PJ-Tertial Unfallchirurgie in Klinik Gut (3/2024 bis 6/2024)

Station(en)
Notaufnahme, orthopädische / unfallchirurgische Station
Einsatzbereiche
Notaufnahme, OP, Station, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde
Heimatuni
Giessen
Kommentar
Dies ist mein zweites Tertial gewesen, wobei ich das Erste je zur Hälfte in einer ZNA und einer kardiologischen Intensivstation einer großen Uniklinik verbracht habe.
Generell werden die PJler in der Schweiz als Unterassistenzärzte oder UHUs (wahrscheinlich die spaßige Abkürzung für Unterhund) bezeichnet. In meiner Zeit hier waren wir 2 – 4 UHUs.

Organisation und Einarbeitung:
Die vorausgegangene Organisation des PJs in der Klinik war sehr gut. Ich habe mich etwa 4 Jahre im Voraus beworben, generell ist eine Bewerbung 2 Jahre vorher empfehlenswert. Man erhält genaue Angaben, wo man an seinem ersten Tag wann erscheinen soll und wer die entsprechenden Ansprechpartner sind.
Der allererste Tag war dann doch etwas holprig, weil sich nicht so richtig um eine Einführung unsererseits gekümmert wurde. Zum Glück war aber das gesamte Team von Assistenzärzten über Pflege supernett und geduldig, sodass es mit „learning by doing“ dann ganz gut funktioniert hat. Das haben wir im Laufe des PJs aber auch offen angesprochen und es wurde daraufhin die Einführung verbessert.

Arbeitsumfeld und Team:
Das Arbeitsumfeld war ausgezeichnet. Es ist am Anfang etwas ungewohnt, aber es wird sich generell geduzt. Fast jede Person, die man neu kennenlernt, stellt sich einem direkt mit Vornamen vor und behält sich spätestens nach zwei Tagen wie man selbst heißt. Dadurch sind die Hierarchien flacher und man traut sich meiner Meinung nach mehr nachzufragen. Auch der Umgang mit den Chefs direkt wird so sehr angenehm.
Nach zwei chirurgischen Famulaturen in anderen Krankenhäusern ist die Stimmung im OP hier zum Vergleich eine ganz andere Welt gewesen. Es ist ein lockerer Umgang und man lernt, wenn man es denn möchte, super viel. Auch in stressigen Situationen war der Ton ruhig, unangebrachte Kommentare sind mir zu keinem Zeitpunkt aufgefallen.
Der Umgang mit der Pflege war ebenfalls sehr angenehm, wobei man betonen muss, dass diese hier top ausgebildet ist.
Allgemein fühlt sich das Team nach einer Zeit eher wie eine „große Familie“ an. Im privaten haben wir daher auch oft was mit Teilen des Teams unternommen. Es gibt sogar regelmäßige Ein- und Austrittsapéros mit Snacks aus der Küche und (viel) Prosecco. Aus Erfahrung würde ich hier aber nicht bis zum Schluss bleiben, wenn am man am nächsten Tag OP-Dienst hat.
Die Klinik an sich wurde erst im Januar 2024 fertiggestellt und ist wirklich sehr schön und gut ausgestattet.

Ausbildung und Betreuung:
Die fachliche Ausbildung war spitzenmäßig. Man lernt hier vor allem die Bereiche Orthopädie, Traumatologie und Sportmedizin, aber teilweise auch Innere/Kardiologie gut kennen. Es gibt Wochentags einen Rapport, in dem die Fälle vom Vortag mit Bildgebung kurz vorgestellt werden. Mittwochs geben die Assistenzärzte im Wechsel eine kurze Fortbildung mit anschließendem Feedback und Ergänzungen durch die Chefs. Etwa einmal pro Monat gibt es durch die Chefärztin vom Notfall eine ausführliche Fortbildung (ca. 1 Stunde) in verschiedenen internistischen und kardiologischen Themen.
Ab April war es in der Klinik aufgrund der Nebensaison sehr ruhig, sodass wir UHUs mit ihr sogar eine 1:2 Betreuung hatten. Hier konnten wir zum Beispiel unsere Doktorarbeiten vorstellen und die Präsentationstechnik verbessern oder in einem fortgeschrittenen EKG-Quiz nochmal vieles zusammen durchsprechen.
Gleichzeitig konnten wir in dieser Zeit im OP auch oft die 1. Assistenz übernehmen. In diesem Rahmen war es möglich beispielsweise Metallentfernungen teilweise selbst zu übernehmen, Sehnenanker einzusetzen oder bei Endoprothesen mal Bohrungen/PINs zu setzen. Der Operateur stand die ganze Zeit dabei und hat von sich aus, oder auf Nachfrage, die Operation erklärt. Auf Wunsch wurde mir auch weitergehende Lektüre zur Verfügung gestellt. Generell sind die Operationen für die Größe der Klinik überraschend vielfältig. Man lernt die Endoprothetik mit Knie-, Hüft- und Schulterprothesen, arthroskopische Eingriffe mit Bandplastiken, Rekonstruktionen und Stammzelltherapien, aber natürlich auch die akute Versorgung von Traumata sehr gut kennen. Zusätzlich gibt es noch einige sehr nette Belegärzte, sodass ich auch mal in die Hand-, Fuß-, oder Wirbelsäulenchirurgie reinschauen konnte.
Eines meiner persönlichen Ziele hier war es nach dem Tertial gut nähen zu können. Dabei hatte ich, trotz der oben genannten Famulaturen, leider wenig praktische Erfahrung am Patienten. Die OTAs waren hier aber überaus freundlich und geduldig. Man kann sich im örtlichen Metzger ein paar Schweinefüße zum Üben kaufen und darf dann schon sehr schnell selbst die Haut- und Subkutannaht übernehmen. Auch die Fasziennaht ist nach einiger Zeit möglich. Bei den Nähten handelt es sich vor allem um Donati-, Einzelknopf- oder Intrakutannähte.
Die Anästhesie in der Klinik umfasst Spinalanästhesie, lokale Nervenblockaden, Intubationsnarkosen und Schmerztherapie sowie Akupunktur. Hier kann man den Anästhesisten und ATAs viel über die Schulter schauen und jederzeit Fragen stellen, oder auch mal selbst mithelfen. In meiner Zeit hier gab es auch einen Fortbildungstag über airway management mit einigen Vorträgen und praktischen Übungen, bei denen man mit dem Anästhesiechef zusammen üben konnte.
Zusätzlich lernt man hier auch gut das Lagern der Patienten bei den verschiedenen OPs, wobei ich überrascht war wie komplex es doch teilweise ist.
Die Klinik ist außerdem großzügig bei Fortbildungen, sodass mir hier eine Radiologiefortbildung problemlos erstattet wurde.

Arbeitszeit und Aufgaben:
Die Arbeitsbelastung ist saisonal sehr unterschiedlich, die Arbeitszeit beträgt etwa 50 Stunden die Woche. Generell wird man als UHU eher als volle Arbeitskraft angesehen, dies bringt aber den Vorteil der klaren Aufgaben und größeren Verantwortung mit sich. Zumindest für mich war es viel schöner, als im deutschen PJ oft nur daneben stehen zu können.
Das Wochenende und Feiertage sind je nach Dienstplan normale Arbeitstage, dafür hat man dann aber unter der Woche frei. Bis Anfang März war noch recht viel Betrieb, was aber schnell nachgelassen hat und im April/Mai wurde es sehr ruhig (mit deutlich weniger Arbeitszeit). Ab Juni beginnt wieder die Sommersaison, welche vom Patientenaufkommen zwischen Neben- und Wintersaison anzusiedeln ist. Als UHU hat man entweder Tag- oder OP-Dienst, der Nachtdienst ist mit dem Umzug in die neue Klinik weggefallen. Im Tagdienst ist man in der Hochsaison bis 17 Uhr, aber manchmal auch 18/19 Uhr da, in der Nebensaison oder am Wochenende wird man oft viel früher nach Hause geschickt. Im OP kommt es sehr auf das Programm an, oft kann man vor 17 Uhr gehen, in der Hochsaison ist es in seltenen Ausnahmefällen aber auch bis 21 Uhr gegangen.
Im Tagdienst übernimmt man ab 7 Uhr die präoperative Versorgung (das Starten) der ersten Patienten mit Anamnese, einer kurzen körperlichen Untersuchung, oft auch Aufklärung über die Operation, sowie die Markierung und Überprüfung des OP-Gebietes mit anschließender digitaler Dokumentation. Im Laufe des Tages wird man dann immer mal wieder angerufen, um die nächsten Patienten zu starten. Wochentags gibt es eine Visite ab ca. 7:30 Uhr, bei der man freiwillig mitgehen kann und die Möglichkeit hat Fragen zu stellen. Am Wochenende beginnt diese je nach Dienstarzt zwischen 8 und 9 Uhr. Im Anschluss geht es auf den Notfall, einer kleinen (unfallchirurgischen) Notaufnahme mit 5 Kojen und 2 Schockraumplätzen. Hier lernt man das selbstständige Untersuchen von verschiedensten Gelenken, die Indikation für eine eventuell benötigte Bildgebung zu stellen, diese Anschließend zu Befunden (wobei MRT und CT immer noch extern von Radiologen befundet werden) und dem Patienten eine adäquate Therapie zukommen zu lassen. Anfangs geschieht dies natürlich nur mit Betreuung durch die Assistenzärzte, im Verlauf kann man aber fast alles selbstständig machen. Das Anlegen von Schienen, Gipsen, die Blutentnahmen oder IV-Zugänge werden hier komplett von der Pflege übernommen, man kann aber natürlich zusehen und mitmachen. Besonders spannend ist hier der Spagat in der Versorgung von sehr anspruchsvollen und/oder berühmten Patienten zu dem Bergbauern von Nachbartal, welcher eigentlich kaum etwas gemacht haben möchte (überspitzt ausgedrückt). Von den Chefs lernt man hierbei auch einen super Patientenumgang und wie man diesen das Gefühl gibt gut aufgehoben zu sein. Dabei ist mir hier besonders positiv aufgefallen, dass die Grundbehandlung für alle Pateinten sehr ähnlich ist.
Im OP-Dienst gibt es den 1. – 3. Dienst, wobei der 1. eher selten ist. Hier trifft man sich um 7 Uhr (7:15 Uhr in der Nebensaison) zum Rapport. Falls an dem Tag nur die 1. bzw. 2. Assistenz benötigt wird, kann man auch zuhause bleiben, es besteht allerdings eine Rufbereitschaft, in der man 30 Min. Zeit für die Ankunft hat. Am Wochenende beträgt diese 2 Stunden.
Abgesehen von den weiter oben erwähnten Aufgaben als Assistenz hilft man beim Einleiten, Lagern, Vorbereiten des OP-Saals (Bilder aufmachen etc.) und Reinigen am Ende mit.
Zusätzlich durfte ich in der Nebensaison die Station mehrere Tage betreuen. Dies war freiwillig und hat super viel Spaß gemacht, da von den 24 Betten nur recht wenige belegt waren und man viel Zeit für jeden Patienten hatte. Man lernt dabei z.B. die Vorstellung der Patienten in der Visite, sowie das Organisatorische außenherum und die Absprache mit Pflege/Physiotherapie. Dabei war der Dienstarzt jederzeit telefonisch erreichbar bei Schwierigkeiten.
Weiterhin betreut die Klinik, vor allem im Winter, einige teils weltberühmte Events mit. Hier kann man bei frühzeitiger Anfrage problemlos teilnehmen. Ebenfalls im Winter (aufgrund der dichteren Luft) ist es sogar möglich mit dem Helikopter der REGA mitzufliegen. Ganzjährlich darf man, nach Anmeldung, einen Tag bei der Rettung Oberengadin die Einsätze mitfahren.

Unterkunft und Verpflegung:
Die Klinik stellt für die UHUs eine eigene WG mit vier Zimmern zur Verfügung. Diese liegt mitten in St. Moritz Dorf (ca. 1 Min. von der Talstation Corviglia entfernt) und ist top ausgestattet. Auf unsere Anfrage wurden auch einige Dinge wie Töpfe, Pfannen und die Spülmaschine ausgetauscht. Waschmaschinen stehen kostenlos zur Verfügung. Für 500 CHF im Monat ist das Zimmer in dieser Lage unglaublich günstig. Durch die Verlegung der neuen Klinik in St. Moritz Bad würde ich empfehlen sich ein Bus Jahresticket (unter 25 Jahre für 130 CHF, kann am Ende zurückgegeben werden) zu kaufen oder das eigene Fahrrad mitzunehmen.
Die Verpflegung in der Klinik sucht seinesgleichen. Das Essen ist Restaurantqualität, sodass ich auch oft ohne Dienst zum Essen in die Klinik gefahren bin. Theoretisch kann man dort auch frühstücken und abendessen, dies habe ich allerdings nicht gemacht. Die Preise gehen von 10 CHF für Vegetarisches und Pasta bis 12 CHF für ein Fleisch-/Fischgericht und 3 CHF für ein Dessert. Super Kaffee (besonders im OP) gibt es überall kostenlos.

Freizeit und Sonstiges:
Obwohl die Arbeitszeiten im Vergleich zu Deutschland anfangs etwas hoch erscheinen, hatte ich dennoch sehr viel Freizeit. Bis Anfang April ist es zum Skifahren ein absoluter Traum. Das Skigebiet Corviglia liegt direkt vor der Haustüre und drei weitere Gebiete sind gut mit Bus oder Bahn zu erreichen. Es lohnt sich eigentlich immer eine Jahreskarte für ca. 800 CHF zu kaufen, welche für die gesamte Region auch im Sommer gilt. Beim Kauf muss man aber erwähnen, dass man in der Klinik Gut arbeitet und den Arbeitsvertrag vorzeigen, um diese günstigen Konditionen zu erhalten. Im Sommer kann man hier praktisch überall die Berge hochwandern und erlebt eine wunderschöne Natur. Für gute Wandertouren bietet es sich an einmal die einheimischen Mitarbeiter zu fragen. Mir persönlich hat es hier im Sommer sogar besser als mit dem vielen Schnee gefallen. An den zahlreichen Seen hier gibt es einige Grillplätze, welche von den Gemeinden mit kostenlosem Feuerholz versorgt werden. So kamen viele schöne Grillabende mit dem Team zusammen. Auf dem Silvaplanersee kann man auch gut Segeln oder Kitesurfen.
Falls man mit dem Auto anreist, sollte man die Straßen vorher auf Schneekettenpflicht prüfen. Ein Allrad ist auch von Vorteil. Das Parken ist leider seit diesem Jahr teurer geworden. Für einen Platz im Parkhaus werden 300 bzw. 450 CHF pro Monat fällig, für einen Außenplatz 180 CHF. Parkkarten kann man bei der Gemeindepolizei kaufen.
Die Lohnzahlung kann zwar auch auf ein deutsches Konto erfolgen, natürlich mit entsprechenden Gebühren, allerdings erhält man bei der UBS hier ein kostenloses Konto für zwei Jahre. Auch hier muss man die Klinik Gut als Arbeitgeber nennen. Woanders ist es als Deutscher mit Grenzgängerbewilligung sehr schwer in der Schweiz ein Konto zu eröffnen.
Es gibt zwei Fitnessstudios, jeweils im Bad und Dorf. Leider gibt es erst Vergünstigungen ab einem Jahrestarif, der Monatsbeitrag beträgt 80 CHF. Im Studio St. Moritz Dorf gibt es allerdings keine Schranken und man kann beliebig viele Probetrainings vereinbaren…

Fazit:
Mein PJ in der Klinik Gut in St. Moritz war für mich wunderschön. Man lernt in einem familiären, super sympathischen Team sehr viel, darf schon Verantwortung übernehmen und seine praktischen Fähigkeiten ausbauen. In Verbindung mit der malerischen Umgebung und den vielen Möglichkeiten für Outdooraktivitäten kann ich ein Tertial hier nur empfehlen.
Bewerbung
Ca. 2 Jahre
Unterricht
1x / Woche
Inhalte
Sonst. Fortbildung
Fallbesprechung
EKG
Tätigkeiten
Chirurgische Wundversorgung
Patienten untersuchen
Notaufnahme
Mitoperieren
Eigene Patienten betreuen
Untersuchungen anmelden
Röntgenbesprechung
Patienten aufnehmen
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Unterkunft gestellt
Mittagessen regelmässig möglich
Essen frei / billiger
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Kleidung gestellt
Gehalt in EUR
1500 CHF
Gebühren in EUR
500 CHF Wohnung, ca. 120 CHF Steuern

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
1
Unterricht
1
Betreuung
1
Freizeit
1
Station / Einrichtung
1
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1