PJ-Tertial Allgemeinchirurgie in Kent and Canterbury Hospital (1/2022 bis 3/2022)

Station(en)
vascular
Einsatzbereiche
Station, Diagnostik, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, OP
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
PJ im NHS: Die medizinische Versorgung in East Kent teilt sich auf drei große Stützpunkte auf. Davon ist das KCH das kleinste Haus und übernimmt Nephro, Neuro, Urologie, Gefäßchirurgie und Ortho. Eine internistische oder chirurgische Notaufnahme oder anderen Fachrichtungen sind in Canterbury nicht angesiedelt. Ich habe mein PJ in der Gefäßchirurgie verbracht und war hier einem Consultant als Betreuer zugewiesen. Das ist in England so üblich und hat in Canterbury auch hervorragend funktioniert. Mein Betreuer hat sich regelmäßig bei mir gemeldet und nach Wünschen oder meinen Lernzielen erkundigt und mich per WhatsApp zu interessanten OPs eingeladen. Ich war aber auch bei den anderen Consultants und Registrars immer gerne im OP oder der Ambulanz gesehen und wurde insgesamt sehr gut ins Team aufgenommen. Mir wurde auch zu keinem Zeitpunkt das Gefühl vermittelt, dass ich im Weg rumstehe oder eine extra Belastung darstelle. Stattdessen haben sich eigentlich immer alle gefreut, wenn ich die Tage bei Ihnen in der Ambulanz oder OP verbracht habe und sich immer aufrichtig für meine Hilfe bedankt, wenn ich im OP mit am Tisch war oder in der Ambulanz zugeschaut habe. Diese Wertschätzung und Einstellung zum Teaching in England waren für mich anfangs sehr ungewohnt, da ich das aus Deutschland einfach so nicht kannte. Nach einer Zeit durfte ich auch erste Assistenz machen, bzw. wurde explizit von Registrars angesprochen und gefragt, ob ich ihnen im OP helfen möchte.

Stationsarbeit: Der Tag startet offiziell eigentlich um acht mit der Visite. Ich habe jedoch nie erlebt, dass die Visite pünktlich begann. Meistens ging’s erst so gegen zwanzig nach acht los. Das hängt bisschen damit zusammen, wann der zuständige Consultant auf Station erscheint bzw. manchmal war vor der Visite auch erst auch noch Handover. Handover dauern in England so irgendwas zwischen zehn und neunzig Minuten, so dass man teils dann seine Patienten halt erst um halb zehn visitiert. Wenn sich das Team für die Visite dann endlich mal zusammengefunden hat, alle einen aktuellen Übergabezettel haben, die super unzuverlässigen PCs hochgefahren sind, werden dann zunächst die Normalstation und anschließend HDU und ITU visitiert. Das sind immer so circa 15-30 Patienten insgesamt. Die Visite ist so wie alles in England ein einziges Chaos. Das geht schon damit los, dass man sich ständig so Plastikschürzen für jeden Patient neu anziehen muss, aber die Bay (immer 6 Patienten in einem sehr kleinen stickigen Raum mit Vorhängen zwischen allen Betten) so voller Betten, Vorhängen, Personal, Trolleys und Computer stehen, dass man sich eigentlich kaum wenden kann, um sich die neue Schürze für den nächsten Patienten anzuziehen. Dazu kommen dann regelmäßige Suchen nach Drug Charts, in noch händisch die Medikation notiert wird. Insgesamt ist eine englische Station einfach sehr trubelig mit wahnsinnig viel Personal verschiedener Professionen (Pfleger, Gesundheitsassistenten, Schwestern, Ward Manager, Pharmazeuten, Podologen, Reinigungsteam, Verpflegungsschwestern, Diätassistenten etc). Ich stand in diesem Visitenchaos eigentlich meist nur daneben und habe mal mitgetippt oder einen Verband gemacht oder Blut abgenommen. Eine richtige Funktion hatte ich nicht und habe vor allem versucht, nicht im Weg zu stehen. Nach der Visite verschwinden sämtliche Registrars und Consultants wieder von Station und die Juniors treffen sich in ihrem Büro, um ihre Job Liste zu schrieben, die sie dann im Laufe des Tages abarbeiten. Die umfasst vor allem Arztbriefe, MiBi- oder Radiologie-Telefonate, Medikamente oder kleine Stationsarbeiten. Zeit im OP oder Ambulanz ist für sie nicht vorgesehen und der eine wusste auch gar nicht, wo der OP überhaupt ist, geschweige denn wie man sich eine Bleischürze für die Endo anzieht:). Ich bin meistens im Laufe des Vormittags in den OP der die Ambulanz weitergezogen, da es bei den Juniors keine interessanten Sachen zu sehen oder lernen gab.
OP: Im OP dürft Ihr immer mit an den Tisch und nähen. Bei mir war das nachdem mich alle Consultants und Registrars besser kannten, irgendwann eine Selbstverständlichkeit. Es finden viele endovaskuläre Eingriffe statt, die ich wegen mangelndem Lerneffekt eher gemieden habe. An offen OPs gibt es regelmäßig offene Aortenaneurysmen-OPs, Endarteriektomie der Carotis und Femoralis und Bypasse sowie viele AV-Fisteln und Amputationen. Die Stimmung im OP ist super relaxt und freundlich und das Teaching für Studenten super. Englische Studenten sind in England jedoch kaum im OP. Umso mehr haben sich alle gefreut, dass ich so oft und motiviert da war. Am ungewohntesten war für mich, dass man sich selbst ohne Hilfe steril anziehen und einwaschen muss. Ich war damit anfangs komplett überfordert, aber die Leute sind mega lieb und helfen gern. Bringt Euch auf alle Fälle eure eigenen OP-Schuhe mit. In England werden diese nicht von der Klinik gestellt. OP-Kasacks und auch OP-Hauben aus Stoff gibt es genügend. Reguläre Bereichskleidung gibt’s in England nicht, da man eigentlich seine schickere Alltagskleidung trägt. In Canterbury macht das außer den Juniors, die ja nicht in den OP gehen, aber keiner. Stattdessen läuft man einfach den ganzen Tag im OP-Kasack durchs Haus.

Ambulanz: Die Ambulanz (Clinic) war für mich immer der Anlaufpunkt, wenn ich sonst nirgends spannendes gefunden habe. Es gibt hot clinics, regular clinics, sowie Aneurysma-surveilllance und ultrasound Clinic. Fast alle Untersuchungen werden von vascular nurse practioners übernommen. Das sind extra geschulte und examinierte Pfleger, von denen man sehr viel lernen kann und die sich immer gefreut haben, wenn ich in ihre Clinic gekommen bin. Sonst kann man aber auch mit einem Consultant in eine regular clinic gehen.

Fazit: Ein PJ in England ist vom Aufbau und Lerneffekt mit einem PJ in Deutschland nicht zu vergleichen, da es einfach kein britisches Äquivalent zu einem deutschen PJler gibt. Demzufolge schreibt Euch auch keiner vor, was oder wo genau ihr Euch einzufinden habt geschweige denn, was eure Aufgaben eigentlich umfasst. Ob und was ihr lernt und erlebt, hängt ganz von Euch ab und muss von Euch kommuniziert werde. Dazu gibt es regelmäßige obligatorische Meetings mit Eurem Supervisor. Diese hohe Maß an Eigeninitiative ist zum einen sehr schön und erlaubt eine große Freiheit bei der Wahl der Stationen, OPs und Ambulanzen. Insgesamt hatte ich eine sehr schöne Zeit im KCH. Ich durfte überall nach Lust und Laune vorbeischauen und mich ausprobieren, ohne irgendwelche Verpflichtungen zu haben. Da war für die erste 4-5 Wochen auch sehr angenehm und ich hatte eine sehr unbeschwerte PJ-Zeit. Nach einer Weile hat mich aber die Tatsache, dass ich eben keine richtigen Aufgaben hatte und auch die einzige Studentin war, eher genervt, da ich alle OPs und Ambulanzen durchhatte und so ein bisschen planlos durch die Klinik gestreift bin. Ich bin dann noch ein paar Tage mit dem internistischen POPS-Team mitgelaufen (perioperative care for the elderly undergoing surgery) und es hätte auch noch die Möglichkeit gegeben, in die Uro, die in England auch unter general surgery läuft, reinzuschauen.
Bewerbung
Tipps
- In der Regel werden Studenten in East Kent in Margate oder Ashford an den großen Unikliniken untergebracht, weil dort general surgery nicht nur aus vascular und urology besteht. Ich hatte mich explizit auf Canterbury beworben, weil mich die Kombi aus renommierter Studentenstadt mit sehr hohem Freizeitwert und kleinem NHS-Haus gereizt hat. Letztlich bereue ich die Entscheidung auch nicht, sondern hatte eine super Zeit in Canterbury. Bedenkt aber, dass an größeren Häusern mehr Teaching und Trubel ist und general surgery dort mehr Möglichkeiten bietet als in Canterbury. Ich war für meine anderen acht Wochen an einer großen Uniklinik in Ostengland und bin froh, auch ein großes Haus gesehen zu haben. Wer nur ein halber Tertial in England macht und nicht gerade für Gefäßchirurgie brennt, sollte daher eher an ein großes Haus gehen.
- Es gibt ein sehr abgewohntes und runtergekommenes Personalwohnnheim direkt gegenüber des Outpatient Bereichs zu einem recht guten Preis. Es handelt sich um 3-er WG (flatlets) in unterschiedlichen guten Zuständen. Ich war zu Beginn in einem super abgewohnten und schimmeligen Zimmer in Block 4 und konnte nach einem Gespräch mit der Managerin in Block 5 umziehen. Dort waren die Räume laut Managerin renoviert. Die Küche und Bäder wären letztlich in einem ähnlichen Zustand wie in Block 5, aber mein Zimmer was tatsächlich etwas besser in Schuss. Ein nach deutschen Vorstellungen renoviertes Zimmer dürft ihr aber nicht erwarten. Ich habe mich trotzdem sehr wohlgefühlt und hatte eine sehr nette Mitbewohnerin. Auch die unmittelbare Nähe zur Klinik habe ich sehr genossen und bin bei Wartezeiten für OPs oder zum Mittagessen auch gerne mal für eine Stunde heimgegangen. Zu Fuß in die Stadt und Supermarkt sind es 20 Minuten oder 5 Minuten mit dem Bus für 1,80 Pfund.
- Allein wegen Canterbury und seiner Lage lohnt sich ein PJ am KCH schon. Die Stadt hat viele englische und internationale Studenten und ist wunderschön und ein perfekter Ausganspunkt für Trips in alle Himmelsrichtungen in Kent und London. Nutzt unbedingt die guten Busanbidungen in die sehr sehenswerte Küstenorte Ramsgate, Margate, Broadstairs, Herne Bay, Whitstable und Dover. London Westminster kann per Bus (10 Pfund bei Nationalexpress) in knapp zwei Stunden erreicht werden. Am London City Airport seid ihr mit dem Zug und DLR in knapp einer Stunde.
- Ich habe nach meinem PJ den Beststeller „This is going to hurt“ gelesen und kann das Buch zur Vorbereitung hinsichtlich medizinischem Vokabular und Verständnis der NHS-Personalstrukturen empfehlen. In England sind die Hierarchien sehr flach und die medizinische Ausbildung dauert ewig, so dass gefühlt jeder Arzt einen anderen Titel auf seinem Badge stehen hat und es für mich anfangs schwer war einzuschätzen, wer wie weit und für was zuständig war. Grob gesagt geht es nach 5 Jahren Studium mit FY1 und FY2 los (irgendwas zwischen PJ und dt. Assistenz-Probezeit), danach kommt entweder specialty training (ST1-ST6) oder die Chirurgen machen gerne vorher noch core training (CT1-3). Je nach Fachrichtung ist man ab ST3 aufwärts dann irgendwann kein Junior mehr, sondern wird Registrar. Jedes Department wird von circa 4-8 Consultants geführt. Das sind unsere Oberärzte/Chefärzte. Unter den Consultants gibt’s zwar auf dem Papier auch einen Chef, aber dies hat im Klinikalltag keinerlei Bedeutung. Jeder Consultant betreut seine eigenen Patienten. Die Juniors sind jedoch für alle Patienten auf ihrer Station zuständig.
- Bewerbung erfolgt über EKHUFT. Es braucht Empfehlungsschreiben und IELTS. Kayleigh Howards koordiniert das Ganze. Sie ist prinzipiell per Mail, WhatsApp und Telefon gut zu erreichen. In der Regel antwortet sie schnell, aber irgendwie habe ich trotzdem viel mit ihr hin- und hergeschrieben, weil sie teils sehr umständlich ist. Einfach nicht verunsichern lassen.
Unterricht
Kein Unterricht
Tätigkeiten
Blut abnehmen
Braunülen legen
Patienten aufnehmen
Mitoperieren
Chirurgische Wundversorgung
Dienstbeginn
Nach 8:00 Uhr
Dienstende
15:00 bis 16:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich
Kleidung gestellt

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
2
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
1
Unterricht
3
Betreuung
1
Freizeit
1
Station / Einrichtung
3
Gesamtnote
2

Durchschnitt 1.67