Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, OP, Notaufnahme, Station
Heimatuni
Luebeck
Kommentar
Hallo zusammen,
ich möchte euch über mein tolles PJ- Tertial in der Chirurgie am WKK Heide berichten.
Da mein Hauptinteresse klar in der Inneren liegt und schon immer lag, bin ich mit etwas Bauchschmerzen in mein Tertial in Heide gestartet. Um es vorweg zu nehmen: Diese waren vollkommen unnötig!
Allgemeines:
Die Buchung erfolgte über das PJ Portal und war komplikationslos. Nachdem die PJ- Plätze nicht mehr verändert werden konnten, bekam ich eine Mail vom Sekretariat, in welcher mir die ersten Infos und Anforderungen an Unterlagen mitgeteilt wurden, sowie der Kontakt zum Koordinator der Unterkünfte vermittelt. Nach seinem Urlaub meldete sich dieser auch prompt bei mir, sodass die Sorge "Unterkunft" schnell genommen war. Ihr werdet in verschiedenen PJ- WGs untergebracht, welche vom WKK angemietet werden. Diese liegen in verschiedenen Ecken der Stadt und sind unterschiedlich groß/ eingerichtet; meine war "am weitesten" von der Klinik entfernt ( ca. 2,5 km, also nicht sehr weit) und war ein Haus mit insgesamt bis zu 8 PJs.
Um die Mobilität zu erleichtern, werden vom WKK Fahrräder kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Koordinatoren bemühen sich sehr, dass ihr zeitnah ein Rad bekommt; leider gibt es jedoch immer wieder Kollegen, die nicht sorgsam mit dem geliehenen Material umgehen (nicht anschließen --> weg), oder (besonders asozial) diese bei Ebay verticken, sodass manchmal ein Mangel an Rädern besteht. Wer sportlich Rad fährt, sollte sein eigenes mitnehmen- die geliehenen Räder sind verkehrssicher, fahrtauglich und zweckmäßig- nicht mehr, aber auch nicht weniger. Fahrspaß kommt keiner auf, sodass ich mein eigenes Rad mitgenommen habe.
Ihr erhaltet, so ihr das Tertial regelhaft startet, einen Einführungstag, in welchem, neben einer Begrüßung durch den medizinsichen Vorstand, eine Hygieneschulung und Führung über das Gelände beinhaltet. Ihr erhaltet direkt am ersten Tag eure Zugangsdaten für das PDMS (Medico) und Windows, sodass ihr sofort loslegen könnt. Zudem erhaltet ihr eine Essenskarte, auf die täglich automatisch 10 Euro gebucht werden. Diese stehen euch in Cafeteria oder Bistro zur freien Verfügung und reichen für einen Kaffee und eine große Portion (Mittag)Essen; wenn ihr eine bestimmte Gerichtsform wählt, auch für noch mehr. Dieses ist sehr schmackhaft und es stehen verschiedene Gerichte zur Auswahl. Ein Menü ist dabei stets vegetarisch. Auch eine große Salattheke ist vorhanden.
Die Freizeitmöglichkeiten in Heide sind im Winter etwas eingeschränkt; durch die Nähe zum Meer und guten Zuganbindungen nach z.B. Büsum oder Sylt findet sich jedoch immer etwas. Besonders Rennradfahrer kommen (wenn es denn mal hell ist) auf ihre Kosten, hier gibt es wahnsinnig tolle Routen!
Das öffentliche Schwimmbad in Heide mit 50m Bahn und Solebecken ist eher für sportliche Schwimmer geeignet- durch die Energiekrise wurde die Wassertemperatur herabgesetzt und auch die Sauna wurde geschlossen.
Einzigartige möglichkeiten bietet der Postsportverein Heide: Als gemeinnütziger, nicht auf gewinnoptimierung ausgelegter Sportverein könnt ihr als Studenten für knappe 20 Euro das Sportprogramm nutzen. neben einem "traditionellen" Fitnesscenter, welches stets von erfahrenen und gut ausgebildeten Trainern beaufsichtigt wird, könnt ihr euch in einer schier endlosen Liste von Kursen austoben. Und eine Sauna gibt es auch.
Hier eine klare Empfehlung- alleine der Post SV ist ein Tertial in Heide wert.
Wem 20 Euro zu teuer sind, hat die Möglichkeit, zu bestimmten Zeiten kostenlos das Fitnesscenter der angeschlossenen Reha zu nutzen. Auch hier werdet ihr von Physiotherapeuten angeleitet, dass Klientel ist aber... nunja. Rehasport ;)
Unterricht
PJ Unterricht findet eigentlich fast täglich statt und ist klinikübergreifend. Zwar wird darauf geachtet, dass er möglichst immer stattfindet, Ausfälle sind durch den Klinikbetrieb aber nicht immer zu vermeiden. generell genießt der Unterricht aber eine hohe Priorität bei den Dozenten. Wie in allen Häusern wird der Unterricht von Ärzten gestaltet. Diese haben alle viel Erfahrung (meist die Ober- oder Chefärzte), sind aber Ärzte und haben keinen Abschluss in Medizinpädagogik ;) Dementsprechend schwankte der Erkenntnisgewinn bei mir persönlich zwischen 0 und 100- je nach Thema und, vor allem, Dozent. Es ist aber für jeden etwas dabei! Besonders toll fand ich den EKG- Kurs, in dem ihr mit einem OA der Kardio lernt, struckturiert EKGs zu befunden (oft auch Zebras und spannende Fälle) und der Unterricht der Neurologie, in dem der CA der Neuro euch entweder mit zu Patienten nimmt oder mit euch Untersuchungstechniken erarbeitet und übt.
Als über lange Strecke einziger Chirurgie- PJler in der jeweiligen Abteilung war es mir oft nicht möglich, die Seminare anderer Kliniken zu besuchen. Dafür hatte ich sehr, sehr viel OP Zeit.
Chirurgie
Das Tertial ist gesplittet. Zwei Monate werdet ihr in der Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie eingesetzt, zei Monate in der Unfallchirurgie.
Wenn ihr möchtet, könnt ihr bis zu zwei Wochen "fremdrotieren", und, falls ihr wollt und es terminlich passt, auch eine Woche NEF mitfahren. Hier ist es aber so, dass Ärzte des WKK, die ihre Einsätze sammeln müssen, stets Vorrang haben- es kann also sein, dass ihr spontan weichen müsst.
Sollte euch eine Klinik brennend interessieren und personell die Möglichkeit bestehen, ist es manchmal nach Absprache auch möglich, noch eine weitere Woche zu rotieren.
Bis zu 3x im Tertial könnt ihr einen Wochenenddienst (ca. 8 Uhr bis ca. 19.30) übernehmen. Hier seid ihr für UCh und VCh als Assistenz zuständig, sowie für alle chirurgischen Viggos und Blutentnahmen. Viel Arbeit- dafür bekommt ihr aber als Ausgleich an 5 Tagen eurer Wahl frei. Ziemlich genial.
Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie
Hierhin führte mich mein erster Block. Bedingt durch akuten Personalmangel und als einziger PJler hatte ich den riesigen Vorteil, bei fast allen OPs als 1. Assistenz mitwirken zu können. Ob Kameraführung bei vielfältigsten laparaskopischen Eingriffen (inkl. Adipositaschirurgie), Gefäß-OPs, Amputationen, Lungenteilresektionen, Whippel- OPs... immer war ich an vorderster Front dabei und wurde von den erfahrenen Ober- und Chefärzten angeleitet und ausgebildet. Besonders in der Kameraführung geben sich alle große Mühe in der Ausbildung, sodass ihr eine steile Lernkurve habt. Je nach Engagement und Vorliebe wird euch immer mehr übertragen und zugetraut, sodass euch, gegen Ende, kleine Eingriffe als Operateur erlaubt werden.
Relativ schnell dürft ihr, unter Anleitung, die Hautnaht durchführen- genäht wird meist intrakutan, manchmal auch in Donati- Technik.
Blutabnahmen werden meist von den MFAs erledigt, bei Viggos und schweren Fällen müsst ihr allerdings ran- was ich aber eher als gute Übung sehe, als als totale Belastung. Zudem ist Hilfe für die MTAs natürlich gerne gesehen ;)
Auf Station kommt es ganz auf euer Engagement an, was ihr machen dürft und wollt: Von Tarnen-täuschen-verpissen bis zu eigenen Zimmern, eigenständigem Arztbriefschreiben etc. könnt ihr euch vollkommen verwirklichen.
Jedoch sei gesagt, dass der Bereich und damit Heide nichts für arbeitscheue Menschen ist.
Ich habe so viel gelernt und habe so viel Wertschätzung erfahren, dass ich oft länger geblieben ( was will man in Heide im Winter sonst auch machen).
Das Team habe ich als ausgesprochen nett empfunden und ich habe mich sehr wohl gefühlt.
Erinnert ihr euch noch an "immer eher internistisch interessiert"? Die Zeit in dem Team und dem Fachgebiet habe ich als so genial empfunden, dass ich tatsächlich lange überlegt habe, ob ich nicht doch lieber Chirurg werden möchte... (am Ende dann nicht, aber der Gedanke war für mich quasi revolutionär ;)
Unfallchirurgie
Hier werdet ihr von einem unglaublich freundlichen und dynmaischen Team empfangen. Die Abteilung hat gerade zwei neue Chefs bekommen und ist etwas im Umbruch. Beide sind sehr freundlich, haben Bock auf Ausbildung und sind sehr progressiv- auch, was Work-life-Balance, Teamkommunikation und Fortbildungen betrifft. Besonderes Highlight war ein Bus eines Herstellers für Chirurgiematerial, der mit Leichenteilen vorbeikam, an denen alle Interessierten unter Anleitung die Arthroskopie von Knien und Schultern üben durften.
Ihr nehmt (aktuell) sehr viel Blut ab, da MTAs in der Abteilung Mangelware sind. Die Chefs wollen dies gerne ändern (PJs werden nicht als Sklaven angesehen), aber das braucht Zeit. Da hilft manchmal nur durchatmen, da es doch recht viel werden kann.
Im OP werdet ihr meist als 2. Assistenz für Knie und Hüften benötigt, was ich persönlich (v.a. nach dem ersten Block) sehr ermüdent fand. Aber auch bei anderen Eingriffen der UCh seid ihr gerne gesehen und werdet benötigt. Oft dürft ihr mit zunähen ( meist in Donati- oder Einzelknopftechnik), eigene OPs sind manchmal möglich (z.B. Materialentfernungen).
Beim Einschrauben von Platten und Fixateuren dürft ihr auch mal den Bohrer/ Schrauber schwingen.
Da mir persönlich die etwas gröbere Arbeit nicht so sehr zusagt, habe ich viel Zeit in der chirurgischen Notaufnahme verbacht. Hier durfte ich Patienten selbst (vor-)untersuchen, den Ärzten vorstellen und ein Behandlungskonzept entwickeln. Nähen und alle chirurgischen Untersuchungstechniken, inklusive FAST- Sonographie gehören zum Standard eines Tages. Besonders drei der jungen Ärztinnen sind super motiviert, euch so viel wie möglich beizubringen, sodass ihr innert kurzer Zeit unglaublich viel lernt.
Zum Glück wurde mir von Seiten des Chefs und meinen Mit- PJs viel Verständnis entgegengebracht und ich durfte "mein Ding" machen, sofern der OP besetzt war.
Lange Rede, noch viel mehr zu erzählen und kurzer Sinn: Alles in allem kann ich euch nur empfehlen, das PJ in der Chirurgie in Heide zu absolvieren. Ihr könnt unfassbar viel Spaß haben und noch mehr lernen! Jedoch hilft es ungemein, nicht nur seine Zeit "absitzen" zu wollen.