Ich habe mein drittes und letztes Tertia am Johanniter Krankenhaus in Bonn verbracht. Die Zeit die ich dort verbracht habe war an den guten Tagen Zeitverschwendung, an den schlechten Tagen eine echte Zumutung für meine Psyche und Physis. Meine schlechte Benotung ist sicherlich durch den Umstand beeinflusst, dass wir die letzten Wochen nur zu zweit waren und sich das Arbeitspensum dadurch radikal vergrößert hat und außerdem meine Interesse für Chirurgie sehr begrenzt ist. Jedoch hat sich auch wirklich von ärztlicher Seite niemand dafür interessiert wie es uns mit dem Arbeitsumfang ging. Sorge entstand lediglich dann, wenn der OP Plan durch unsere schmale Besetzung in Gefahr war.
Aufgaben:
Von den PJ*lerinnen wird erwartet, dass sie morgens auf der Station Blut abnehmen, bei den OPs assistieren und Arztbriefe vorschreiben. Zu viert sind diese Aufgaben alle gut handlebar. Zu zweit oder alleine jedoch nicht wirklich. Im OP sind es hauptsächlich Magenbypass/Magensleeve-Resektion sowie Schilddrüsen OPs bei denen man 2. Assistenz macht, ergo Leber hochhalten sowie Hals aufhalten. Selten macht man mal 1. Assistenz, wenn Personal fehlt. Es gibt auch immer mal wieder größere OPs wie Whipple oder Leberteilresektionen bei denen dann auch jemand assistieren muss. Für Chirurgie Interessierte sicherlich spannend.
Unterricht:
Offiziell gibt es 1x/Woche Fortbildung für PJler*innen. Bei uns fand dieser aber über 6 Wochen durchgehend aus. Als er dann später wieder regelmäßiger stattfand wurden wir dafür von ärztlicher Seite nicht freigestellt weil wir nur zu zweit waren und immer jemand im OP gebraucht wurde. Die Assistenzärztin welche für die PJler*innen zuständig war hat relativ zu Anfang einen Nahtkurs gemacht der wirklich gut war.
Vorteile:
- Freitags muss jeweils ein/e PJler*in von 16.00-9.00 am Samstag Rufdienst machen. Hier wird man eigentlich nie angerufen, bekommt dafür aber einen zusätzlichen Tag frei, was sehr fair ist.
- Die Assistenzärztinnen auf Station sind wirklich nett und drücken auch keine unnötigen Arbeiten an einen ab, sind selbst jedoch sehr stark involviert und meinem Eindruck nach überlastet. Einige bemühten sich auch wirklich mal in einer freien Minute mit uns etwas teaching zu machen, praktischerweise fand dies aber nur 2-3 Mal in den 4 Monaten in denen ich auf Station war statt.
- Bei einigen (zwei) Oberärztinnen war die Stimmung im OP stets freundlich und angenehm. Auch das OP Personal ist sehr nett.
Nachteile:
- Man bekommt eigentlich keinerlei Wertschätzung von Seiten der operierenden Menschen dafür, dass man stundenlang in teils verrenkenden und schwer aushaltbaren Positionen verbringt. Sobald in der OP irgendetwas schief läuft ist es leider oft der Fall, dass die PJler*innen oder das OP Personal dafür verantwortlich gemacht werden. Man ist dann ständigen aktiv oder passiv aggressiven Kommentaren ausgeliefert.
- Außer ein bisschen Nähen habe ich wirklich eigentlich nichts gelernt.
- Der Chefarzt ist in seinen Launen recht unberechenbar. Läuft alles gut, ist er oft freundlich und erklärt gern. Läuft es hingegen schlecht ist er cholerisch und beleidigend. Auch der Umgang mit den Assistenzärztinnen ist äußerst schwierig. So kommt es durchaus vor, dass er auf der Visite vor Patient*innen Kolleg*innen bloß stellt wenn Fehler passieren.
- Der Umgang mit den Patient*innen ist oftmals problematisch. Das Johanniter Krankenhaus ist ein Adipositas Zentrum, so liegt es in der Natur der Sache das recht viele adipöse Patient*innen im Johanniter Krankenhaus behandelt werden. Über diese wird regelmäßig während den OPs hergezogen. Es gab mit Sicherheit keine Woche in der ich nicht Zeuge von Fatshaming geworden bin.
- Bezeichnend ist auch, dass mich nie jemand ernsthaft Feedback von mir eingefordert hat. Am Ende ist man eine äußerst billige Arbeitskraft und wird auch so behandelt.
Zum Abschluss möchte ich gerne nochmal erwähnen, dass meine schlechte Bewertung von meinen persönlichen Gewichtungen geprägt ist. Wenn man selbst relativ unempfindlich gegenüber dem Betriebsklima und chirurgisch hoch interessiert ist, kann es sicher sein, dass man im Johanniter Krankenhaus gut aufgehoben ist. Wären wir außerdem die ganze Zeit gut besetzt gewesen, wäre mein Urteil sicher milder ausgefallen. Falls ihr gerne im Johanniter euer PJ Machen wollt, schaut im Portal, dass sich genug Leute eingetragen haben.