Das Tertial in Friedrichstadt habe ich insbesondere wegen der guten Bewertungen gewählt. Diese konnte ich leider nur zum Teil nachvollziehen. Zwar war ein Großteil des Personals sehr freundlich und bemüht, allerdings zog sich ein zunehmender Personalmangel durch alle Stationen, sodass viele Ärzt*innen viel zu gestresst waren, um PJler effektiv einzubinden. Das war ihnen auch bewusst und es wurde sich fast täglich dafür entschuldigt.
Organisatorisches: Im Vorfeld darf man sich 2 der 4 internistischen Kliniken als Rotationen wünschen, dies wurde bei mir teilweise berücksichtigt. Am ersten Tag gibt es eine kurze Einführung, dann arbeitet man selbstständig den Laufzettel ab. Die 550€ Aufwandsentschädigung werden als „echtes“ Gehalt gezahlt und versteuert. Außerdem werden angebrochene Monate nur anteilig vergütet.
Die Weiterbildungen finden planmäßig 3x/Woche statt und sind top. Besonders in der MK2, wo die sehr engagierten PJ-Beauftragten beheimatet sind, gibt es fast täglich Angebote. Leider fielen während meiner Zeit über die Hälfte aller Fortbildungen ersatzlos aus, dies sei aber wohl eine eher schlechte Momentaufnahme gewesen.
Zu den einzelnen Bereichen:
MK4 (Onko) - S15
Sehr netter Ärztepool, aber sehr gestresst. Eine Einarbeitung erfolgte leider nicht bzw. nur durch andere PJler. Meine Aufgaben waren hier die morgendlichen BEs (hielten sich durch die Ports in Grenzen), Flexülen, Portnadeln wechseln und verschiedene Aufklärungen. Dann ging es mit 2-4 ausführlichen Aufnahmen weiter. Diese wurden je nach Ärzt*in besprochen oder auch nicht. Hin und wieder wurde ich für o. g. Aufgaben an andere Stationen „ausgeliehen“, wenn dort gerade keine Pjler waren. Das Klima erschien mir im Vergleich etwas spießig und die Hierarchien steil (z. B. Anrede ausschließlich mit "Frau/Herr Oberarzt"). Da die Aufnahmen ab vormittags kommen, bekam ich meist so die Hälfte der Visite mit. Hier lernt man einiges über Nebenwirkungen der Chemo und Supportivtherapie. Die eigentlichen Therapien wurden im Hintergrund festgelegt. Auf Nachfrage durfte ich bei Knochenmarks- Pleura- und Aszitespunktionen zuschauen. Auch eine Hospitation im Tumorboard war möglich (im 3. Anlauf – wegen Zeitmangel…).
Mein größter Kritikpunkt ist, dass leider nicht alle Kolleg*innen eine Mittagspause, pünktlichen Feierabend oder die Teilnahme an PJ-Fortbildungen für selbstverständlich erachteten. Diese „Rechte“ musste ich mir immer mal wieder neu erkämpfen und hatte auch noch ein schlechtes Gewissen dabei, wenn ich die Ärzt*innen mit einem Berg an Aufgaben alleine ließ. Das brachte mich in eine Position, die ich für Studenten (und eigentlich alle Angestellten im Gesundheitswesen!) als No-Go erachte.
MK2 (Kardio) - S03
Hier herrscht immer viel Betrieb. 4-6 Aufnahmen pro Bereich (1/3 Station) sind keine Seltenheit und PJler-Aufgabe. Mein negatives Highlight waren 17 Entlassungen an einem Tag mit fast ebenso vielen Neuaufnahmen. Blutentnahmen gab es bei mir kaum, da die teilweise von der Pflege übernommen wurden.
Den Ärzt*innen muss man zugute halten, dass sie sich trotz der Arbeitslast bemüht haben mir viel zu erklären. Ich wurde freudig empfangen und gut eingearbeitet, sogar ein Danke habe ich hier und da gehört. Visite konnte ich fast immer komplett mitlaufen und da meine Fragen loswerden. Wenn nachmittags alles erledigt war, durfte ich auch mal früher gehen. Der Kontakt zur Pflege war eher anonym und den einen oder anderen schnippischen Kommentar musste ich mir anhören.
Auf Nachfrage durfte ich mit zu Interventionen oder Herzechos gehen. Das war ziemlich cool und auch hier wurde viel erklärt.
ITS/IMC
Im Vergleich zur Normalstation empfand ich den High-Care Bereich als eher angenehm was Personalschlüssel, Tagesablauf und die Rolle der Student*innen betraf. Hier bin ich größtenteils nur mitgelaufen, was aber nicht schlimm war, da Ärzte sowie Pflege unglaublich viel erklärten. Für den größten Lerneffekt kann ich jedem empfehlen, eigene Patienten zu visitieren und im Anschluss zu besprechen. Endoskopien kommen direkt auf die Station und zu Coros kann man einfach mitfahren. Ultraschall war immer mal möglich und mit etwas Glück als Highlight Arterien- und ZVK-Anlage.
ZNA/Aufnahmestation S100
Morgens werden Station und Notaufnahme gemeinsam übergeben. Im Anschluss kann man Visite mitlaufen und Stationsarbeit erledigen oder sich selbstständig die ersten Notfallpatienten anschauen. Das fand ich sehr lehrreich und die Ärzt*innen hatten eigentlich immer ein offenes Ohr für meine Übergaben und Therapievorschläge. Auch von pflegerischer Seite wurde ich hier eher als ärztliche Kollegin gesehen. Auch wenn ich nachmittags von den vielen Eindrücken erschöpft war, konnte ich aus dieser Rotation sehr viel mitnehmen.
Fazit: Die Weiterbildungsangebote in Friedrichstadt sind (sofern die Kurse denn stattfinden) unschlagbar. Auch die PJ-Beauftragten sind super, haben außerhalb der MK2 aber nur wenig Einfluss. Die Lehre im Stationsalltag lässt in vielen Bereichen leider zu wünschen übrig. Unterm Stich würde ich ein Tertial hier weiterempfehlen, teile aber nicht die Euphorie der vorausgegangenen Bewertungen. Die Onko würde ich nicht wieder wählen. Als zukünftiger Arbeitgeber scheidet das Klinikum in der jetzigen Situation definitiv aus.