Vorbereitung
Ich habe mein dreimonatiges Chirurgie-Tertial am Hospital Alma Máter (ehemals Clínica León XIII),
einem Lehrkrankenhaus der Universidad de Antioquia, absolviert.
Beworben hatte ich mich etwa 6 Monate im Voraus über das International Office der Medizinischen
Fakultät der UdeA (relacionesintermedicina@udea.edu.co). Es reicht eine formlose Anfrage an
diese E-Mail-Adresse zu schicken, woraufhin sie sich dann mit den benötigten
Bewerbungsunterlagen und -fristen melden. Zu beachten ist, dass Praktika in Krankenhäusern
immer nur für ganze Monate möglich sind, beginnend am ersten Werktag des Monats. Für mich fielen keine Gebühren an, da die UdeA eine Parteruni der Uni Gießen ist. Die andernfalls anfallenden Gebühren findet man auf der website der Medizinfakultät der UdeA.
Das geforderte Sprachniveau ist B2, nachzuweisen durch einen Test (der Spanischtest vom
Sprachzentrum der Uni wurde akzeptiert). Für Praktika im Krankenhaus würde ich das so auch
bestätigen. Ich hatte bereits vorher ein Auslandssemester an der UdeA gemacht und war deshalb
schon gut geübt und war auch sehr froh darum, da im Krankenhaus selbstständiges Arbeiten und ein
hohes sprachliches Niveau erwartet wird.
Ein Visum muss man in der Regel nicht beantragen. Man erhält von der UdeA ein
Einladungsschreiben, das man bei der Einreise vorzeigt und daraufhin vorerst eine Aufenthaltsdauer
von 90 Tagen bescheinigt bekommt. Vor Ablauf dieses Zeitraums kann man dann online bei
Migración Colombia eine Verlängerung von weiteren 90 Tagen beantragen, was bei mir problemlos
funktioniert hat.
Flüge findet man problemlos bei Airlines wie Avianca oder aireuropa.
Unterkunft
Die Unterkunftssuche gestaltet sich leider nicht leicht. Es ist in Kolumbien eher unüblich in WGs zu
wohnen, viele Studierende wohnen bei ihren Familien oder haben Einzelzimmer. Bei
Ausländer*Innen beliebte Stadtviertel sind Laureles, Estadio, oder El Poblado.
Ich habe mich allerdings für eine Unterkunft näher an der Universität / dem Krankenhaus
entschieden (Barrio Sevilla), die ich letzlich über AirBnB gefunden habe (eine Mischung zwischen
Touris und WG mit anderen Studierenden). Mir persönlich hat es dort sehr gut gefallen, da vieles in
Laufweite ist (Unicampus, Medizinfakultät, Hospital Alma Máter, Parque de los Deseos, Jardin
Botanico, Metrostation…). Diese Gegend hat allerdings nicht den besten Ruf und auch Studierende
meiden es in der Regel, dort nachts alleine unterwegs zu sein. Das liegt insbesondere daran, dass
dort nachts wenig los ist und es dementsprechend einsam ist. Ich habe mich insgesamt sicher
gefühlt, wenn man ein wenig aufpasst (auf der Straße kein Handy rausholen, zügig gehen und falls
möglich mit anderen Leuten zusammen unterwegs sein, nachts weitere Strecken mit dem Taxi
fahren).
Praktikum
Ich habe im Hospital Alma Máter drei Monate meines praktischen Jahrs in der Chirurgie
abgeleistet, davon zwei Monate in der Allgemeinchirurgie und einen Monat in der
Orthopädie/Traumatologie.
Als PJler (interno) in der UdeA hat man einen ganz anderen Status als in Deutschland. Man hat
deutlich mehr Aufgaben und wird fest im Team eingeplant. Dadurch hatte ich den Eindruck, dass
man viel lernt, aber auch unglaublich gefordert wird. Es gibt keinen Ausländer*Innen Bonus, man
hat kaum die Chance ein Wochenende frei zu bekommen.
In der Allgemeinchirurgie sind die Hauptaufgaben
- Morgenvisite: Man bekommt einige Patient*Innen zugeteilt, die man bis 7 Uhr morgens gesehen,
untersucht und eine Visitennotiz geschrieben haben muss. Dafür kommt man morgens in der Regel
zwischen 5:30 und 6 Uhr. Um 7 ist dann meistens ein Seminar / die Frühbesprechung. Danach geht
man mit den Professor*Innen auf Visite und stellt die Patient*Innen vor. Im Anschluss geht man
zusammen die Visitennotizen durch und macht Anforderungen für Untersuchungen etc.
- Chirurgie: Teilweise geht man (vor allem nachmittags) in den OP. Dort sind die Aufgaben ähnlich
wie in Deutschland (assistieren, Haken halten, …)
- Notaufnahmedienst: An manchen Tagen hat man Notaufnahmedienst (6 Uhr bis 19 Uhr). Dort ist
man mit einem/einer Assistenzärzt*In und einem/einer Professor*In für die Notaufnahme und
Konsile im Krankenhaus zuständig. Zu beachten ist, dass es in Kolumbien Urgentologos gibt, also
Fachärzt*Innen für Notfallmedizin. Diese sehen alle Patienten, machen die ersten Untersuchungen
und leiten sie dann an die verschiedenen Fachbereiche weiter. Es gibt also schon immer einen
Arztbrief zu den Patienten wenn man als Chirurg*in zu ihnen kommt.
- Nachtdienste: Man hat auch Nachtdienste, so ca. 2-6 im Monat. An diesen Tagen geht man auch
für die Morgenvisite (6- ca. 11h) ins Krankenhaus, hat dann frei und kommt um 19 Uhr wieder und
bleibt bis 7 Uhr morgens. Man ist mit Assistenzärzt*In und Prof für Notaufnahme, Konsile und ggf.
NotfallOPs zuständig. Den Tag danach hat man frei.
Arbeitszeiten: In der Allgemeinchirugie hat man ziemlich fordernde Arbeitszeiten, man ist
eigentlich jeden Tag spätestens um 6 da, und bleibt meistens bis 17 oder 19 Uhr, zusätzlich ca. einen
Nachtdienst pro Woche. Freie Tage gibt es kaum, je nach Besetzung im jeweiligen Monat. Bei mir
waren es zwischen einem und drei freien Tagen im Monat. An Feiertagen und Wochenenden muss
man arbeiten.
Orthopädie:
-Ähnliche Aufgaben wie in der Allgemeinchirurgie. Man hat allerdings keine Nachtdienste. Man
arbeitet an ca. 2 Wochenenden im Monat (nur Morgenvisite). Die übrigen hat man frei. Insgesamt
fand ich es dort deutlich angenehmer zu arbeiten. Die Profs sind insgesamt verständnisvoller und
Lehre spielt eine größere Rolle.
Insbesondere der Koordinator (Cristian) ist ein toller Mensch und super Dozent. Man lernt insgesamt wirklich viel und wird deutlich mehr gewertschätzt. Man kann viele praktische Aufgaben und super Betreuung übernehmen (Gipsen, Luxationen einrenken, im OP mitarbeiten, ...)
Alltag und Freizeit
Die Stadt hat unglaublich viel zu bieten. Endlose Kunst-, Kultur-, Feierangebote. Dazu am besten
im Reiseführer nachschauen oder googeln. Der Unicampus der Udea ist unglaublich toll, er ist
eigentlich wie eine kleine Stadt, mit vielen Veranstaltungen, Sport, … Ich kann sehr empfehlen sich
in einem Sportkurs der Uni anzumelden, dort lernt man auch super Studierende anderer
Fachrichtungen kennen. Versucht irgendwie freie Tage zu bekommen, oder plant davor oder danach
noch Urlaub ein um das Land kennen zu lernen (die Karibikküste, eje cafetero, Amazonas, …).
Fazit
Ich habe die Zeit in Medellín sehr genossen. Dies lag allerdings auch daran, dass ich dort schon ein
Auslandssemester gemacht hatte und dementsprechend schon viele Bekannte und Freund*Innen
dort hatte. Ohne diese Vorerfahrung stelle ich es mir ehrlich gesagt sehr schwierig vor bei den
Arbeitszeiten im Krankenhaus die Stadt kennen zu lernen und Kontakte zu knüpfen. Die
Arbeitszeiten sind heftig und man hat so gut wie keine freien Tage. Fachlich lernt man viel, die
Atmosphäre ist allerdings oft nicht gut (zumindest in der Allgemeinchirugie, in anderen
Fachrichtungen soll es anders sein), viele Ärzt*innen sind unglaublich gestresst, zeigen wenig
Interesse an Austauschstudierenden, und haben sehr hohe Erwartungen. Ich kann diese Klinik
zumindest in der Chirurgie also nur eingeschränkt empfehlen (wenn überhaupt eher in der
Orthopädie), man sollte sich wirklich gut überlegen, was man sich von dem Auslandsaufenthalt
erhofft. Andere Berichte zu PJ-Tertialen in dieser Klinik (siehe pj-ranking) scheinen damit übereinzu stimmen. Die Stadt und Universität sind toll und wenn man Zeit hat sie kennen zu lernen wird
man viele unvergessliche Erfahrungen machen.