInnen wirklich nicht zu empfehlen ist. Man scheint dort noch nicht genau verstanden zu haben, welche Bedeutung das Praktische Jahr genau hat. In der PJ-Broschüre und auf dem Infotag versprochene Angebote, wie Sono-, EKG-, Doppler- und Echo-Kurs fanden nicht statt und wurden auch bei Nachfrage aktiv abgelehnt. Die angepriesene Notarztbegleitung war auch nach wochenlangem, wirklich häufigem Nachfragen versicherungstechnisch immer noch nicht abgeklärt. Es gab genau drei vorgegebene Seminare zur Allgemeinchirurgie, drei weitere konnten wir uns in anderen Abteilungen selbstständig organisieren.
Seinen krönenden Abschluss fand das Tertial dann aber wirklich erst ganz am Ende nachdem die Zeit in der Klinik schon vorbei war. Da dem PJ-Beauftragten erst wenige Stunden vor seinem Urlaub auffiel, dass er ja an unserem letzten Tag nicht da sein wird, vereinbarte ich einen Termin für die darauffolgende Woche. Als ich dann extra nochmal zum Krankenhaus gefahren bin, um mir fehlende Unterschriften und die Tertialbescheinigung zu besorgen, wartete ich 1,5h in denen der Chef keine Zeit für mich hatte, bis mir angeboten wurde, die Unterlagen postalisch zu schicken. Die Tertialbescheinigung kam an, die Logbücher nicht, waren wohl auf dem Postweg verloren gegangen. Kannste dir nicht ausdenken…

Eigentlich hätte ich an dieser Stelle gerne noch mit einem kleinen positiven Aspekt abgeschlossen, das PJ-Haus mit wirklich gut ausgestatteten Zimmern war nämlich echt in Ordnung. Jedoch zog etwa drei Wochen vor Ende unseres Tertials ein älterer Herr mit Hund in eines der WG-Zimmer ein. Laut Aussage der Personalabteilung war dies ein „Mitglied der Geschäftsleitung“ und habe Anspruch dort zu wohnen. Dieser Herr hatte etwas andere Ansichten von Badezimmerhygiene als wir sie dort bis dahin gelebt hatten und auch sonst war es irgendwie seltsam, mit einem fremden Mann in einer Wohnung zu wohnen…
Unterricht
1x / Woche
Inhalte
Repetitorien
Tätigkeiten
Notaufnahme
Blut abnehmen
Patienten untersuchen
Braunülen legen
Patienten aufnehmen
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Kleidung gestellt
Essen frei / billiger
Unterkunft gestellt
Mittagessen regelmässig möglich
Aufwandsentschädigung / Gehalt

Noten

Team/Station
3
Kontakt zur Pflege
2
Ansehen des PJlers
4
Klinik insgesamt
3
Unterricht
5
Betreuung
4
Freizeit
3
Station / Einrichtung
3
Gesamtnote
4

Durchschnitt 3.53