PJ-Tertial Psychiatrie in Universitaetsklinikum Leipzig (11/2022 bis 3/2023)

Station(en)
PSY2
Einsatzbereiche
Station
Heimatuni
Leipzig
Kommentar
Ich hatte insgesamt eine sehr schöne Zeit auf der PSY2 (Spezialstation für affektive Störungen & ADHS). Die Patient:innen sind so grob zwischen einem und drei Monaten auf Station, dadurch lassen sich gute therapeutische Beziehungen aufbauen und man bekommt den Verlauf sehr schön mit. Montags und freitags sind Gruppenvisiten, dort bringt man sich als PJ'ler:in im besten Fall kommentierend auf die Anliegen der Patient:innen ein und schreibt anschließend in der Teambesprechung die Visiteneinträge. Mittwochs ist Zimmervisite, dabei schreibt man ebenso auf dem Laptop mit. An drei Tagen die Woche werden im Haupthaus Elektrokrampftherapien durchgeführt, durchschnittlich muss man schon 1x/Woche mitfahren und dort dann Elektroden kleben und Knöpfchen drücken am Gerät - insgesamt ein eher leidiger Job, aber unvermeidbar, irgendwer muss es machen.
Die ersten Wochen waren für mich erstmal sehr überfordernd und hart. Ich hatte nur 2 Tage mit der PJ'lerin zuvor zur Einarbeitung und musste am dritten Tag bereits eine vollständige Aufnahme, oberärztliche Vorstellung des Patienten und den ganzen mit der Aufnahme verbundenen Schriftkram machen. Das bedeutet auch, einen Therapieplan vorzuschlagen oder eine Verdachtsdiagnose aufzustellen. Ich empfand das als zu schnell zu viel Delegation von Verantwortung, da eine Aufnahme in die Psychiatrie sich wirklich maßgeblich von Aufnahmen auf anderer Stationen, in denen man mal eben Vorerkrankungen und Allergien abfragt, unterscheidet - für viele Patient:innen ist es der erste Kontakt mit einer psychiatrischen Einrichtung, es bestehen Ängste, Vorurteile und viele Fragen zum Ablauf, die man nach zwei Tagen einfach nicht beantworten kann und Symptome und Symptomschwere nicht einschätzen kann. Die Assistenzärztin, die in meinen ersten Wochen maßgeblich für die Station verantwortlich war, delegierte an mich ebenfalls alle Briefe zu schreiben (auch für Patient:innen, die man im Leben noch nie gesehen hatte) und jeglichen organisatorischen Krams, was zu einem mMn zu hohem Workload für die Stellung einer PJ'lerin führte. Der Ton in der Nachbesprechung der Briefe etc. war dann nicht immer angemessen, gerne wurden Details zu Problemen gemacht. Da gab es einige Augen-zu-und-durch-Situationen.
Stimmung und Ton auf Station änderte sich maßgeblich mit einem Assistent:innenwechsel einige Wochen später. Das Gute am kalten Wasser am Anfang war dann doch, dass ich mich schnell eingefunden hatte in alle Aufgaben und dann eigenverantwortlich arbeiten konnte. Ich empfand dann als besonders gut, sowohl von den Assistenzärzt:innen als auch der Oberärztin so viel Vertrauen entgegen gebracht zu bekommen. Ich habe auch weiterhin häufig Aufnahmen gemacht, konnte die aber besser nachbesprechen und ohne hard feelings auch mal ne dumme Nachfrage stellen. Mit Eigeninteresse konnte ich auch eigene Patient:innen betreuen, d.h. sie aufnehmen, jede Woche 1-2 Verlaufsgespräche führen, ggf. supportive, verhaltenstherapeutische Einzelgespräche führen, das Visitengespräch führen, der Oberärztin den Verlauf berichten, Vorschläge für die Medikation aufstellen, Entlassgespräch führen, Brief schreiben - das wird in der Fülle aber nicht per se erwartet. Ansonsten gehören zum Aufgabenspektrum Untersuchungen anzumelden, Vorbefunden nachzutelefonieren oder Kodier-zeugs für die Abrechnung. Als PJler:in ist man ja strukturell einfach in einer scheiß Position, wird schlecht bezahlt, soll was lernen, meistens wird man aber dann doch mega gebraucht auf Station - aber auf der PSY2 hatte ich nie das Gefühl, dass das ausgenutzt wird und man nur die Arbeit hingelegt kriegt, die sonst keiner machen will. Leerlauf hatte ich so gut wie keinen. Man ist gut ins Team integriert und mit den Psycholog:innen, Ärzt:innen und Sozialarbeiter:innen (und jeweils Praktikant:innen in den Feldern) hat es sogar so gut harmoniert, dass wir mehrfach abends auch was zusammen unternommen haben. Zwischen Ärzt:innen und Pflege hatte ich leider doch immer mal das Gefühl, dass härtere Grenzen gezogen werden, insgesamt hat die Pflege die Station gut im Griff und man sollte auf die typischen Fettnäpfchen achten (sich bei allen kleinlichst vorstellen, nicht etwa eine "private" Tasse von jemandem aus dem Schrank nehmen um daraus zu trinken, alles was aus dem eigentlichen Rahmen der Station rausfällt mit der Pflege rückbesprechen,..).
Als einen großen Kritikpunkt empfand ich die fehlende Pflicht-Rotation - nicht, weil ich unbedingt von meiner Station weg wollte, sondern weil ich denke, dass Rotationen auf andere Stationen nochmal ganz andere Einblicke in andere Krankheiten und Arbeitsweisen geben. Persönlich hätte ich mir noch mehr teaching gewünscht, 1x die Woche ist mMn minimales Pflichtprogramm (das hat aber auch immer stattgefunden) für einen Ausbildungsabschnitt, der explizit Teil des Medizinstudiums und damit schlecht bezahlt ist.
Wenn ich jetzt aus meinem Chirurgie-Tertial zurückdenke an die Zeit in der Psychiatrie, kann ich mich nur zurückwünschen, vermisse das angenehme, patient:innennahe Arbeiten und bin nur froh, dass ich mein Wunschtertial als erstes gemacht habe, sonst hätte ich jetzt nämlich eine absolute Sinnkrise.

Organisatorisches nochmal in Kürze:
- am ersten Tag wird man fest einer Station zugeteilt und muss sich anschließend selbst um Transponder, Zugang zum PC-System usw. kümmern
- eine Rotation auf eine andere Station war nicht vorgesehen und ließ sich in meinem Tertial nicht auf freiwilliger Basis organisieren
- Hospitationen auf den anderen Stationen sind tageweise möglich
- 400€/Monat
- Mittagessen kostet 5,50€ und ist eher schlecht als recht, vegetarisch gibts immer, die lieben Angestellten dort bereiten einem auch etwas veganes zu, wenn man am Morgen kurz runtergeht und darum bittet <3
- keine Studientage, aber flexibles Absprechen von Urlaubstagen auch kurzfristig möglich
- Arbeitszeit beginnt 8 Uhr, endet offiziell 16.30 Uhr, je nachdem wer auf Station ist und wie ruhig es ist, kann man auch mal eher gehen
- man hat immer Zeit zum Mittagessen
- fairer Umgang mit Krankheitstagen
- Unterricht 1x/Woche, wird zuverlässig durchgeführt, unterschiedliche Themen (Depression, Schizophrenie, extrapyramidale NW von Neuroleptika, Schlafstörungen,...) werden theoretisch durchgesprochen und im besten Fall kann man Fragen dazu stellen
Bewerbung
über PJ-Portal, über Härtefallanträge scheint es übrigens auch über die 2 Plätze/Tertial hinaus Plätze zu geben.
Unterricht
1x / Woche
Tätigkeiten
Patienten aufnehmen
Briefe schreiben
Untersuchungen anmelden
Eigene Patienten betreuen
Patienten untersuchen
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Gehalt in EUR
400
Gebühren in EUR
/

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
2
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
2
Unterricht
2
Betreuung
1
Freizeit
1
Station / Einrichtung
1
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1.33