Ein Tertial im Krankenhaus Waldfriede ist – egal in welchem Fach - zuerst einmal ein wirklicher Glücksgriff. Das Haus ist klein und familiär, dabei aber hochspezialisiert. So kann man vor allem im Pflichtfach Chirurgie viele kleinere chirurgische Fächer kennenlernen (man rotiert alle 4 Wochen, wird aber sehr schnell integriert). Wer darüber hinaus ein Interesse an der Handchirurgie im Speziellen hat, ist hier genau richtig. Zwar sind größere Notfall-OPs wie (Teil-)Amputationen eher selten, dafür sieht man aber neben den Klassikern Ringband- und Karpaldachspaltung, MV-Fraktur oder Endphalanxbasisfraktur auch einiges aus Rheumachirurgie, dem Spezialgebiet des Chefarztes.
Da die Abteilung neben einem breiten handchirurgischen Spektrum mittlerweile auch noch die orthopädische bzw. unfallchirurgische Versorgung der Extremitäten in domo abdeckt hat man hier eine gute Mischung – vorausgesetzt man möchte die Handchirurgie kennenlernen, denn das ist schon der Löwenanteil auf dem OP-Plan. Und in den OP kommt man oft. Sofern man das möchte, natürlich. Absolut klasse ist dabei, dass der Chefarzt persönlich den Dienstplan einteilt, inklusive PJler. Das macht es einem leicht, man kennt seinen Platz und wird von entsprechendem Arzt/Ärztin mitgenommen. Ein „Kann ich dich heute begleiten“ ist im Normalfall nicht notwendig. Die Ärzte kommen von sich aus auf einen zu. Dabei wird man aktiv in fast alle Arbeitsprozesse einbezogen, und dadurch vergeht die Zeit meistens sehr schnell. Im OP ist Abwaschen, Vorbereiten, Zunähen häufig PJ-Aufgabe, das hilft die Konzentration hochzuhalten (die Eingriffe dauern häufig nur eine halbe Stunde bis Stunde). In der Sprechstunde kann man unter Supervision durch den Chef oder einen der Oberärzt:innen selbst Patienten betreuen, Untersuchungen anmelden und Diagnosepfade kennenlernen. Das stationäre Setting eignet sich eher weniger zum Patientenbetreuen, dafür fehlt meistens der Raum bzw. die Fälle. Die überschaubaren Briefe werden von allen Assistenzärzten gemeinsam geschrieben, und dabei immer versucht sich gegenseitig Arbeit abzunehmen. Dort kann man sich einbringen, muss aber nicht und wenn es passt, kann man auch mal ein paar Minuten früher verschwinden. Die Arbeitszeiten sind dabei schon „typisch Chirurgie“ eher lang, Start der Morgenbesprechung ist 7:30, normalerweise kommt man zwischen 16 und 17 Uhr raus. Und die Mittagspausen im OP sind doch eher kurz bzw. nicht von allen Ärzten eingeplant. Dafür hat man in Berlin einen Studientag und der gleicht das zeitlich in jedem Fall aus. Man bekommt als „Lohn“ Essen und Getränk in der Kantine kostenlos, von einer sehr netten Küchenchefin. Das muss man sich entsprechend auch abholen, denn gezahlt wird in Berlin leider noch immer nichts. Sollte es mal nicht zum Essen reichen, kann man sich telefonisch was zurücklegen lassen und bis 16:00 abholen (Anruf in der Küche vor 11:00). Im OP ist meistens gute und entspannte, aber immer professionelle Stimmung. Die OTAs sind trotz Leasing topfit und gut eingespielt, sodass der vollgepackte OP-Plan normalerweise gut durchgebracht wird. Das hängt auch damit zusammen, dass größtenteils Fachärzte operieren. Der Chef selbst hat auch viel OP-Zeit und ist ein sehr guter Lehrer. Technisch ist er ausgesprochen gut und trotzdem geduldig auch mal Basics ausführlich zu erklären. Häufig operiert man allerdings mit einem der Oberärzte, die sind alle nett und beantworten Fragen gerne. Wie viel Lehre von ihrer Seite aktiv gemacht wird, hängt sehr von Zeitplan und Stress ab und oft ist es schon stressig. Es gibt darüber hinaus zweimal pro Woche PJ-Fortbildung um 14:00 zusammen mit den anderen 10 PJlern. Die Qualität ist vom Dozenten abhängig, grundsätzlich lohnt es sich aber immer, diese zu besuchen - auch um sich ein wenig auszutauschen. Die Abteilung veranstaltete außerdem einen zweitägigen Handchirurgie-Kurs im Rahmen der DGH, den ich mit einigen der Assistenzärzt:innen besuchen konnte (klinische Untersuchung, Osteosynthese, mikrochirurgisches Nähen, etc.). Zum Schluss noch meine Empfehlung in jedem Tertial mindestens mal einen Dienst (Wochenende oder Nacht) mitzumachen, man lernt das Team, die Strukturen einfach nochmal von einer anderen Seite kennen. Meistens kann man sich dafür einen Wochenarbeitstag freinehmen, das war auch im Waldfriede der Fall. Einfach fragen. Außerdem kann man auch mal eine Woche in die Notaufnahme rotieren, eine/r der Assistenten ist normalerweise fest eingeteilt dort. Das aber unbedingt anfangs kommunizieren und darauf bestehen, sonst wird es eher ein Schnuppertag, man ist - wie gesagt - fest eingeteilt.
Ich war alles in allem sehr zufrieden mit meinem Tertial in der Handchirurgie und werde es aktiv unter Interessierten weiterempfehlen.
Zu Berlin: eine beeindruckende Stadt mit unendlich vielen Möglichkeiten. Aufgrund der Lage des Krankenhauses empfiehlt sich ein Tertial im Sommer, denn im unmittelbaren Umkreis tummeln sich die schönsten Badeseen der Stadt. Alternativ ist man mit der U3 auch über längere Strecke sehr gut angebunden (Kreuzberg, Warschauer Straße), die Ubahn Station Krumme Lanke ist direkt am Krankenhaus. Zimmer-/Wohnungssuche in Berlin ist leider mühsam, eine Zwischenmiete kann man aber finden. Der Chef hatte mir auch ein Apartment auf dem Krankenhausgelände angeboten (ca. 400€ Miete).
OP-Spektrum:
Humerusfrakturen Versorgung mit Marknagel/Inverser TEP
verschiedene Sehnenplastiken
Sehnennähte/knöcherne Refixation
Finger/Mittelhandfraktur – Versorgung mittels K-Drähten, Schrauben oder Plattenosteosynthese
Arthrodesen Fingerendgelenke
Epping-Plastik (Rhizarthrose)
Dupuytren
Knochentumoren Enchondrom o.Ä.
Swanson-Prothese (Rheuma)
Duo-Kopf-Prothese
Inverse Schulter-TEP
kleine ambulante Eingriffe: Ringbandspaltung, Karpaldachspaltung, MEs, …
Notaufnahme
Bewerbung
der eine Platz war kurzfristig frei, da keine klassische Orthopädie-Abteilung, gibt es erst seit Kurzem. Ortho ist auch in der Theorie lern- und machbar. OP-Abläufe lernt man in der Handchirurgie genauso, keine Sorge.