Vorneweg: Dieses Tertial abseits vom Schuss in den Tiefen der Normandie, fernab von Erasmus-Gemeinschaft etc. muss man wirklich wollen. Wenn man sich darauf einlässt, macht man einen tollen Sprung im Französischen (denn hier sprechen die Menschen, wenn dann ein bisserl deutsch, aber sicher kein Englisch) und kann auch medizinisch einiges lernen - sowohl auf unfallchirurgischer als auch internistischer Seite.
In der Notaufnahme in 'Monod', wie man das Krankenhaus kurz nennt, ist die internistische Seite (AMC) und die unfallchirurgische Seite (Ambulatoire) voneinander getrennt. Man kann sich oft aussuchen, auf welcher Seite man mitarbeiten möchte.
Im Ambu kann man lernen: Wundversorgung, Nähen, Untersuchungsmethoden der Gelenke (Schublade etc.) , Betreuen von Verkehrsunfällen, die nicht selten passieren
Auf der AMC kann man lernen: Status, EKG interpretieren, Notfälle evaluieren, erkennen, behandeln
Besonders positiv war für mich: Die Stimmung: es gibt kein Gebrülle, keine jähzorningen Ober- und Chefärzte, kein unnötiges Gezanke und Gekeife, sowohl Pflege und ärztliches Personal sind normale, nette und besonders höfliche Menschen. Vielleicht bin ich besonders vorgeschädigt und hatte Pech mit vormaligen Arbeitsstellen, aber mir ist das sehr aufgefallen. Natürlich gibt es auch mal ein Tratschen aber grundsätzlich kannst du damit rechnen, dass man dich wirklich respektiert und schätzt.
Schwierig war: Die Sprache. Mein Französisch war vor dem Aufenthalt nicht schlecht und ich konnte auch von Anfang an eigenständige Patientenanamnesen durchführen. Allerdings wird französisch dann schwer, wenn es kolloquial wird. Soll heißen, am Mittagstisch mit den französischen Kollegen versteht man dann kein Wort mehr. Bis sich das halbwegs verbessert hat, dauerte es die vollen 4 Monate meines Praktikums. Falls man eher schüchtern ist, empfehle ich hier ganz klar, schnell über den eigenen Schatten zu springen und sich irgendwie einzubringen - denn der Kontakt zu den Kollegen ist wichtig, ich habe außerhalb des Krankenhaus wenig Kontakte knüpfen können. Ausnahme waren WG und durch einen Surfkurs. Das bringt mich zum zweiten schwierigen Punkt:
Arbeitszeiten: Man arbeitet viel, nämlich 10h Schichten von 8.30 bis 18.30 mit Mittagspause. Dafür nur 4 Tage die Woche. Aber nach 4 Tagen 10h non stop französisch auf den Ohren brauchte ich jedenfalls erstmal 2 Tage Erholung, daher war zumindest am Anfang nicht viel Freizeitprogramm bei mir drinnen. Das hängt sicsherlich aber von der eigenen Persönlichkeit ab.
Zur sozialen Situation: In Frankreich ist man im PJ ein wenig ein Sonderfall. Denn in Frankreich ist man entweder intèrne (=Assistenzarzt, aber noch an der Uni eingeschreiben bis zum FA) oder extèrne (=Famulant). Ein Zwischending wie das PJ bei uns gibt es dort nicht. Man muss sich also seinen Platz suchen. Ich habe eng mit den intèrnes zusammengearbeitet, da diese auch Rotationen von 6 Monaten machen und einen ähnlichen Wissensstand wie ich hatten. Allerdings haben diese eben auch die Möglichkeit Untersuchungen anzumelden, zu verschreiben etc. was man selbst alles nicht hat, daher ist es nach einer Weile etwas frustrierend, dass man nicht eigenständig arbeiten kann. Die intèrnes haben regelmässigen Unterricht und Fortbildungen, an denen man teilnehmen kann und die teilweise sehr gut sind. Außerdem wohnen sie in einem Studentenwohnheim, das internat heißt und in dem regelmässig soirées veranstaltet werden. Hier kann man die spezielle französische Medizinerkultur kennenlernen und staunen ;)
Zusammengefasst, war es kein Zuckerschlecken. Die ersten 2 Monate waren recht hart, vor allem aufgrund der fremden Sprache, aber wenn man durchhält, kann man doch Fuß fassen und das französische System und die Kultur dort kennen, schätzen, vielleicht sogar lieben lernen. Der größte Schock für mich persönlich war ehrlichgesagt, wie schwer die französische Sprache ist. Nach 4 Monaten Totalkonfrontation reicht deren Kenntnis trotzdem meinem Niveau auf Englisch nicht das Wasser. Spaß macht sie aber trotzdem. Und es hilft extrem, dass kein Franzose erwartet, dass du gut oder besser sprechen solltest - man wird erstaunt sein, wenn du die einfachsten Sätze produziertst, wird dir Mut zu sprechen und dich unterstützen. Wenn du dein französisch verbessern willst, Frankreich kennenlernen, nebenbei noch medizinisch weiterkommen willst und etwas Durchhaltevermögen mitbringst, kann ich das Tertial empfehlen.
Zu Le Havre: Häßlich (meine Meinung) bzw. speziell, um positif zu bleiben. Le Havre ist eine Industriestadt, wurde nach der totalen Zerbombung durch die Briten im zweiten WK aus Beton von einem einzigen Architekten neu hochgezogen, was ihr einen einheitlichen, aber deswegen noch nicht hübschen, Look verleiht, der es geschafft hat sich als UNO Weltkulturerbe zu bezeichnen. Es ist keine Studentenstadt auch wenn es eine kleine Uni gibt, allerdings war ich selbst im Sommer da, wo es wirklich keine Studenten und damit wenig Gleichaltrige in der Stadt gibt. Dafür kann man im Sommer das Meer genießen, so wie die Schönheit der Normandie entlang der Küste. Die Natur entschädigt für die Mittelmäßigkeit der Stadt. Es gibt auch ein paar nette Bars, einen einzigen Klub meines Wissens nach. Also nix für Partyratten, aber natürlich kann man mit ein bisschen Eigeninitiativen ein paar lohnenswerte Ecken in Le Havre entdecken. Die Menschen sind übrigens extrem nett, höflich und interessiert (wie die meisten Franzosen (Pariser ausgenommen)).
Bewerbung
ca. 3-4 Monate vorher, geht alles relativ spontan solange man hartnäckig bleibt