PJ-Tertial Chirurgie in Klinik Gut (5/2024 bis 9/2024)
Station(en)
Ortho/Unfall
Einsatzbereiche
OP, Station, Notaufnahme
Heimatuni
Regensburg
Kommentar
Das Tertial an der Klinik Gut war mein erstes Tertial und ich habe es mir als Chirurgie-Tertial anrechnen lassen (man kann es auch als Wahlfach Ortho anrechnen lassen). Ich muss gleich vorneweg sagen, dass ich prinzipiell nicht besonders Chirurgie-interessiert in das Tertial reingegangen bin, und ich schlussendlich trotzdem total begeistert von dem Tertial bin und ich es wirklich als die bisher schönste Zeit meines Studiums bezeichnen würde.
Am ersten Tag habe ich direkt meinen Computerzugang usw. bekommen und es gab sogar schon ein beschriftetes Fach für mich im Arztzimmer. Auch haben sich ein paar Notfall-Pfleger regelrecht darum gestritten, wer mir eine Hausführung geben darf :) Alles in einem habe ich mich direkt sehr willkommen gefühlt. Ich habe als einzige PJlerin (in der Schweiz als UHU bezeichnet) in meiner Tertialrotation angefangen und wurde hauptsächlich von den beiden anderen UHUs eingearbeitet, die schon seit 10 Wochen da waren. Die Einarbeitung war sehr gut und ich habe versucht, die UHUs, die während meiner Zeit neu gekommen sind, auch genauso gut einzuarbeiten. Prinzipiell ist immer ein UHU im Tagdienst und ein UHU als OP-Assistenz eingeteilt. Die wichtigste Aufgabe im Tagdienst, die man selbständig als UHU abarbeiten muss, ist die Aufnahme der Patienten, die zur OP kommen. Das heißt Anamnese (Vorerkrankungen, Medikamente, Allergien...), die OP-Aufklärung (wobei die meisten Patienten schon ziemlich gut bescheid wissen aus ihren Sprechstundenterminen beim Operateur) und die körperliche Untersuchung. Wenn man sich bei etwas nicht sicher ist, kann man jederzeit den Assistenzarzt oder die Anästhesie fragen. Meistens gibt es so 2-4 Patienten, die aufgenommen werden müssen, sodass man den Rest des Tages zusammen mit dem Assistenzarzt der Tagdienst hat, im Notfall verbringt. Hier hat es mir persönlich am besten gefallen und ich hatte das Gefühl, dass ich am meisten gelernt hab. Es kommen keine Polytraumen in dieses Krankenhaus, aber gerade die unfallchirurgischen Grundlagen (OSG-Distorsionen, Knie-Distorsion, Schulterlux, diverse Extremitäten-Frakturen, Wundversorgung...) kann man hier wirklich supergut lernen und man darf man auch sehr viel selbständig arbeiten. Die Notfall-Pflege ist auch extrem kompetent (machen z.B. auch die Röntgenbilder) und die Zusammenarbeit macht richtig Spaß. Wenn man Zeit hat, lohnt sichs auch Mal, mit der Pflege zum Gipsen, Röntgen etc. mitzukommen. Da es in dem Krankenhaus nur die Ortho/Unfall gibt und keine anderen Fachrichtungen, kann es durchaus auch vorkommen, dass man auch Mal einen Patienten der mit Brustschmerzen in die Notfall kommt, erstversorgen muss. Die Leiterin des Notfalls ist eine Kardiologin und Sportmedizinerin, und wenn man Interesse zeigt, kann man hier auch Einiges an Innere/Kardiologie mitnehmen.
Die andere Aufgabe des UHUs ist natürlich die OP-Assistenz. Operiert werden u.a. Knie-, Hüft- und Schulterprothesen, Frakturen von Extremitätenknochen, einfachere Umstellungsosteotomien, Arthroskopien... Freitags operiert eine Handchirurgin und ab und zu kommen Belegärzte, die auch Wirbelsäulenchirurgie, Fußchirurgie etc. machen. Teilweise ist man von Anfang an als 1. Assistenz eingeteilt (es gibt 2 OP-Säle und man kann sich immer mit der anderen OP-Assistenz, die i.d.R. ein Assistenzarzt macht, absprechen, wer in welchen OP-Saal geht). Ich hatte am Anfang echt Angst vor dem OP, weil ich im Studium eher negative Erfahrungen gemacht habe, aber ich habe mich nach kurzer Zeit sehr wohl im OP gefühlt. Einige OTAs waren am Anfang noch ein wenig streng und natürlich habe ich auch erstmal was unsteril gemacht, aber die Stimmung war insgesamt eigentlich sehr locker und man hat sich schnell wohl gefühlt. Vor allem auch, weil man wegen der Größe des OPs sehr schnell alle kennengelernt hat. Während der OP hat man natürlich hauptsächlich Haken gehalten (angenehm ist, dass die OPs hier relativ kurz sind, meist nicht länger als max. 1,5h), durfte aber immer Mal wieder auch irgendwo draufhämmern, etwas bohren, Schrauben entfernen etc. Zunähen durfte man von Anfang an eigentlich fast immer, mir wurde von einer OTA auch direkt die Subkutannaht beigebracht und zum Schluss durfte ich auch öfters die Fasziennaht machen. Die Operateure sind auch alle sehr nett und geduldig und erklären einem gerne alles, wenn man Interesse zeigt. Ich hatte so gut wie gar kein Ortho/Unfall-Vorwissen und es war kein Problem. Da der OP so klein ist, machen alle alles. Das heißt, dass z.B. auch alle beim Lagern mithelfen. Davon hatte ich am Anfang gar keine Ahnung, aber es gibt einen super Lagerungspfleger, von dem man echt viel lernen kann und ich fand es auch echt gut, da so mit einbezogen zu werden und es war ein gutes Gefühl, nach kurzer Zeit auch gut mithelfen zu können. Prinzipiell lagern aber alle, die Zeit haben, d.h. vom Anästhesie-Chefarzt über den Operateur bis zum Lagerungspfleger und UHU. Das gleiche gilt eigentlich für das Umlagern des Patienten und Putzen nach der OP. Ich fands sehr schön zu sehen, wie hier alle zusammenarbeiten und jeder das macht, was es noch zu tun gibt (Putzen vom Saal-Boden, Lagerungsmaterial, Tisch vorbereiten...). Der schnellste bei der ganzen Sache ist der Anästhesie-Chefarzt und wenn er da ist, hat man eh fast keine Chance, noch Arbeit abzubekommen ;) Ich als Anästhesie-Interessierte fand es auch cool, bei den Einleitungen viele Regionalverfahren mitzubekommen, es werden sehr viele Spinale und Nervenblöcke gestochen.
Zu den Arbeitszeiten: Sehr ausschlaggebend ist hierbei die Jahreszeit in der man da ist. Am Anfang meiner Zeit (Mai) war gefühlt die Hälfte des Personals im Urlaub, alle Hotels im Ort waren geschlossen, und auf Station lagen in meiner ersten Woche 2-5 Patienten. Dementsprechend war sehr wenig los und ich konnte auch oft früh gehen. Wenn dann auf dem Notfall mehr los war, bin ich aber auch immer gerne lang geblieben. Wenn man OP-Dienst hat, hat man nach dem geplanten OP-Programm (oft schon mittags fertig) bis am nächsten Tag um 7 in der früh noch Rufdienst und muss innerhalb von 2h in die Klinik kommen können (hier herrschte während meiner Zeit Unklarheit, ob es 30min oder 2h sind, im Zweifel sprach man das aber einfach mit dem diensthabenden Operateur ab und bei mir hieß es dann immer 2h). Ich wurde während meiner ganzen Zeit aber kein einziges Mal nochmal in die Klinik gerufen. 1-2 Mal im Monat hat man auch Rufdienst am Wochenende, hier gab es auch ab und zu tatsächlich OPs. Da man aber auch 2h Zeit hatte um in die Klinik zu kommen, konnte man trotzdem Einiges unternehmen. Das Ganze schaut aber während der Wintersaison - Erzählungen nach zu urteilen - ganz anders aus. Hier steht man wohl oft bis Abends im OP und hat im Rufdienst auch nur 30min Zeit um zu kommen (Skifahren kann man wohl trotzdem ganz gut, weil die Piste fast direkt zum Krankenhaus führt ;). Das kann ich aber alles nur aus Erzählungen beurteilen. Fest steht aber, dass man im Sommer definitiv mehr Freizeit hat und da wir zeitweise sehr viele UHUs waren, hatte ich auch sehr viele Tage frei und konnte die tolle Umgebung genießen. Ich war viel Rennradfahren, Bergsteigen, Klettern, etc. Schön fand ich, dass immer nur so viele UHUs eingeteilt wurden, wie auch Sinn gemacht haben, und der Rest einfach frei hatte und nicht nur zum Zeit absitzen in die Klinik musste, so wie es vermutlich in Deutschland der Fall wäre...
Man wohnt in einer UHU-WG, die echt top ist (500CHF im Zentrum von St. Moritz ist wirklich ein Schnäppchen) und wir haben auch oft was zusammen mit den Assistenzärzten unternommen (grillen, wandern, am See chillen...). Ich habe mich von Anfang an sehr gut integriert gefühlt und habe den kühlen Sommer im schönen Engadin echt sehr genossen.
Insgesamt kann ich das Tertial an der Klinik Gut also wirklich sehr empfehlen, sowohl für Ortho-Interessierte (die Operateure haben wirklich ein sehr hohes Niveau und es kommen viele Patienten von weit her), als auch für Ortho-Uninteressierte, die motiviert sind, die Grundlagen zu lernen.
Die Kritikpunkte aus den negativen Bewertungen einiger vor-UHUs konnte ich absolut nicht nachvollziehen, allerdings kann ich natürlich nicht beurteilen, ob sich in der Zwischenzeit vielleicht aufgrund der schlechten Bewertungen was geändert hat.
Der einzige Kritikpunkt, der mir aufgefallen ist, ist dass man manchmal die Morgenbesprechung und auch die Visite verpasst, wenn man direkt in der früh Patienten für OPs aufnehmen muss. Das habe ich auch angesprochen und evtl. wird in der Zukunft etwas an dem Ablauf geändert.