Allgemeines
Die Organisation hat hervorragend geklappt! Man bewirbt sich als Unterassistent (alle Infos auf der Homepage), bekommt frühzeitig den Vertrag zugeschickt und bekommt auch im Voraus Details zum Start per Mail. Am ersten Tag wird man abgeholt, erledigt administrative Aufgaben und wird von einem erfahreneren UA durch das Haus geführt.
Wenn ihr am ersten Tag des Monats anfangt, gibt es zwei Einführungstage mit Vorträgen zur Spitalstruktur, Hygiene, Sicherheit etc. und einer Einführung in das IT-System (KISIM). Da die deutschen Tertia-Zeiten aber meistens nicht so fallen, hatte ich diese Einführung erst nach zwei Wochen, was unpraktisch war, weil man dann ein bisschen im Dunkeln tappt, was das IT-System angeht.
Man hat die Möglichkeit im Personalhaus zu wohnen (288 CHF/Monat). Von hier aus ist man in 5 min Gehzeit im Spital. Man hat ein eigenes möbliertes Zimmer mit Waschbecken und teilt sich Küche/Bad mit den anderen. Bettwäsche wird gestellt, Handtücher nicht. Bringt euch auf jeden Fall eigenes Geschirr, Besteck und Kochutensilien mit!
- Gehalt: Nach Abzug von allen Abgaben und Miete ca. 1280 CHF/Monat. Nicht erschrecken, der erste Lohn fällt geringer aus, weil noch so manche einmalige Abgabe abgezogen wird.
- Essen wird nicht gezahlt, man gibt täglich ca. 10-12 CHF fürs Mittagessen in der Mensa aus.
- Kleidung wird gestellt. Wenn man im Personalhaus wohnt, zieht man sich dort um und bekommt keinen Spind im Spital.
Arbeiten im Spital
- Pickett-Dienste: Wie üblich in der Schweiz nimmt man als UA an den Pickettdiensten teil. 1x/Woche oder auch mehr bei Personalmangel ist man wochentags ab 17 Uhr (also im Anschluss an den Arbeitstag) bis 7 Uhr des Folgetages in Rufbereitschaft. Zusätzlich hat man ca. 1x/Monat Freitag 17 Uhr bis Montag 7 Uhr Wochenendpickett, der dann mit zwei freien Tagen kompensiert wird. Ursprünglich wurde mir gesagt, man muss innerhalb von 35 min im Spital sein, aber das wurde wohl auf 1 h geändert (fragt lieber nochmal nach!). Man wird dann für eher größere Eingriffe gerufen, bei denen mehr als zwei Operateure benötigt werden.
- Dienstplan: Wird von einer sehr netten leitenden Ärztin organisiert. Den ersten Dienstplan kann man ca. 1 Monat im Voraus per Mail erhalten. Wenn ihr etwas Wichtiges im ersten Monat geplant habt, kommuniziert das frühzeitig! Ansonsten kann man oft noch mit den anderen Uns tauschen. Für 1 Tertial hat man 7 Urlaubstage, die nicht als Fehltage eingetragen werden.
- Arbeitszeiten: Im Vergleich zu Deutschland sehr lang. Ein Arbeitstag von 10 h Dauer war eher die Regel (man gewöhnt sich dran). Manchmal war man den ganzen Tag im OP eingeplant und hat auch keine Zeit fürs Mittagessen.
- Lehre: In der Chirurgie gibt es regelmäßig Fortbildungen für die Assistenzärzte. Ich persönlich fand sie eher wenig hilfreich/zu fortgeschritten für uns Studenten bzw. für die Examensvorbereitung. Cool fand ich aber den Nahtkurs, der angeboten wurde. Ansonsten gibt es eher informelles Teaching bei Visiten oder im OP, was dann natürlich sehr vom jeweiligen Arzt abhängt.
Abteilungen
Man rotiert ungefähr zu gleichen Teilen in Chirurgie, Orthopädie und Notaufnahme.
- Chirurgie: Beginn um 7.30 Uhr (2x/Woche um 7 Uhr bei Fortbildung oder Chefarztvisite) mit Morgenrapport, Ende variabel um 16-17 Uhr (außer man ist länger im OP). Man verbringt die meiste Zeit auf der Station; läuft auf Visite mit, schreibt die Verlaufseinträge und aktualisiert die Berichte. Ansonsten wird man im OP als zweite Assistenz gebraucht. Außerdem kann man auch in die Ambulanz/Sprechstunde gehen. Hier kann man eigene Patienten sehen und diktiert dann die Berichte.
Super nettes Team, besonders die Oberärzte und Leitenden sind toll! Die Assistenzärzte hingegen waren zwar auch größtenteils nett, wirkten aber sehr gestresst und waren mehr mit sich selbst beschäftigt. Das Spektrum von Allgemein-/Viszeral-, Gefäß- und plastische Chirurgie wird abgedeckt. Vereinzelt gibt es auch Thorax-Eingriffe.
- Orthopädie: Beginn um 7:15 Uhr (1x/Woche um 7:05 Uhr bei Fortbildung) mit Morgenrapport, Ende variabel nach dem Mittagessen oder bis 16-17 Uhr. Vormittags ist man meistens auf der Station, läuft bei der Visite mit und diktiert nebenher die Verlaufseinträge. Dann kann man noch die Eintrittsverordnungen für den nächsten Tag machen. Nach dem Mittagessen ist genügend Zeit, um bei Interesse in die Sprechstunden zu gehen. 1-2x/Woche wird man fast den ganzen Tag im OP gebraucht, besonders häufig bei Knie-TEPs oder Schulter-Eingriffen.
Das Team ist hier wirklich mega, der Umgangston total locker und die Stimmung gut! Es wird viel gelacht und die meisten erklären auch gerne. Im Morgenrapport kann es mal angespannter sein (die Assistenzärzte und teilweise auch die USA werden abgefragt) und der Chef wirkt anfänglich einschüchternd. Wer Orthopädie-interessiert ist, kann sich aber freuen, dieses Fach im Chirurgie-Tertial mitzunehmen!
- Notaufnahme: Als chirurgischer UA ist man für die 7 Uhr-Schicht eingeplant (meist bis ca. 16 Uhr), kann aber in Absprache auch mal nachmittags kommen. Am besten hängt man sich an einen Arzt der gleichen Schicht ran und macht die Fälle mit. Wenn man Eigeninitiative zeigt, darf man auch eigene Patienten übernehmen und direkt mit dem OA besprechen. Hier kann man viel Anamnese/Untersuchung und Berichte schreiben üben, außerdem noch Nähen, Schwindel-Tests und manchmal auch Sono. Die Notaufnahme ist interdisziplinär, man bekommt also auch viele internistischen Fälle mit.
Solothurn/Schweiz
Die Hauptstadt des gleichnamigen Kantons ist sehr schön an der Aare gelegen und bietet ein tolles Gebirgspanorama. Lest euch gern ein wenig ein (Stichwort „11“ in Solothurn), gibt ein paar interessante Geschichten zur „schönsten Barockstadt der Schweiz“. Für deutsche Verhältnisse ist die Stadt wirklich sehr klein und entsprechend ist auch wenig los. Man kommt aber super schnell nach Zürich, Basel oder Bern. Ein Ausflug auf den Weissenstein ist auch empfehlenswert!
- Sprache: Wer noch nie in der Schweiz war, wird es anfänglich schwer haben. Nicht nur die Aussprache ist anders, auch das Vokabular und teilweise die Grammatik entspricht nicht dem Hochdeutschen. Man hört sich aber mit der Zeit rein.
Fazit
Mir hat die Zeit in Solothurn sehr gut gefallen! Es war zwar wirklich sehr arbeitsintensiv, aber die Arbeit mit den tollen Menschen hat viel Spaß gemacht. Besonders die Pickett-Dienste unter der Woche (d.h. im Anschluss an einen normalen Arbeitstag) empfand ich als anstrengend, weil man teilweise nach einem 10h-Tag abends nochmal 2-3h in den OP gerufen wird. Die Wochenend-Picketts fand ich wiederum praktisch, weil man dadurch nochmal 2 Tage mehr frei hatte.
Wirklich positiv hervorheben möchte ich die Digitalisierung. Das einfache Ein-/Ausloggen am PC mit dem Badge spart so viel Zeit!
Wer wirklich viel Chirurgie machen will, dem würde ich aber eher eine andere Stelle raten, weil man nur ein Drittel der Zeit wirklich in der Chirurgie ist. Auch strukturierte Lehre (äquivalent zu PJ-Unterricht bei uns) habe ich vermisst. Am Ende konnte ich zwar recht passabel subkutan nähen, aber das habe ich hauptsächlich den Orthopäden zu verdanken. Ansonsten habe ich handwerklich relativ wenig gelernt (dafür, dass man 4 Monate da ist!).
Tipps
- Schaut, dass ihr einen Handy-Vertrag habt, der auch die Schweiz abdeckt. Einerseits ist mobiles Internet praktisch bei Ausflügen, andererseits müsst ihr während der Picketts über das Handy erreichbar sein.
- Halb-Tax: Zug fahren in der Schweiz ist praktisch, aber auch sehr teuer. Ich hatte das Glück, dass es gerade ein Probe-Halb-Tax-Angebot gab. Schaut euch rechtzeitig um, ob es irgendwelche Rabatte gibt, die ihr nutzen könnt.
- Fehltage: Einfach so fehlen, wie in Deutschland, geht in der Schweiz nicht. Wenn ihr zum Beispiel über Weihnachten oder zum Lernen gerne frei hättet, unterschreibt einen kürzeren Vertrag! Die fehlenden Tage können dann als Fehltage auf der Bescheinigung eingetragen werden. Ansonsten müsst ihr damit rechnen, dass ihr gerade über Feiertage eingesetzt werdet und Pickett leisten müsst.
- Wiederholt vorher nochmal theoretisch die Naht-Techniken und das chirurgische Knoten. Sonst habt ihr es schwer, überhaupt zum Üben zu kommen.