PJ-Tertial Neurologie in The National Hospital for Neurology and Neurosurgery London (4/2024 bis 6/2024)

Station(en)
wechselnd
Einsatzbereiche
Station, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
Acht Wochen meines Wahltertials Neurologie habe ich in London am Queen Square Institute of Neurology / National Hospital for Neurology and Neurosurgery verbracht und es war eine in vielerlei Hinsicht aufregende und lehrreiche Zeit. Man sollte sich bewusst sein, dass die PJ-Zeit hier ganz anders abläuft als in Deutschland und das Krankenhaus sehr spezialisiert ist. Um einen ersten Einblick in die Neurologie zu bekommen, ist es vermutlich nicht das Richtige. Wenn man sich hingegen sehr für Neurologie interessiert und sein Wissen vertiefen will, ist es ein unglaublich spannender Ort.

Planung und Bewerbung
Mit der Planung meines Auslandstertials habe ich etwa 1,5 Jahre im Voraus begonnen. Anders als ein Studiumsaufenthalt im Fach Medizin kann man einen Platz als elective in Großbritannien vergleichsweise unkompliziert erhalten. Prinzipiell ist es möglich, über private Kontakte am Queen Square einen honorary contract zu bekommen. Das hat den Vorteil, dass man keine immensen Gebühren zahlen muss, hat jedoch für das PJ den entschiedenen Nachteil, dass einem keinerlei Dokumente im Namen der University College London (UCL) unterschrieben werden, und kommt somit für das PJ eigentlich nicht infrage. Die Bewerbung für das offizielle Elective-Programm der UCL erfolgt über folgenden Link und ist erstaunlich unkompliziert: https://www.ucl.ac.uk/ion/study/electives-medical-students
Innerhalb weniger Wochen erhielt ich eine vorläufige Zusage, dass ich einen Platz hätte, sofern ich bis einen Monat vor Beginn des placements weitere Unterlagen nachlieferte. Dazu gehörten vor allem ein Zertifikat eines der offiziellen Sprachtests (z.B. IELTS oder TOEFL, die genauen Anforderungen sind auf der Seite verlinkt), eine Referenz, Bestätigung der Heimatuniversität, ein erweitertes Führungszeugnis und der Nachweis über diverse Impfungen. Ein Quantiferon-Test wurde in meinem Fall am ersten Tag vor Ort über den Occupational Health nachgeholt. Insbesondere aber fällt für die Zeit eine Gebühr von £200/Woche an. Für eine feste Rotation von vier Wochen in die Neurochirurgie gelten noch einmal andere Preise. Während des placements ist man offiziell an der UCL eingeschrieben, was verschiedene Vorteile wie die Nutzung der Bibliotheken oder Teilnahme an universitären Veranstaltungen mit sich bringt. Der E-Mail-Verkehr läuft über die Koordinatorin Angela Alton, die sehr nett ist und bei jederlei Problemen weiterhilft.

Ablauf des PJ
Bei der Bewerbung ist es möglich aus einer Reihe von Unterdisziplinen Präferenzen anzugeben. Für jeweils vier Wochen wird man einem Team zugeteilt. Ich habe die ersten vier Wochen im Team „Neuromuscular“ und die zweiten in den Teams „Cognitve/Neuropsychiatry“ verbracht. Generell ist man jedoch recht frei in der Gestaltung seiner Zeit und wird explizit dazu angeregt, so proaktiv wie möglich zu sein und sich seinen eigenen Stundenplan zusammenzustellen. Die wesentlichen Bestandteile des Programms sind 1. die wards, wo man auf ward rounds mitgehen und bei den neuen admissions helfen kann, 2. die outpatient clinics, was in etwa den Ambulanzen in Deutschland entspricht und die es für alle erdenklichen Subspezialitäten gibt, 3. dem einmal pro Woche stattfindenden bedside teaching in Kleingruppen, das man sich jedoch selbst organisieren muss, und 4. diversen Vorlesungen, wobei manche für die Studierenden des 4. Jahres, andere für die junior doctors ausgelegt sind.
Exposure prone procedures (EPP) sind explizit für ausländische Studierende verboten, was einerseits bedeutet, dass man keinesfalls in Verlegenheit kommt, Blut abnehmen oder Nadeln legen zu müssen, man jedoch andererseits auch keine Lumbalpunktionen üben kann. Ein wesentlicher Unterschied zu Deutschland ist, dass Ärzt:innen keine Dienstkleidung tragen, sondern der Dresscode „smart casual“ vorschreibt. Das bedeutet beispielweise Stoffhose, Rock, Bluse, Hemd, Kleid. Jeans, T-Shirt und Turnschuhe sind explizit verboten. Je nach Persönlichkeit der/des consultant, wurde der Dresscode strenger oder lässiger ausgelegt, war jedoch immerzu eher elegant. Vor allem bei den Schuhen ist es ratsam, einen Kompromiss aus schick und bequem zu wählen, wenn man lange ward rounds überstehen will.
Die Organisation im Queen Square ist sehr anders als in Deutschland und ich brauchte zwei Wochen, um halbwegs die Abläufe zu verstehen. Für die meisten Unterdisziplinen sind die Patient:innen über mehrere Stationen verteilt und es gibt keinen festen Ort, wo man sein Team regelmäßig antreffen kann. Umso wichtiger ist es, sich von mindestens einer Person die Handynummer geben zu lassen, um sich an sein Team dranhängen zu können. Fast sämtliche Kommunikation läuft unter den Ärzt:innen über WhatsApp. Meiner Erfahrung nach sind die allermeisten sehr motiviert, einem etwas beizubringen, wenn man da ist. Man muss sich jedoch aktiv darum kümmern, da zu sein, wo die Dinge passieren.
Teaching hat auf allen Hierarchie-Ebenen einen großen Stellenwert. Die jeweils erfahrenere Person fragt wohlwollend die etwas weniger erfahrenen Person ab. Das Highlight der Woche ist die donnerstags stattfindende Gowers Round. Dafür kommt fast das gesamte Krankenhaus zusammen. Gehalten wird sie von wöchentlich wechselnden consultants, die mit ihrem Team zwei Fälle vorbereiten. Wenn man Glück hat, sind die Patient:innen sogar live vor Ort und werden voruntersucht. Die anderen registrars, also Ärzt:innen, die sich in Facharztweiterbildung befinden, werden zum Fall ausgefragt und es entsteht eine rege Diskussion, an der sich auch andere consultants beteiligen. Lohnenswert sind auch die vielen anderen Besprechungen, die über die Woche verteilt stattfinden, wie etwa die Röntgen-Demos, MDT-Meetings (multidisciplinary team) oder die Klinsch-pathologischen Konferenzen (CPC).
Während meiner Zeit habe ich vor allem Anamnese und körperliche Untersuchung in all ihren Feinheiten lernen und üben können. Es ist völlig selbstverständlich, dass die consultants auf den ward rounds selbst immer wieder ihre Patient:innen untersuchen. Das war für mich eine tolle Gelegenheit, eine erfahrene Person dabei beobachten zu können, wie sie die Untersuchung je nach Fall anpasst und was es für über das übliche Lehrbuchwissen hinausgehende Tests noch gibt. Immer wieder ist mir außerdem positiv aufgefallen, wie sehr hier in Leitsymptomen und Systemen gedacht wird. Ich habe mich oftmals dabei ertappt, wie ich schon über mögliche Differenzialdiagnosen nachgedacht habe, während noch die sorgfältige Untersuchung und Lokalisation des Problems im Vordergrund standen. Auch die Vorlesungen waren sehr praktisch orientiert und sollen die Studierenden auf ihre foundation years vorbereiten (nach Erhalt der Approbation rotieren die jungen Ärzt:innen zwei Jahre durch die verschiedensten Fachrichtungen). In Deutschland wird sich meiner Erfahrung nach in den Vorlesungen oftmals auf die Pathologie fokussiert. Der goldene Weg mag sicherlich dazwischen liegen; für mich war es jedoch eine große Bereicherung, das bisher gesammelte theoretische und pathophysiologische Wissen noch einmal in systematischer und praxisorientierter Weise zu verknüpfen.
Das Queen Square ist ein nationales Referenzzentrum für neurologische Erkrankungen, weshalb man dementsprechend viele Kolibris sieht, die man womöglich nie mehr sonst antreffen wird. Gerade wenn man sich für Neurologie interessiert, ist das eine tolle Chance. Darüber hinaus finden immer wieder internationale Konferenzen vor Ort statt, an denen man als Studierende in der Regel kostenlos teilnehmen kann.

Fazit
Ich habe die Zeit in London am Queen Square sehr genossen. Fachlich habe ich sehr viel lernen können – nicht nur was die Neurologie, sondern auch was Medizin im Allgemeinen betrifft: wie ich an Fälle herangehe, mit welchem Fokus ich untersuche, wie ich zu einer fundierten Diagnose komme. Außerdem ist es eine große Chance, einmal ein anderes Gesundheitssystem von innen kennenlernen zu dürfen.
Da man in England hinsichtlich der EPP und der Einbindung ins Team eingeschränkt ist, ist es ratsam, einen Teil des Wahlfachs in Deutschland zu absolvieren. Für mich war diese Kombination ideal und ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, an einem der renommiertesten neurologischen Häuser der Welt Neurologie lernen zu dürfen.
Bewerbung
1,5 Jahre im Voraus über https://www.ucl.ac.uk/ion/study/electives-medical-students (s.o.)
Unterricht
5x / Woche
Inhalte
Bildgebung
Sonst. Fortbildung
Fallbesprechung
Tätigkeiten
Patienten untersuchen
Poliklinik
Patienten aufnehmen
Röntgenbesprechung
Dienstbeginn
Nach 8:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
Frei verfügbar
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich
Gebühren in EUR
200 Pfund / Woche

Noten

Team/Station
2
Kontakt zur Pflege
2
Ansehen des PJlers
2
Klinik insgesamt
1
Unterricht
1
Betreuung
1
Freizeit
1
Station / Einrichtung
1
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1.2