PJ-Tertial Allgemeinchirurgie in Tupua Tamasese Meaole (1/2024 bis 4/2024)
Station(en)
ACH + Ortho
Einsatzbereiche
Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Station, OP
Heimatuni
Berlin
Kommentar
Bewerbung: ging erstaunlich unkompliziert über die Oceania University of Medicine. Die Sekretärin Maretta Reti ist auch super lieb und hilfsbereit (maretta.reti@oum.edu.ws) und nachdem ich auf meine anfängliche Anfrage 4 Wochen warten musste, gestaltete sich der restliche Kommunikationsweg meistens innerhalb von 24h (der Zeitunterschied zu Samoa beträgt +12h). Nachdem man offiziell angenommen wurde, muss man eine Reservierungsgebühr von umgerechnet 300 Tala = ca. 100€ überweisen (am besten in USD, AUD oder NZD da keine Bank in Samoanischen Tala überweisen kann). Danach bekommt man eine Bestätigung und ziemlich detaillierte Infos, wo man sich zu welchem Zeitpunkt einfinden soll und welche Dokumente sie noch brauchen. Wenn man dann vor Ort ist, muss man im Sekretariat noch 400 Tala elective fee und nochmal weitere 450 Tala für das Studentenvisa bezahlen (insgesamt also 1150 Tala = ca 380€). Alternativ gibt es auch noch die National University of Samoa, dort musste man nicht dieses Studentenvisa bezahlen; es kann aber sein, dass man nur noch über die OUM angenommen wird.
Krankenhaus: Das TTM ist ein Neubau, welcher von den Chinesen 2012 gebaut und finanziert wurde; allerdings macht es eher den Eindruck, als wäre es aus dem 70ern und niemals renoviert worden. Ehrlicherweise merkt man, dass die chinesische Billigbauweise sich nicht mit dem sehr tropischen Wetter verträgt. Es tropft gerne von der Decke und große schwarze Schimmelflecken sind auch keine Seltenheit. Ein sehr großer Pluspunkt ist, dass der OP klimatisiert ist, sodass man da freiwillig sehr viel Zeit verbringt. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Hygienesituation auf den Stationen für westliche Verhältnisse katastrophal ist. Es gibt irgendwo eine Packung XL Latexhandschuhe, die aber nur als Stauschlauch benutzt werden, Sprühdesinfektionsflaschen und Sicherheitsnadeln kennen sie gar nicht. Dafür benutzen sie von Braun desinfizierendes Handgel und für die BEs normale Kanülen (und lassen dann das Blut direkt in ein Röhrchen tropfen). Ich habe mich beim Flexülen legen und BEs deshalb stark zurück gehalten -> Nadelstichverletzungen sind hier wirklich relevant. Ich empfehle daher jedem seinen eigene Packung Handschuhe (1 reicht), Stauschlauch und 1x Sprühdesinfektion mitzunehmen. Außerdem muss man seine eigenen Kasacks von Zuhause mitnehmen -> sicherlich als großzügige Spende eurer Heimatuni ;). Ich empfehle 3 Stück mitzubringen (1 für Station, 1 für den OP -> es gibt keine OP-Kleidung, 1 als Reserve, wenn die anderen in der Wäsche sind)
Team/Station: Die Samoaner sind ein super freundliches Volk, die Schwestern waren super nett (bis auf die Oberschwester, aber eine gibts ja immer) und die Ärzte ebenfalls. Die ACH teilen sich mit den Orthos eine große Station und man kann sich als PJler super frei bewegen. Als "international student" haben sie sowieso keine Erwartungen an dich, aber wenn man sich einbringt, kann man sehr viel machen. Auf Station beschränkt es sich allerdings auf Aufgaben, die wir auch Zuhause machen BEs, BEs, BEs und Entlassungsbriefe handschriftlich schreiben. Nach der morgendlichen Visite, die meist gegen 8:00 beginnt und für chirurgische Verhältnisse sehr lange dauert, darf man immer die Consultants fragen, ob man mit in den OP darf. Darüber freuen sie sich auch und man darf auch sehr viel assistieren, wenn man möchte und wirklich Interesse zeigt. Für Chirurgiefans ist es sicherlich super spannend, weil hier alles offen operiert. Wenn man keine Chirurgiefee ist (wie ich), ist es aber auch kein Problem. Da sich niemand so richtig für dich verantwortlich fühlt, meckert auch keiner, wenn du um 12:00 die Biege machst. Wenn man nett fragt, kann man auch auf andere Stationen wechseln (ZNA, Gyn und Innere sind interessant). Letztendlich ist alles entspannt und für internationale Studenten gilt "alles kann, nix muss". Eine andere Studentin ist während ihrer PJ Zeit sogar für 10 Tage nach NZ geflogen und das war kein Problem. Aber das sollte man mit den Ärzten und nicht der Sekretärin klären :)
Wichtig zu wissen ist, dass die allgemeine Verkehrssprache unter den Ärzten und Pflegepersonal englisch ist, die Patienten aber meistens samoanisch sprechen und man somit häufig auf Visiten nicht so viel versteht.
Krankheitsspektrum: die Samoaner gehen sehr ungerne zum Arzt und am ehesten noch zum traditionellen Heiler, sodass man jedes Krankheitsbild in Extremformen zu sehen bekommt. Das ist allerdings fatal, weil sie sehr viel ungesund essen und sich prinzipiell nicht bewegen (was bei dem Klima aber verständlich ist). Daher hat man die ganze Spannbreite der kardiovaskulären Komplikationen auf den Stationen zu liegen. Darüber hinaus sorgen Hygienemangel und Luftfeuchtigkeit für extreme Wunden und Wundheilungsstörungen. Mamma-Ca und Schilddrüsen-Ca gibt es auch sehr häufig in Dimensionen, die es in Deutschland einfach nicht gibt.
Unterkunft: Es gibt 2 Unterkünfte (Outrigger, Lynns Getaway), wo eigentlich fast alle international students wohnen und die fußläufig zum KH sind. Ich hab bei Lynn geschlafen und kann es uneingeschränkt empfehlen. Es sind alle super lieb, das Frühstück ist gut, und alle Zimmer haben eine Klimaanlage und WLAN und es gibt einen Pool. Am günstigsten ist es im Gästehaus zu übernachten, da habt ihr eine eigene Küche und Wohnzimmerbereich. Es reicht auch vollkommen aus, die günstigste Option mit shared bathroom zu nutzen, da ich mir das Bad max. mit noch einer anderen Studentin geteilt habe. Zu Lynns gehört auch Karls Getaway (ein Kind von ihr), dieses ist zwar günstiger aber weiter den Hügel rauf und auf dem Weg zum KH gibt es wilde Hunde. Tagsüber machen sie eigentlich nichts, aber unangenehm sind sie doch und man kann von ihnen auch wirklich gebissen werden.
Leben auf Samoa: Samoa ist eine traumhaft schöne Insel, die es (im Gegensatz zu den Fischis) geschafft hat, ihre polynesischen Kultur zu erhalten. Man muss unbedingt mehrere Fia Fia nights (traditionelles Essen + Tänze) gesehen haben. Wenn man Glück hat wird man auch zum traditionellem Lunch am Sonntag eingeladen. Am Hafen von Apia gibt es auch einen Club und es lohnt sich echt, da mal vorbeizuschauen. Mit Berliner Technonächten hat das natürlich nichts zu tun, aber v.a. die Samoanischen Mädels geben alles auf der Tanzfläche. Lynns Unterkunft organisiert auch Ausflüge zu den Sehenswürdigkeiten. Ansonsten lohnt es sich fürs WE mit den anderen Studis ein Auto zu mieten und in den Süden zu den Traumstränden zu fahren. In Apia gibt es leider keinen Strand; man kann sich aber in ein Resort mit Ministrand schleichen und da wir weiße Europäer waren, sagt da auch niemand was (traurig, aber wahr). Zum Ausgleich haben wir immer etwas an der Bar getrunken. Insgesamt ist Samoa leider kein günstiges Reiseland. Das Zimmer hat ca 800€/Monat gekostet, frische Lebensmittel sind ca. genauso teuer wie in Deutschland, allerdings gibts davon nicht so viel. Neben Lynns ist direkt ein Supermarkt mit fairen Preisen und einem ATM, bei dem man sicher Geld abheben kann. Ohne Bargeld geht nämlich nix auf Samoa und der einzig andere ATM befindet sich eine Taxifahrt im Zentrum entfernt. Geld würde ich auch erst am Flughafen in Apia tauschen. Das ist deutlich günstiger als z.B. in Australien.
Fazit: Ich kann jedem empfehlen einen Teil seines PJs in Samoa zu machen. Idealer Zeitraum sind 8 Wochen, dann hat man genügend Zeit sich alles anzusehen und auch noch Puffer, falls das Wetter mal am WE nicht mitspielt. Wenn man länger da bleiben möchte, sollte man sich aber auf jedem Fall genügend Lesestoff oder Doktorarbeit mitnehmen, weil es sonst recht zeh und langweilig werden kann. Ich hatte genügend Zeit für etwas DA und M3-Vorbereitungen. Für Frauen ist es ein sehr sicheres Reiseland, man kann sich frei bewegen (nur die Hunde nerven etwas) und man macht auf jeden Fall tolle Auslandserfahrungen. Für mich (super behütet aufgewachsen) hat es sich wie eine Südafrikaversion in ultra light angefühlt. Wer chirurgiebegeistert ist und sich einbringt, wird definitiv viel lernen (bis auf Schuss- und Stichverletzungen, die hab ich nicht gesehen), ohne Angst zu haben, auf dem Weg ins KH umzukommen. Wenn man sich etwas vom Hygieneschock erholt hat, ist das KH auch nicht so schlimm. Die Ärzte wissen super viel, und die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist deutlich besser als gedacht. Die Menschen sind super lieb und wenn man Glück hat, ergattert man auch günstige Flüge nach Australien, NZ oder Fidschis, sodass sich der Tripp ans Ende der Welt lohnt.