Wenn man Interesse an Anästhesie und Intensivmedizin hat, kann ich das Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg nur wärmstens empfehlen! Man darf überall mit anpacken und bekommt sehr viel Verantwortung zugeordnet, wenn man sich gut anstellt und respektvoll mit dem Personal umgeht.
Der Tag im OP beginnt meistens um 7:15 Uhr mit der Besprechung der aktuell geplanten Operationen. Dabei kann man frei wählen, wo man zuschauen möchte und bei welchen Einleitungen man teilnehmen will. Dann teilt man sich auf die verschiedenen OPs auf und beginnt mit der Einleitung. Hier darf man nach ausgiebiger Einweisung während der ersten Tage alles machen. Das umfasst Präoxygenierung, Maskenbeatmung, Medikamentengabe, Arterien legen, ZVKs legen, Intubieren und alles, was dazugehört. Man arbeitet dabei nie alleine und kann jederzeit Fragen stellen, man wird kontinuierlich unterstützt. Während der laufenden OP hält man dann die Narkose aufrecht und darf nach der dritten Woche auch eigenverantwortlich die Betreuung des Patienten übernehmen, wenn die Anästhesist*innen eine kurze Pause machen möchten. Die größte Verantwortung trägt man etwa nach 1,5 Monaten, wenn man selbstständig die Pausenablösung übernehmen darf und den Patienten für 30 Minuten allein betreut, einschließlich alleiniger Entscheidungen über die Wahl der Medikation. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass man bei Problemen jederzeit den zuständigen Oberarzt oder die Oberärztin erreichen kann, die sofort zur Unterstützung kommen.
Man darf eigentlich jederzeit gehen und wenn man mal einen Tag für sich brauch oder einfach mal ein verlängertes Wochenende haben möchte, werden einem keine Steine in den Weg gelegt.
Es besteht auch die Möglichkeit, an Diensten teilzunehmen, was ich wirklich empfehlen kann, da man im gesamten Haus unterwegs ist und viele verschiedene Aufgaben übernehmen darf.
Nach einer gewissen Zeit rotiert man dann auf die interdisziplinäre Intensivstation. Der Tag beginnt hier bereits um 7 Uhr mit der Übergabe. Da das Haus keine IMC-Station besitzt, gibt es viele Aufnahmen, die teilweise nur einige Stunden dort liegen, bevor sie wieder auf die Normalstation gehen. Man hat dadurch etwas weniger Aufgaben als im OP, lernt aber im entspannten Rahmen die Abläufe kennen und darf in Notfallsituationen auch aktiv helfen, beispielsweise beim Intubieren. Ich empfehle auch, bei jeder Reanimation teilzunehmen und in Notfallsituationen mit dem Patienten von der Intensivstation in den OP zu fahren und dort die Narkose weiterzuführen. Auch die Möglichkeit in den verschiedenen Schockraumeinsätzen teilzunehmen und auch mit dem NEF zu fahren besteht. Man kann jederzeit jeden fragen, da die Hierarchien sehr flach sind, und man somit einen immensen Wissenszuwachs erwarten kann.
Als Highlight hatte ich die Möglichkeit, an zwei Explantations-OPs mitzuwirken und die erste ECMO-Anlage am Klinikum zu erleben.
Ich kann jedem, der plant, in die Anästhesie zu gehen oder einfach nur ein sehr lehrreiches PJ zu absolvieren, dieses Klinikum wirklich empfehlen! Das Motto hier lautet wirklich: Alles kann, nichts muss! Man kann wirklich aktiv überall mitwirken, aber auch jederzeit Aufgaben abgeben oder nochmal mit Anleitung etwas ausprobieren.
Zum Ort: Der Freizeitaspekt in Rotenburg lässt sehr zu wünschen übrig! Da man nie Überstunden machen muss, hat man viel Zeit, die man zu Hause verbringt. Wenn man dann auch keinen Mitbewohner in der Unterkunft hat, kann es manchmal wirklich langweilig werden! Es gibt ein Fitnessstudio in der Nähe und ansonsten mäßig stabiles Internet, das gelegentlich sogar für eine Folge deiner Lieblingsserie auf Netflix ausreicht, jedoch sehr unzuverlässig ist. Es sind quasi optimale Bedingungen, um Zeit mit sich selbst zu verbringen und eventuell an der Doktorarbeit o.ä. zu arbeiten.