PJ-Tertial Psychiatrie in Universitaetsklinikum Marburg (9/2023 bis 12/2023)

Station(en)
5A, 2B
Einsatzbereiche
Station
Heimatuni
Frankfurt
Kommentar
Ich habe mein zweites Tertial in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKGM Marburg absolviert. Ursprünglich hatte ich geplant, mein Wahltertial in der Anästhesie zu verbringen. Als ich aber für mein PJ nach Marburg kam, stieß ich in der Einführungsveranstaltung zum ersten Mal auf Infos über das IPSTA-Programm (Interprofessionelle Ausbildungsstation). Da ich das Konzept interessant fand, habe ich mich angemeldet.
Mein PJ-Tertial begann auf der geschützten Station 5a, bevor es nach 8 Wochen auf die IPSTA ging (Station 2b).

Offiziell ist die 5a eine Station mit dem Schwerpunkt Suchterkrankungen, notfalls werden aber auch andere akut behandlungsbedürftige Patienten aufgenommen, die nicht offen stationär geführt werden können oder wollen. Da die Station eine für die Psychiatrie relativ hohe Patientenfluktuation hat, hat man durchaus auch die Möglichkeit, 2-3 Aufnahmen pro Woche zu üben.
Durch das Setting der Station hatte ich dort zudem die einmalige Chance, ein sehr breites Spektrum an Psychopathologien zu sehen und zu erkennen. Es kamen ja nicht nur Patienten mit Suchterkrankungen, sondern bspw. auch mit Schizophrenien, schweren (schizo-)affektiven Störungen und Persönlichkeitsstörungen.
Ich wurde dort sehr schnell in das Team aufgenommen. Durch gemeinsame Zeiten für Frühstück (und manchmal Mittagessen) gab es auch schnell einen leichten persönlichen Umgang. Es lagen reichlich Bücher zu Psychopathologien, Psychotherapien und Pharmakotherapie aus, sodass ich Zeiten, in denen weniger zu tun war, gut fürs Selbststudium oder die Vorbereitung auf Gespräche mit Patienten nutzen konnte. Der Stationsarzt hat sich immer gerne Zeit genommen, um meine Fragen mit mir zu besprechen.
Zudem hatte ich in den ersten 8 Wochen auf der geschützten Station auch einen Studientag pro Woche. Ich ging regelmäßig mit in die Suchtgruppe, die ich ein paar Mal auch selbst führen durfte, als die für die Station zuständige Psychotherapeutin in Ausbildung krank oder im Urlaub war. Die Gruppe war gut manualisiert, ich konnte mit der Psychologin die Themen vor- und nachbesprechen und fühlte mich gut dazu imstande, dort gelegentlich einzuspringen. Das war eine wirklich interessante Lernerfahrung! Nicht nur über Gruppendynamiken, tatsächlich auch einfach durch die Erfahrung der Patienten, die oft schon sehr lange mit ihrer Erkrankung kämpfen und viel Erfahrung mitbringen.
Einmal wöchentlich wurden Teamsitzungen durchgeführt, in denen auch meine Meinung zu Patienten gefragt und berücksichtigt wurde.

Für die zweite Hälfte des Tertials wurde ich dann in der IPSTA eingesetzt, die als Teil der Station 2B gedacht ist, einer Station mit einem Schwerpunkt auf der Behandlung junger Erwachsener.
Dort hatte einen Platz in einem Büro, das ich zunächst mit einer Psychotherapie-Masterstudentin und später mit einer Pflegeschülerin und einer anderen Psychotherapie-Masterstudentin geteilt habe.
Die Idee der Station ist, dass die Verzahnung der verschiedenen beteiligten Berufsgruppen (ärztlich, pflegerisch, psychotherapeutisch) aktiv geübt wird und möglichst eigenverantwortliches Arbeiten in einem eng supervidierten Rahmen ermöglicht wird.
Ich übernahm zunächst eine Patientin von der Master-Studentin, die bereits bei meiner Ankunft auf der Station war, sowie einen neu aufgenommenen Patienten.
Bei diesen Patienten konnte und sollte ich Diagnostik und Therapieplanung selbst in die Hand nehmen. Die Oberärztin nahm sich 2-3x/Woche nach der Frühkonferenz Zeit für das IPSTA-Team, um Anliegen, ob bezüglich der Patienten oder unser selbst, auch tiefer gehend besprechen zu können. Auch Gespräche mit den sehr erfahrenen Pflegekräften und den anderen Teilnehmern des IPSTA-Teams brachten immer wieder neue Ideen und Perspektiven auf, die ich selbst übersehen hätte. Gerade mit letzteren war die Vernetzung durch das gemeinsame Büro sehr leicht und automatisch, was wir selbst nicht klären oder entscheiden konnten, konnten wir aber immer an andere Ansprechpartner herantragen.
Es gab jede Woche mehrere Termine um sich psychotherapeutisch in Gruppen supervidieren zu lassen, zweimal die Woche wurden auf den Visiten sämtliche Patienten besprochen, meine IPSTA-Patienten dementsprechend auch selbstverständlich von mir als Behandler vorgestellt.
In einer wöchentlichen Teambesprechung wurden die Patienten auch zusammen mit dem gesamten therapeutischen Team besprochen, inklusive Bewegungs-, Physio-, und Ergotherapeuten. Die Psychologinnen auf Station haben sich auch immer gerne Zeit genommen, um Themen mit mir durchzusprechen und so kam ich eigentlich nie an den Punkt, wo ich nicht mehr weiter wusste. Dadurch dann selbst zwei Patienten psychotherapeutisch begleiten zu können war ein wirklich schönes Erfolgserlebnis! Die Erfahrung, die ich daraus mitnehmen durfte, weiß ich wirklich sehr zu schätzen und halte sie auch unabhängig vom angestrebten Facharzt für sehr wertvoll.

Zudem gab es regelmäßig nach der morgendlichen Frühkonferenz Fallvorstellungen mit folgender Diskussion sowie einen Journal Club, in denen man auch immer viel lernen konnte (auch wenn sie gelegentlich ausfielen).
Ich hatte außerdem die Möglichkeit, mir die EKT und rTMS anzuschauen, Verfahren, von denen ich bislang nur theoretisch in Vorlesungen gehört hatte. In den ersten Wochen fand auch eine regelmäßige Geriatrie-Fortbildung in Wehrda statt, an der ich teilnehmen durfte. Außerdem konnte ich die Gedächtnissprechstunde/ Long-Covid-Ambulanz besuchen.

Was ich auch nicht genug hervorheben kann, ist die Übung für das 3. Staatsexamen, die man hier bekommen kann. Wie in anderen Bereichen in Marburg auch werden hier 2 Mini-CEX durchgeführt, aber anders als in der Inneren Medizin oder Chirurgie hat man in den Aufnahmegesprächen reichlich Zeit, eine gründliche Anamnese sowie eine gründliche neurologische und körperliche Untersuchung zu üben. Die doch zeitlich sehr eingebundenen Stationsärzte sind auch froh über jede körperliche Untersuchung, die sich nicht selbst durchführen und protokollieren müssen, wenn man möchte, kann man also sehr viel üben.
Zudem bin ich hier öfter als im restlichen Querschnitt der Medizin auf neurologische Auffälligkeiten gestoßen, die man sonst nicht so oft zu sehen bekommt (bspw. Tardive Dyskinesien, Extrapyramidalmotorische Auffälligkeiten, katatone Symptome, Parkinson(-Syndrom)…) und fühle mich jetzt sicherer darin, sie zu erkennen.

Ein Problem aus meiner Perspektive war allerdings, dass der bisherige Stationsarzt der 2B kurz nach meiner Ankunft auf der Station ins Forschungsfrei ging und während des restlichen Tertials nicht mehr vor Ort war (außer für den ein oder anderen Dienst). Dadurch war die niedrigschwellige ärztliche Betreuung nicht mehr so leicht gegeben.
Es war zwar in den ersten paar Wochen meist die gleiche Ärztin vertretungsweise für die Station zuständig, diese hatte allerdings immer noch ihre eigene Station zu betreuen. Sie hat zwar getan, was sie konnte um sich für mich Zeit zu nehmen, zweiteilen konnte sie sich aber natürlich nicht. Und wenn sie nicht da war, kannten die Vertretungsärzte natürlich auch nicht die aktuelle Patientensituation und hatten selbst viel zu tun.
Im Endeffekt habe ich mich also bei „meinen“ IPSTA-Patienten um die Therapie gekümmert und mich mit der Pflegeschülerin abgesprochen, während ich an vielen Tagen für alle Patienten auf der Station der erste medizinische Ansprechpartner war.
Ich konnte zwar theoretisch immer jemanden kontaktieren (inkl. der Oberärztin, die das explizit angeboten hat), wenn ich etwas nicht entscheiden konnte oder wollte, die Hemmschwelle ist aber schon höher, als wenn es einen fest zuständigen Stationsarzt gegeben hätte.
Diese Situation konnte nicht leicht behoben werden. Ich habe für mich daraus geschlossen, dass es einfach sehr wichtig ist, frühzeitig anzusprechen, wenn man sich einer Aufgabe im PJ nicht gewachsen fühlt oder nicht das Gefühl hat, sie lösen zu können.
Ich denke schlussendlich aber auch, dass ein Konzept wie die IPSTA im PJ dann am besten funktioniert, wenn fest zuständige, niedrigschwellige Betreuung auf Stationsarztlevel durchgehend oder fast durchgehend gegeben ist, schließlich ist diese Position ja aus PJler-Perspektive das angestrebte Ziel.
Ansonsten ist krankheits- und organisationsbedingt leider immer wieder der PJ-Unterricht ausgefallen. Das wurde aber durch die zahlreichen im Alltag eingeschobenen Gespräche, mit denen Fragen jederzeit beantwortet wurden, mehr als wett gemacht.

Trotzdem ist das aber Kritik auf sehr hohem Niveau. Ich habe in keiner Famulatur und auch nicht in meinem ersten Tertial in der Chirurgie jemals das Gefühl gehabt, so viel eigenständig tun zu können (nicht nur zu dürfen oder sollen), ich fühlte mich sofort und stets als vollwertiges Teammitglied wertgeschätzt, es wurde sich gerne und umfassend um meine Anliegen gekümmert. Ich habe sehr viel mitnehmen können, nicht nur für meinen ärztlichen Bildungsweg, sondern auch an persönlicher Erfahrung. An keiner anderen Stelle im Studium konnte ich etwas über Psychotherapie lernen oder sie selbst üben. Die Kollegen waren durchweg freundlich und hilfsbereit. Ich habe hier auch einfach ein gewisses Selbstbewusstsein als Behandler bekommen und kann dieses PJ-Tertial nur jedem empfehlen!

Sonstige Infos:
Es werden ca 300 € Verpflegungsgeld von der Uni gestellt, die man sich nicht ausbezahlen lassen kann. Entweder, man fährt mit dem Fahrrad mittags in die Mensa am Erlenring, oder kann zwischen 12:00 und 12:30 an der Zahnklinik um die Ecke belegte Brötchen, Suppe oder ähnliches holen. Wenn man das nicht möchte (oder Geld übrig hat), kann man auch gegen Ende des Tertials sein restliches Geld im Bistro für Schokolade oder Essenseinladungen in die Mensa ausgeben.
Kleidung (Kittel und Hose) wird zwar von der Uni gestellt, muss aber auf den Lahnbergen abgeholt und zurückgegeben werden. Wird aber nicht unbedingt gebraucht, wer möchte, kann auch in Straßenkleidung arbeiten.
Unterricht
1x / Woche
Inhalte
Fallbesprechung
Sonst. Fortbildung
Patientenvorstellung
Bildgebung
Repetitorien
Prüfungsvorbereitung
Tätigkeiten
Patienten aufnehmen
Briefe schreiben
Blut abnehmen
Patienten untersuchen
Röntgenbesprechung
Braunülen legen
Botengänge (Nichtärztl.)
Eigene Patienten betreuen
Untersuchungen anmelden
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
1x / Woche frei
Tätigkeiten
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Kleidung gestellt
Mittagessen regelmässig möglich
Essen frei / billiger
Gehalt in EUR
400

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
2
Unterricht
2
Betreuung
1
Freizeit
1
Station / Einrichtung
1
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1.27