Das Tertial in der Anästhesie in Marburg kann ich insgesamt (mit einigen Einschränkungen) empfehlen.
Zu den Rahmenbedingungen: sofern es sich um das 1. oder 2. Tertial des PJs bzw. das erste Tertial in Marburg handelt, beginnt es mit einer Einführungswoche. Diese dient zur Einfindung, viel Organisationskram, einer Einführung in ORBIS (die bei uns leider ausfiel) sowie einer Geräteeinweisung und einigen kleineren Seminaren, deren Inhalte jedoch schnell in Vergessenheit geraten. Insgesamt ein begrüßenswertes Konzept, jedoch sind viele der Inhalte für die Anästhesie-PJler wenig relevant - dennoch eine entspannte erste Woche.
Die Teilnahme an verschiedenen Diensten ist erforderlich; insgesamt 4x Prämed-Ambulanz, 4x Dienst bis 21:30 (am Folgetag dann Dienstbeginn um 12:00 - wenig sinnvoll), 3x Schmerzdienst. Letzterer besteht aus dem Mitlaufen beim 3. Dienst, einem*r Jungassistenten*in, welcher die Patienten mit Schmerzkathetern betreut - meist mit sehr zeitigem Feierabend für die PJ-ler verbunden.
Ebenfalls gefordert ist eine 3-wöchige (später im Tertial 2-wöchige) Rotation auf die interdisziplinäre Intensiv. Diese war mit Abstand der schlechteste Teil meines Tertials, trotz Motivation und Engagement bestand meine Zeit in aller erster Linie aus der Abnahme von Laboren und BGAs aus den liegenden Arterien/ZVKs, darüber hinaus wurde nahezu keine Praxis gelehrt und theoretische Lehre gab es nur auf ständiges Nachfragen. In die Abläufe wurde man ebenfalls nicht eingeführt, geschweige denn der Betreuung eigener Patienten überlassen. Hier gab es allerdings im Laufe des Tertials auch positive Eindrücke seitens meiner PJ-Kollegen, also könnte es sich hier auch um Pech mit den zu meiner Zeit betreuenden Ärzten und Ärztinnen handeln.
Glück hatte ich dagegen mit der 1:1 Betreuung im OP. Man ist einem festen Mentor bzw. Mentorin zugeteilt, sodass hier ein Vertrauensverhältnis entstehen kann und man strukturiert bis zur selbstständigen Narkoseeinleitung angelernt wird. Meine Mentorin hat sich weit überdurchschnittlich um meinen Lernfortschritt bemüht und praktisch wie theoretisch exzellente Lehre betrieben. Deshalb war es möglich, praktisch alle in der Anästhesie relevanten Interventionen (Arterie, ZVK, Spinale, peripherer Nervenblock etc.) wenigstens einmal selbst durchzuführen. Am Schluss des Tertials hatte man das Gefühl, fit für's M3 zu sein und durchaus als Assistent in der Anästhesie starten zu können - aber auch wenn man nicht am Fach interessiert ist, war es wenigstens gut um Fähigkeiten wie Zugänge, Intubationen und Arterien zu erlernen und zu üben.
Hier muss allerdings noch angemerkt werden, dass auch nicht jeder PJler mit seinem/ihrer Mentor*in so zufrieden war. Ein Wechsel des Mentors ist auch nur schwer möglich, da meist alle Ärzte/Ärztinnen schon zugewiesene Student*innen haben. Ebenfalls problematisch ist die Fülle an Lernenden - wir waren mit 8 PJlern deutlich zu viele, denn dazu kamen noch viele NotSan-Azubis und im Semester Blockpraktikanten, wobei letztere vom Chef den Vorrang bei der Narkoseeinleitung eingeräumt bekommen, da sie nur bis 11:00 da sind. Hier kann es also passieren, dass man teilweise tagelang nicht viel mehr tut als Narkosen zu überwachen und hier und da Zugänge zu legen.
PJ-Unterricht in überwiegend guter Qualität, jedoch primär theoretisch, ist jeden Dienstag nachmittags. Montags beginnt die Woche mit einer Frühfortbildung um 07:00. Es besteht die Möglichkeit, an interessanten und vom Klinikum organisierten Wahlfächern teilzunehmen, für die man freigestellt wird. Feierabend ist offiziell um 15:45, jedoch kann man je nach Arbeitslast und Mentor*in auch oft früher gehen, wenn nichts mehr zu tun ist - ansonsten geht man bis Feierabend in die Prämed-Ambulanz.
Das Team ist überwiegend sehr freundlich, sowohl von ärztlicher als auch pflegerischer Seite. Auch die allermeisten Oberärzte bemühen sich um gute Lehre und das Ansehen der PJ-ler ist insgesamt hoch.
Zum Schluss muss man noch die derzeit desolate Lage am Uniklinikum anmerken, mit teilweise ausfallenden OPs und Streiks, die für die zeitweise fast komplette Einstellung des OP-Betriebs sorgen. Das war in meinem Tertial zwar nur zum Schluss und selten der Fall, jedoch zeichnete sich die Lage bereits klar ab - natürlich extrem schade für die PJ-ler, denen Lehre so unmöglich gemacht wird.
Zusammenfassend kann man sagen: das Anästhesie-Tertial in Marburg kann sehr gut und lehrreich sein, ist jedoch stark von der/dem Tutor*in - den/die man sich nicht aussuchen kann - ab. Die genannten strukturellen Probleme stehen guter Lehre dabei auch oft im Weg. Für mich persönlich war es dennoch weit überwiegend positiv - falls man jedoch ein Haus im Blick hat von dem man mit Sicherheit weiß, dass dort gute Lehre betrieben wird, sollte man sich das Tertial in Marburg gut überlegen.
Unterricht
Kein Unterricht
Inhalte
Prüfungsvorbereitung Fallbesprechung Repetitorien
Tätigkeiten
Botengänge (Nichtärztl.) Eigene Patienten betreuen Patienten untersuchen Punktionen Braunülen legen