OP, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Notaufnahme, Diagnostik, Station
Heimatuni
Giessen
Kommentar
Wohnen:
In Brixen ist das Wohnen teuer und schwer zu organisieren. Vor allem wenn das Praktikum im Sommer (touristische Hochsaison) oder auch im Dezember stattfindet, ist es wichtig sich möglichst frühzeitig um eine Bleibe zu kümmern. Einige der Studenten und italienischen Assistenzärzte in Rotation, die ich im laufe meines Praktikums kennengelernt habe, konnten über Bekannte in der Region an ein WG-Zimmer zur Zwischenmiete kommen. Auch die zuständigen Angestellten in der Verwaltung des Krankenhauses Brixen kennen einige Adressen, an die man sich wenden kann, um in privaten Wohnungen unterzukommen.
Eine weitere beliebte, wenn auch nicht unbedingt preiswerte (500 Euro/Monat) Möglichkeit einen Schlafplatz zu ergattern, besteht darin sich an das Priesterseminar oder an das Vinzentinum zu wenden, welche derselben Verwaltung unterstehen. Beide Häuser verfügen über schöne Altbau-Zimmer mit eigenem Bad und Gemeinschaftsküche. Das Vinzentinum liegt etwas außerhalb des Zentrums, dafür aber fast direkt neben dem Krankenhaus und gehört eigentlich zu einem Internat. Das Priesterseminar liegt in der Altstadt von Brixen.
Mir wurde ohne offiziellen Vertrag und unter großen Mühen bezüglich der Kontaktaufnahme meinerseits (besser anrufen, auf Mails wird nicht oder sehr spät geantwortet) zwar ein Zimmer im Priesterseminar zugesagt, dies war dann jedoch voll und ich wurde in das Gästehaus des Klosters der Tertiarschwestern einquartiert. Das Zimmer war sehr klein, aber auch sehr sauber, verfügte über einen Balkon mit Blick auf den hübschen Klostergarten und hatte ein eigenes und sehr geräumiges Bad. Ich habe die zentrale aber ruhige Lage sehr geschätzt und durfte eine Waschmaschine sowie Wäsche und Putzutensilien des Klosters mitbenutzen. Die Nonnen waren zu jeder Zeit freundlich und hilfsbereit. Auch das Tragen kurzer Klamotten und dass mein Partner mehrere Nächte mit in meinem Zimmer geschlafen hat, war kein Problem. Mit der Zeit sind auch in benachbarte Zimmer Gäste eingezogen, zu denen ich aber nie versucht habe Kontakt aufzubauen. Über das Priesterseminar konnte ich eine Küche mitbenutzen, ein Parkplatz im Zentrum wurde gestellt (Gold wert!) und mir wurde ein Fahrrad geliehen, alles ohne Aufpreis. Insgesamt eine gute Unterkunft für zwei Monate!
Freizeit:
Brixen ist was die Freizeitmöglichkeiten angeht ein absoluter Traum! Es empfiehlt sich, mobil zu sein, am besten mit eigenem Auto. Brixen selber ist ein kleines, aber lebendiges Städtchen mit viel Tourismus. Es gibt viele Geschäfte, Bars, Kaffees und Restaurants in der Altstadt mit allen Vorzügen Italiens, also tollem Eis, guter Pizza und vielem Mehr. Insgesamt sind die Preise für Italien sehr hoch, ungefähr aber auf demselben Niveau wie in Deutschland. Am Wochenende können gut Städte Norditaliens besucht werden, so war ich in Meran, Trient, Verona und Bologna. Auch der Gardasee eignet sich hervorragend. Natürlich ist das direkte Umland vor Allem für Bergsportler sehr attraktiv. Innerhalb einer Stunde Autofahrt sind die Zillertaler Alpen, ein großer Teil der Dolomiten (Achtung: im Sommer sehr voll), die Stubaier Alpen, die Pfunderer Berge, das Ahrntal, die Riesenferner Gruppe und viele weitere Gebirgsgruppen zu erreichen. Bergwanderungen und leichte Klettereien waren mein liebster Zeitvertreib am Wochenende, dafür war Brixen als Ausgangspunkt perfekt. Es empfiehlt sich, falls man längere Touren plant, einige Hütten zur Übernachtung schon Wochen im Voraus zu buchen, denn in der Hochsaison sind Viele vor Allem Samstagnacht früh ausgebucht.
Sozialleben:
Im Krankenhaus Brixen gibt es vor allem im Sommer einige Student*Innen, die sich auf die verschiedenen Fachrichtungen verteilen. Davon waren auch einige deutsch, was zum Vorteil hatte, dass sie auch auf der Suche nach Kontakt waren. Einige italienische Assistenzärzt*Innen rotieren im Laufe ihrer Facharztausbilung in verschiedene Krankenhäuser und freuen sich auch über eine soziale Anbindung. Viele dieser Ärzt*Innen sprechen wenig deutsch, aber oft kann man sich in diesem Fall mit Englisch helfen. Die meisten Kontakte und gemeinsamen Pläne haben sich beim Mittagessen in der Mensa und beim Kaffee in der Krankenhauseigenen Cafeteria ergeben.
Ich habe im Laufe meiner Zeit in Brixen einiges mit den anderen Studenten und RotationsärztInnen unternommen, vor Allem unter der Woche, da viele von uns am Wochenende häufig schon andere Pläne oder Besuch von zuhause hatten.
Sprache:
In Brixen wird von Südtirolern ein deutscher Dialekt als Muttersprache und italienisch als Zweitsprache gesprochen und von vielen Zugezogenen ausschließlich italienisch. Der Dialekt hat mir vor allem zu Anfang aber tatsächlich bis zum Ende hin immer wieder Schwierigkeiten beim Verstehen bereitet. Dies ging meinen bayrischen Kommiliton*Innen nicht so. Es sind viele Worte anders und der Tonfall unterscheidet sich so stark vom hochdeutschen, dass man vor allem wenn sich Südtiroler untereinander unterhalten oder die Umgebung laut ist kaum ein Wort versteht. Wenn ich nochmal nachgefragt habe, wurde das Gesagte meist für mich verständlich wiederholt und alle haben sich Mühe gegeben, dass ich dem Gespräch folgen kann.
Ich spreche leider nur wenige Worte italienisch, jedoch hat sich mein Sprachverständnis in meiner Zeit in Brixen stark verbessert, da Besprechungen in meinem Praktikum je nach dem wer anwesend war oft auf Italienisch stattgefunden haben. Insgesamt hat es mir nie jemand übel genommen, dass ich nicht viel auf Italienisch formulieren konnte.
Praktikum:
Ich habe ein halbes Tertial meines praktischen Jahres in Brixen verbracht. Hiervon war ich vier Wochen in der Allgemeinchirurgie und vier Wochen in der Traumatologie/Orthopädie.
Das Medizinstudium ist in Italien grundsätzlich anders strukturiert als in Deutschland. Italienische Student*Innen haben keine eigenen Aufgaben, sondern begleiten Ärzt*Innen lediglich und arbeiten erst nach der Approbation selbstständiger. Viele der PJ-typischen Aufgaben übernimmt die Pflege. Dadurch, dass viele der Famulant*Innen und PJler*Innen, die Zeit im Krankenhaus Brixen verbringen jedoch in Deutschland oder Innsbruck studieren, ist den meisten Ärzt*Innen jedoch bekannt, dass viele Studenten schon Handgriffe wie Fäden ziehen und Verbandswechsel beherrschen. Auf Nachfrage durfte ich unter Supervision Patient*Innen untersuchen, sonographieren, Knie punktieren, Fäden ziehen, Drainagen ziehen, Verbandswechsel durchführen, Wunden mit Naht verschließen und im Operationssaal auch bei einigen Operateur*Innen sehr selbstständig assistieren. Hierbei wurde ich in den meisten Fällen zu Anfang sehr geduldig und genau angeleitet und im Laufe der Zeit wurde mir mehr und mehr vertraut. Insgesamt war der Umgangston mit den Student*Innen sehr nett und respektvoll, zum Beispiel wussten viele Kolleg*Innen nach kurzer Zeit meinen Namen und ich wurde nicht, wie in Deutschland oft üblich, mit „das PJ“ angesprochen.
Das Arbeitsklima und die -geschwindigkeit unterscheidet sich sehr von den meisten deutschen Krankenhäusern. Es wird mehr Wert auf Pausen und guten Espresso gelegt, mehr Zeit mit den einzelnen Patient*Innen verbracht und es ist meistens genug Zeit für fachliche Fragen und kurze Unterhaltungen. Der fachliche Standard ist dem deutschen ähnlich.
Freie Tage sind unter Absprache immer möglich, die Ärzt*Innen haben viel Verständnis dafür, dass man u.a. wegen dem Wetter auch mal unter der Woche auf den ein oder anderen Berg muss.
Besondere Erwähnung verdient die hervorragende Mensa, die gut zubereitete, lokale Spezialitäten in großen Mengen anbietet, so dass nach dem Gang durch die Stationen „primi piatti“, „secondi piatti“, Salatbar, Nachtisch und wer möchte noch einen extra regional produzierten Mozzarella das Tablett zumeist überquillt. Zum Glück hat man als Student meist auch genug Zeit bekommen, alles aufzuessen. In der Cafeteria gibt es alle möglichen Kafffee-Spezialitäten für wenig Geld und in hoher Qualität, auch die Snacks sind sehr lecker. Geht man mit einer Ärzt*In hin, wird man meist eingeladen.
Die beiden Abteilungen in denen ich war, haben sich in einigen Aspekten unterschieden. Die Allgemeinchirurgie ist eine sehr kleine Abteilung, in der man jede Woche einen Plan vorgelegt bekommt, auf dem man an manchen Tagen auf Station (Visite, Verbandswechsel), an manchen Tagen in der Ambulanz (zuhören, Fäden ziehen, Sonographie) oder im Operationssaal zum Assistieren eingeteilt wurde. Die Abteilung der Traumatologie/Orthopädie ist größer und man darf sich zwischen den Aufgabenbereichen frei bewegen. Die Notaufnahme spielt hier außerdem eine große Rolle.
Würde ich dieses Tertail nochmal planen, würde ich die komplette Zeit in der UCH verbringen wollen. Das Team ist sehr nett und flexibel, ich bin oft früh gegangen und durfte mich immer mit waschen und bei den meisten OperateurInnen ganz selbstverständlich zunähen, sodass ich richtig Routine bekommen habe und schneller wurde.
Insgesamt hatte ich eine spannende und angenehme Zeit in Brixen, in Südtirol und im Krankenhaus Brixen und würde mich wieder für diesen Auslandsaufenthalt entscheiden.
Bewerbung
Beworben habe ich mich ein gutes Jahr im Voraus und hatte Glück, dass noch reichlich Plätze frei waren, aufgrund der geringeren Nachfrage nach der COVID-19 Pandemie. Ich weiß aus Recherchen, dass für eine vernünftige Planung normaler Weise ca. 1,5-2 Jahre im Voraus mit der Bewerbung begonnen werden muss.