Mein PJ-Bericht soll eine möglichst nüchterne und vollständige Auflistung der Gegebenheiten vor Ort sein, da ich glaube, dass dies die beste Entscheidungshilfe ist. Ich möchte bewusst keine Wertung einfließen lassen, wenn möglich.
Zusammenfassend ist das USZ ein Ort mit einer freundschaftlichen und persönlichen Atmosphäre. Als PJ wird man als Person wahrgenommen, und freundlich behandelt. Auch untereinander herrscht zumeist ein positives, freundschaftliches Arbeitsklima am USZ. Wie immer im PJ ist die Hauptaufgabe eher Schreibarbeit, allerdings sieht man sogar eigene Patienten, und wird teilweise 1:1 oberärztlich im Alltag betreut. Da es mein erstes Tertial war, war mir nicht bewusst, dass dies eine Luxussituation darstellt, daher möchte ich alle 1. Tertial-PJ vor diesem Fallstrick warnen, da man am Anfang einfach mit dem Klinikalltag zu kämpfen hat. Blutentnahmen sind erfreulicherweise kein Thema, da die Pflege diese absolut sinnvollerweise erledigt, und auch die Arbeitszeiten sind human (je nach Rotation 8:00 bis 17:30 oder sogar kürzer). Es gibt im Vergleich mit Deutschland viel Freizeit, die Menschen dort sind sehr freundlich, und auch genug Mittags- und Frühstückspausen. Ein Tertial mit Fokus auf die Stadt Zürich/Freizeit/positive Erlebnisse ist daher gut zu realisieren. Es gibt allerdings bei der Pflege ein paar Defizite, die angemerkt werden sollten: die „Checkliste für aufwendige Patienten“ für die Station Neurologie. Diese soll verhindern, dass das Gesamt-USZ komplexe Patienten auf die neurologische Station verlegt. Es gibt bspw. Punkte für alt sein, mehrere Medikamente einnehmen, und bereits bei wenigen Punkten ist es ein aufwendiger Patient. Gerade, da es sich um eine Universitätsklinik handelt, ist das befremdlich.
Zum Zeitpunkt des Berichtes hatte die USZ-Neurologie kaum/keine neuen Weiterbildungsstellen. Wer mit Blick auf eine Bewerbung dort ein PJ machen möchte, sollte dies aktuell bedenken.
Gehalt:
Das Gehalt klingt mit ca. 1100 CHF für deutsche Ohren nach viel, allerdings sind die Lebenserhaltungskosten in Zürich ca. das zweifache von Deutschland. Daher sollte man nicht nur auf die reine Zahl schauen. Zudem zahlt man Reinigungspauschale 110 CHF, Gebühr beim Amt 100 CHF, Mobilität. Insgesamt kann man sich die 1100 CHF ungefähr wie 550 Euro in einer Stadt wie Gießen oder Kiel vorstellen. Man wird definitiv etwas Geld zusätzlich zahlen müssen. Mensakosten USZ: günstigstes Gericht 8,90 CHF mit Mitarbeiterrabatt eingeschlossen. Die Mensa ist außerordentlich gut und lecker.
Unterkunft:
Die Wohnheime des USZ sind teurer als vergleichbare Wohnheime anderer Institutionen. Miete muss Bar und persönlich monatlich beim Mitarbeiterservice entrichtet werden, wodurch entsprechende Umrechnungsverluste von Euro auf CHF entstehen. Sie kosten 600 bis 700 CHF mtl. Zuzüglich einer Reinigungspauschale von 110 CHF, allerdings bieten Hospitäler wie das Triemli Zürich Zimmer für 400 CHF an. Im Wohnheim selbst war es bei meinem Aufenthalt häufig laut abends. Die Türen sind hellhörig, Trennwände könnten dies beheben. Gemeinschaftsküchen und Gemeinschaftsbäder geteilt mit 20 Leuten, aber mit eigenem Kühlschrank, fehlende Kochutensilien (Diebstahl).
Organisation und Einstieg:
Man wird am ersten Tag zum Mitarbeiterservice gebeten. Hier wird ein Mitarbeiterausweis gegen Gebühr erstellt. Es gibt keine Führung durch die Räumlichkeiten oder Einführung in das IT-System zu Beginn, aber Zugangsdaten und Mails. Im ersten Tertial fiel mir das schwer, wenn man aber mit einem deutschen SAP-System vertraut ist, dürfte es kein Problem darstellen – ich habe da am Anfang etwas gestrauchelt und das fiel auch negativ auf. Teile des USZ, insb. Schwindel, liegen am Flughafen, da im Dienstplan keine Räumlichkeiten verzeichnet sind, kann man hier versehentlich zum falschen Ort gehen. Krankheitstage werden in der Regel gewährt, und nicht wie in Deutschland rigoros abgezogen.
Reale Aufgaben (mit Häufigkeit):
Normalstation:
• Morgenrapport (jeden Tag 8:00): Vorstellen von Patienten möglich. Es gibt immer einen klinischen Fall oder Vortrag.
• EKG kleben, schreiben und befunden (sehr häufig). Kann nützlich sein, aber man sollte eine Befundbesprechung erfragen.
• Briefe (sehr häufig). Das USZ hat ein vollständig digitales IT-System (KISIM). Die Befunde müssen aus den PDF-Dateien in den Arztbrief kopiert werden. Dabei geht die Formatierung verloren, da KISIM dies nicht miterfasst. Leider ist dies eine der Hauptaufgaben als Unterassistent auf Normalstation, allerdings geht es einem als Arzt später nicht anders.
• Allgemeiner internistischer Status (sehr häufig). Auf Station werden bei allen Patienten internistische Status erhoben. Herz, Lunge, Bauch KU.
• Allgemeiner Neurostatus bei Eintritt/Austritt mit Befundbesprechung (sehr häufig). Man erhebt bei allen Patienten viele neurologische KU. Diese werden besprochen und geübt
• Visite-Notizen: Bei der täglichen Visite läuft man mit und macht Notizen. Manchmal soll man in der Kurve Dinge ändern. Hier sollte man sich vorbereiten, denn es bleibt oft wenig Zeit für Fragen.
• Eigene Patientenfälle (vereinzelt auf Nachfrage): Wenn man noch Zeit, kann man einzelne Patienten mitbetreuen und diese dann auch auf Visite vorstellen.
• Lumbalpunktionen (gelegentlich): supervidiert und gezeigt, man lernt LPs von den Ärzten.
Parkinson-Sprechstunde:
• Teilnehmendes Beobachten, weil leider nicht viele Patienten für einen selbst anfallen (sehr häufig).
• 2 eigene Patienten täglich (Gesamtaufwand ca. 3 Stunden), man bekommt hierfür keinerlei Einführung, aber die Oberärzte machen alle Patienten immer ein zweites Mal, also ist dies eigentlich kein Problem – man sollte sich nur nicht so wie ich erschrecken. Man lernt, einen UPDRS und Whiget-Score zu erheben.
Schwindel-Sprechstunde:
• Nur wenige Tage bei mir, kann kein Urteil abgeben.
Notfall:
• Stroke ist abgetrennt von der Notfall-Rotation. Als Unterassistent gibt es keine Rotation auf Stroke oder Post-Stroke. Dementsprechend lernt man nicht viel über Stroke-Versorgung.
• Die Notfallrotation beinhaltet daher meist periphere Neurologie, Schwindel, funktionelle Probleme und Kopfschmerz.
• Hauptaufgaben sind das Erheben von Anamnesen, körperliche Untersuchungen und das Schreiben von Briefen.
• Man lernt die entsprechende Differentialdiagnose und BPLS-Lagerungen, sowie ärztliche Arbeit als Neurologe. Sehr sinnvoll.
Ganglabor:
• Teilnehmendes Beobachten (sehr häufig). Keine eigenen Patienten, man kann bei Untersuchungen zuschauen und eine Ganganalyse lernen.
Tagesklinik:
• Schreibarbeit (sehr häufig), man verfasst Briefe anhand von vorgefertigten Bausteinen für die Folgegaben von Immunsuppressiva (105. Gabe Ocrevus etc.), trägt die Laborwerte in die markierten Lücken des Bausteins ein und versendet den Brief. Hier ist das IT-System wirklich nützlich.
• Telefonate (jeden Morgen): Jeden Morgen muss man die Patienten des Folgetages anrufen, und sie an die Termine erinnern und sie nach Infekten fragen. Das wird dann in einer Notiz dokumentiert. Danach bestellt man die Medikamente per Mail bei der Kantonsapotheke (habe nicht ein einziges Mal gefaxt in der Schweiz.)
• JCV-Tests beantragen (häufig): Pflege gibt einem einen Barcode, mit dem man online Tests anfordert.
• Lumbalpunktionen supervidiert und erklärt (gelegentlich). Ich wusste vorher bereits, wie man eine LP korrekt aufklärt. Aber man lernt das hier.
• EKG kleben (häufig). Eher Routine und zur Kontrolle.
• Tlw. Sehr engagierte Assistenten, die sich Zeit nehmen, um Paper zu besprechen.
Fortbildungen & Forschung
Unterassistentenfortbildung: Vorträge sind ohne strenge Vorgaben. Aber supervidiert durch engagierte Oberärztin, die on the fly Feedback zum Inhalt gibt. Man muss einen Vortrag halten.
Zusatz: Forschung: Masterprojekte sind möglich (Medizin ist ein Master in der Schweiz). Journal Club dienstags. USZ-interne Symposien und Research Days. Leider fand ich trotz meiner Forschungserfahrung nicht viel Anschluss, hatte nachgefragt, aber keine Projekte bekommen. Das kann aber auch an mir gelegen haben. Ich denke, wenn man forschungsinteressiert ist, dann sollte man ggf. vorab bereits so etwas zusätzlich zur Unterassistenz anbahnen.
Stadt Zürich: Zum Leben in Zürich wird in diesem Bericht nichts erwähnt, um es auf das PJ fokussiert zu halten. Nur ein Satz: Die Schweiz ist für mich ein Traum.