Das Tertial im Jüdischen Krankenhaus hat mir im Allgemeinen sehr gut gefallen. ich hatte mich sehr auf Neuro als Wahlfach gefreut, zudem wollte ich auch endlich mal aus den Unikliniktrott raus.
Was sofort aufgefallen ist, war die tolle Stimmung innerhalb des ärztlichen Teams der Neurologie; die Assistent*Innen dort gehen sehr solidarisch miteinander um. Auch die Zusammenarbeit mit den Oberärzt*Innen schien mir angenehm und unterstützend. Das Ansehen der PJler*Innen ist hoch gewesen, alle haben sich ehrlich gefreut, dass wir da waren.
Leider war die Zeit im Stationsalltag dann doch meistens zu knapp, um uns vernünftig anzuleiten, was eigene Patient*Innen oder eben generelles Teaching anging. Während unseres Tertials ( wir waren zu zweit) haben zwei neue Assistenten angefangen - insgesamt war das Team sehr jung - und mussten dann eben auch eingearbeitet werden, da sind unsere Belange oftmals erst recht untergegangen. Aber es mangelte auf jeden Fall nicht am guten Willen der Allermeisten.
Zum Stationsalltag: Arbeitsbeginn war um 8:15 zur Morgenbesprechung im Aufenthaltsraum, danach haben wir uns auf unsere Stationen verteilt und Blut abgenommen. Die tägliche Visite dauerte immer etwa zwei-drei Stunden (Neurologen…) und konnte von uns teilweise übernommen werden. Danach mussten dann die bei der Visite angefallenen Aufgaben abgearbeitet werden, sowie neue Patient*Innen aufgenommen werden. ersteres bedeutete fürs PJ vor allem MMST/MOCA, sowie Schellongtests durchführen und LPs selbstständig unter Aufsicht machen, letzteres konnten wir mehr oder weniger komplett eigenständig erledigen, also Anamnese/Untersuchung, PVK/Blut, Dokumentation, Anmeldungen und Vorstellung beim Oberarzt. Irgendwann zwischendurch passte auch immer noch ein Mittagessen rein. Aber Obacht, das Kantinenessen verursachte bei uns zuverlässig postprandiale Ermattungszustände. Vielleicht besser was mitnehmen, v.a. da das PJ nur Essensmarken für das günstigste Gericht bekommt (mit entsprechender Qualität und geschmacklicher Vielfalt).
Um 13:15 fand jeden Tag die Röntgenbesprechung mit der Radiologie statt, mittwochs gab es meist noch eine neurologische Fortbildung, Nachmittags um 15:30 war die Übergabe an den Dienst, danach konnten wir PJler*Innen meistens gehen. Niemand hat einen gezwungen länger zu bleiben, aber oft hat es sich ergeben, weil man noch ein paar LPs machen konnte, oder was Spannendes in der Rettungsstelle passiert ist. Manchmal hatte eine motivierte Assistentin dann auch noch Zeit, mit uns Prüfungsfragen durchzugehen oder uns zu zeigen, wie ein Carotis-Sono funktioniert.
Insgesamt war der Alltag dicht gepackt; es kam immer mal wieder vor, dass ich den PJ-Unterricht (s.u.) total verpeilt hatte, weil ich von einer Besprechung zur nächsten gegangen bin… Langweilen tut man sich auf jeden Fall nicht! Und falls man irgendwann genuch von Station hat, kann man einfach in die Rettungsstelle oder auf die Stroke oder in die Frühreha weiterziehen (diese Reihenfolge würde ich auch empfehlen) .
Was man auf jeden Fall auch lernt, ist eine gesunde Frustrationstoleranz und innovative Problemlösestrategien, da das Krankenhaus leider recht veraltet ist, was Dokumentation, Kommunikation und Technik im Allgemeinen angeht. Z.B. werden die Patientenkurven überall außer auf der Stroke noch auf Papier geführt, was eine tägliche Suche nach einzelnen Kladden verursacht hat und ein Staunen darüber, an welchen Orten man sie am Ende findet.
In der Neurologie fand einmal die Woche PJ-Unterricht statt, da hätte ich mir persönlich noch mehr Interaktion gewünscht. die sehr freundlichen Oberärzt*Innen haben meistens nur einen allgemeinen Vortrag über das jeweilige Thema (MS, Schwindel, Kopfschmerz…) gehalten. Es gab auch für alle PJler*Innen offenen Unterricht in der Inneren, in der Chirurgie und in der Radiologie, da war die Qualität sehr unterschiedlich, aber insgesamt fand ich es toll, dass es in einem eher kleineren Krankenhaus ein so breites Angebot an Fortbildungen gab.
Zum Organisatorischen: Das gesamte Personal im Krankenhaus ist freundlich und zuvorkommend, alle meine Fragen zu Beginn wurden sehr schnell und unkompliziert geklärt. Problematisch war nur die Wäsche-Situation, da der Automat immer wieder kaputt war und es anscheinend technisch nicht möglich war, PJler*innen eine Wäschekarte zu geben. Wenn man in Berlin studiert, kann man sich dann ja vlt. mit Charite-Sachen behelfen…
Das Krankenhaus liegt an der Osloer Straße im Bezirk Wedding (mit all den dazugehörigen Klientelen), und lässt sich toll mit den Öffis erreichen.
Also insgesamt: eine interessante Zeit in einem etwas maroden Krankenhaus mit einem wirklich tollen Team! Zum fachlichen: Das jüdische Krankenhaus ist kein Haus der Maximalversorgung, die abgefahrenen neurologischen Erkrankungen begegnen einem hier jetzt eher nicht, aber durch die Stroke und Frühreha, sowie das MS-Zentrum kann man gerade bei den häufigen Krankheitsbildern viel dazulernen.