Auslandstertial an der Universidad Catolica Christus in Santiago de Chile
Von Januar bis März 2023 verbrachte ich drei Monate in Chile, die Hälfte des Tertials in der Orthopädie / Unfallchirurgie und die andere Hälfte in der Allgemeinchirurgie. Ein Auslandstertial in Chile kann ich in jedem Fall empfehlen. In Kürze würde ich meine Erfahrungen wie folgt zusammenfassen:
Super Organisation/Auslandskoordination, Freundliche Menschen, Schwieriges Spanisch, Arbeitszeiten und medizinischer Standard vergleichbar mit Deutschland, kultureller Reichtum in Santiago
Klinik
Das UC ist eine der angesehensten (und wohl teuersten) Kliniken in Chile und bietet hohe medizinische Standards für die 20% privat versicherten Menschen in Chile. Zudem unterhält es eine allgemeinversorgende (FONASA =staatliche Krankenversicherung) Klinik, namens Sotero del Rio, in welcher die gleichen Teams in etwas reduzierteren Standards und mit billigeren Equipment arbeiten. Die meisten internationalen Studierenden werden in der zentralen Klinik eingesetzt, eine Rotation in andere Kliniken ist aber möglich.
Die Bewerbung und Koordination läuft über Eleanore Henderson, die kompetente Auslandskoordinatorin der medizinischen Fakultät. Sie ermöglichte mir die gewollten Rotationen zu den entsprechenden Zeiten, organisiert Unterschriften (auch vom Dekan) auf jedwedem benötigten Dokument und ist darüber hinaus auch engagiert die internationalen Studierenden in Freizeitaktivitäten zusammenzubringen.
Mein Eindruck ist, dass die Arbeitszeiten in Chile deutlich länger sind (und es wenige Feiertage und nur 2 Urlaubswochen gibt), der Arbeitsalltag jedoch deutlich entspannter gehandhabt wird. Für Mittagessen ist fast immer Zeit und häufig wird mit dem Team gemeinsam gefrühstückt. (Häufig wird man eingeladen.) Dies liegt an der guten Besetzung mit zum Teil drei bis vier Assistenzärzt:innen bei 10 stationären Patient:innen und ein bis zwei Op Sälen, und an den längeren Wartezeiten zwischen den Operationen, wobei diese auch bis 18:30 angesetzt werden.
Orthopädie/Unfallchirurgie
Die erste Hälfte verbrachte ich in der zentralen Klinik und an einzelnen Tagen in kleineren Krankenhäusern in diesen Fachbereichen. In etwa drei Tage die Woche war ich in der Notfallambulanz ("Notaufnahme") eingeteilt, welche jedoch kaum kritische Patienten entgegennimmt, da diese Patient:innen zunächst alle in allgemeine Kliniken gebracht werden. So handelte es sich zumeist um Brüche, Verstauchungen oder Schnitt und Beißwunden. Die Patient:innen werden von den Internos (=südamerikanische PJler) zunächst anamnestiziert und untersucht und dann mit den Assistenzärzt:innen besprochen. Danach erfolgt eine Bildgebung oder eine Wundversorgung und man kann eine Epikrise schreiben.
An den anderen Tagen war ich den verschiedenen chirurgischen Teams zugeordnet (je nach Subspezialisierung, z.B. Hand, Knie, Rücken). Durch die gute Besetzung ist eher selten ein Platz am Operationstisch frei, ab und an kann man nähen. Zudem sind die Internos für die Aufnahmen zuständig, bei denen auch die Operation aufgeklärt wird.
Meist war ich in der Rotation gemeinsam mit einem chilenischen Interno eingeteilt, sodass ich mich gut in den klinischen Alltag einfinden konnte und nicht überfordert vor Aufnahmen stand.
Die Tage für die chilenischen Internos gehen von in etwa 8 bis 17 Uhr, als Austauschstudierender bekam ich manchmal früher frei und bei Nachfrage sind Fehltage für Landeskunde möglich.
Viszeral-/Allgemeinchirurgie
In der zweiten Hälfte erhielt ich vom zuständigen Arzt der Viszeralchirurgie die Möglichkeit mir Rotationen von 2-4 Wochen in Subdisziplinen zu wünschen (Oberer- /Unterer GI Trakt, Leber-, Gefäß-, Herz- oder Thoraxchirurgie; wrsl auch Uro möglich), welche alle zur Allgemeinchirurgie gehören. Für mich war (über interne Kontakte) eine allgemeine Klinik (Sotero del Rio) möglich, welche ich empfehle, da hier eine andere Stimmung und Medizin in etwas einfacheren Verhältnissen besteht.
Als zentrale Aufgabe waren die Aufnahmen der Operationen des Tages durchzuführen und der nächsten Tage vorzubereiten. Da ich von den chilenischen Internos eingearbeitet wurde und im Zweifel ich immer nachfragen konnte, war das kein Problem. Bei Operationen konnte ich manchmal am Tisch stehen, mal bei einer Laparoskopie die Kamera führen, mal nähen. Ansonsten galt es ab und an auf den Stationen etwas nachzuschauen.
Einmal die Woche gibt es eine Fortbildung, die meist interessant ist. Leider seltener fand die wöchtenliche Lehrvisite statt.
Mir gefiel in verschiedene chirurgische Disziplinen zu rotieren und so ein breites Spektrum an Operationen mitzubekommen. Genervt haben mich die häufigen Wartezeiten z.B. zwischen Operationen.
Sprache
Bei einem erneuten Auslandsarbeitsaufenthalt würde ich gerne besser die Sprache verstehen und sprechen. Mein Ausgangsniveau lag geschätzt in etwa bei B1 ohne Sprachpraxis. Hinzu kommt, dass das Chileno von Modismen durchsetzt ist, häufig schnell gesprochen wird und die Aussprache speziell ist (so werden beispielsweise s in der Wortmitte und am Wortende weggelassen). Durch die freundlichen Chilen:innen, wurde ich immer freundlich behandelt und so fühlte ich mich trotz einer sprachlichen Barriere insbesondere in den ersten Wochen wohl.
Einhören müssen sich wohl selbst Muttersprachler:innen aus anderen südamerikanischen Ländern.
Land/Stadt
Chile hat eine abwechslungsreiche Geschichte deren politische Extreme fortbestehen. Die Diktatur Pinochets wirkt durch die weitreichende Privatisierung und große Schere zwischen Arm und Reich fort. Derzeit gibt es keine größeren Proteste, doch hat sich die finanzielle Situation der Bevölkerung seit der Protestwellen von 2019 eher verschlechtert. Ein Verfassungsentwurf (meines Wissens nach sehr fortschrittlich / integrierend / eher links) wurde letztes Jahr abgelehnt, ein Neuer, des konservativen Parlaments, wird im April abgestimmt. Es bleibt spannend...
Das Preisniveau ähnelt Deutschland, Obst, Gemüse, Wohnen und Dienstleistungen sind günstiger.
In Santiago fühlte ich mich sicher, jedoch gibt es viel Diebstahl. So wurden anderen Austauschstudierenden die Handys aus den Händen oder die Kette vom Hals gerissen. Man sollte sich über die Viertel informieren.
In jedem Fall ist Santiago eine riesige Stadt, deren Viertel eine große Vielfalt an Eindrücken bieten. Insbesondere im Januar gibt es ein vielfältiges Kulturangebot, dass jeden Tag Möglichkeiten bereithält.
Wer die weite Reise auf sich nimmt, sollte in jedem Fall sich mehrere Wochen nehmen um das Land zu bereisen (oder nach Urlaubswochen fragen). Vulkane, Gletscher, bizarre Wüsten, unangetastete Regenwälder und unterschiedliche Kulturzonen seien hier animierende Eindrücke.
Insgesamt kann ich ein Tertial in Santiago empfehlen. Trotz sprachlichem Lernbedarf schätze ich deutlich wertvoller Erfahrungen als in einem Tertial in der Chirurgie in Deutschland gemacht zu haben. Wer fachlich viel lernen möchte sollte gut Spanisch sprechen, praktische Fertigkeiten lassen sich möglicherweise anderswo besser trainieren.
Bewerbung
Der Bewerbungszeitraum läuft über ein Portal der Fakultät und sollte 4-6 Monate vorher erfolgen. (https://medicina.uc.cl/international/services-for/international-students-2/undergraduates-2/clinical-rotations-program/) Die Webseite enthält alle Informationen.
Die Bewerbung und Koordination läuft über Eleanore Henderson, die kompetente Auslandskoordinatorin der medizinischen Fakultät. Sie ermöglichte mir die gewollten Rotationen zu den entsprechenden Zeiten, organisiert Unterschriften (auch vom Dekan) auf jedwedem benötigten Dokument und ist darüber hinaus auch engagiert die internationalen Studierenden in Freizeitaktivitäten zusammenzubringen.