Am Spital der Flurystiftung in Schiers zu arbeiten ist grundsätzlich eine sehr intensive Zeit. Es ist ein sehr kleines Haus mit einem Chefarzt (Chirurg), zwei chirurgischen Oberärzten (einer davon Orthopäde), etwa vier chirurgischen Assistenzärzten und unterschiedlich vielen Unterassistenten/PJlern. Die Assistenzärzte hier sind meist am Anfang ihrer Karriere, da das Spital nur eine einjährige Weiterbildungslizenz hat. Es gibt drei OP-Säle, meist werden nur zwei parallel betrieben. Dennoch ist der Patientenumsatz enorm, laut einem Oberarzt ist es nach dem Kantonsspital in Chur das Spital mit den höchsten Fallzahlen in Graubünden und die Bandbreite unterschiedlicher Operationen durch einige Belegärzte (Neurochirurgie, Urologie, Gynäkologie, Plastische, Gefäßchirurgie, Ophthalmologie) wirklich groß.
Häufige elektive OPs: Leisten-TEP, Sigmaresektion, Cholezystektomie, Hüft- und Knie-TP, Knie-Arthroskopien, Schulter-Arthroskopien, Dekompressionen, Cage-Implantationen und kurzstreckige Wirbelsäulen-Versteifungen, Hysterektomien, Bauchdeckenstraffung, Crossektomien, PTAs, Katarakt-OPs.
Häufige Notfall-OPs (im Winter!): distaler Radius, Weber-Frakturen, Humeruskopf, Schenkelhals, Fix-ex-Anlagen bei komplexen Unterschenkelfrakturen, Appendizitis, Sectios (ja, hier assistiert man auch als erste Assistenz, und fun fact, der Gyn-Chefarzt ist auch Notarzt).
Die Unterassistenten sind tatsächlich viel häufiger im OP als die Assistenzärzte und auch immer die erste Assistenz. Das bedeutet auch, man führt die Kamera bei Laparoskopien, darf auch mal selber einen laparoskopischen Zugang machen und auch mal tackern oder nähen (das hängt natürlich sehr vom Chirurg ab, der Chefarzt lässt sehr wenig machen und erklärt auch extrem wenig). Die beiden Oberärzte und die Belegärzte erklären aber viel bei den OPs und sind sehr nett und lustig. Das restliche OP-Personal ist im Vergleich zu Deutschland sehr, sehr nett. Etwas merkwürdig ist nur, dass man als UA nach der OP und nach dem Umlagern immer den OP-Tisch/die ganzen Stützen&Kissen putzen muss, während das Reinigungspersonal daneben steht. Das soll sich aber bald ändern.
Man ist hier als UA immer auf Station eingeteilt und trägt sich dann eigenständig in die OPs ein, die Assistenzen brauchen. Der Stationsdienst beginnt um 07:30 Uhr mit dem Morgenrapport und endet dann, wenn alle Aufgaben erledigt sind, was in den Wintermonaten (mehrere Skigebiete, Davos Klosters und Grüsch super nah) recht spät ist, so gegen 17-18 Uhr. Mein längster Tag war 15 Stunden lang. Auf Station bereitet man die Austritte vor (Rezepte, Mediplan, AUF, Brief schreiben, Rehaantrag schreiben) und die Eintritte (mit Hausärzten telefonieren für Vordiagnosen, Medipläne), dokumentiert die Visite mit und verordnet Röntgenbilder oder Blutentnahmen. Das IT-System ist das INESkis und recht verschachtelt.
Wenn es genug UAs gibt oder die Notaufnahme überläuft, darf man auch dort in der Notaufnahme im Früh- oder Spätdienst arbeiten. Dann macht man noch Pikettdienste, also unter der Woche Rufbereitschaft für den OPS und am Wochenende ist man als Pikettdienst tatsächlich alleine Stationsarzt, macht die Visite selber, entlässt Patienten, und managet alles was dann eben so auf Station geschieht ;) Und man ist zusätzlich dann auch noch die OPS-Rufbereitschaft! Das ist beim ersten eigenen Wochenende ganz schön beängstigend, man kann aber natürlich jederzeit den diensthabenden Oberarzt (was in 1/3 der Wochenenden natürlich der Chefarzt ist) anrufen. Und man lernt so wirklich extrem viel in kurzer Zeit, da man ja komplett selbstständig arbeitet. Praktisch ist auch, dass die Pikettdienste extra vergütet werden, unter der Woche 50 CHF und am Wochenende 100CHF pro Dienst. Übrigens: Blut abnehmen oder Zugänge legen muss man in der Schweiz grundsätzlich nicht, das macht die Pflege hier.
Ansonsten gibt es noch jeden Tag einen Röntgenrapport mit der Radiologin außer mittwochs, da gibt es stattdessen immer eine EKG-Fortbildung für alle UAs (sehr empfehlenswert). Im Röntgenrapport stellt man als UA alle Patienten vor, von denen irgendwelche Bildgebungen gemacht wurden, und die Radiologin zeigt dann nochmal den Befund. Jeden Nachmittag gibt es um 15:45 Uhr einen Nachmittagsrapport, der damit beginnt, dass das OP-Programm für den nächsten Tag vorgelesen wird. Bis dahin muss man sich also mit seinem Kürzel und seiner Telefonnummer (jeder UA bekommt ein eigenes Telefon) in den Plan eingetragen haben, sonst gibt es Ärger von der Bettendisposition ;). Danach wird dann das restliche Stationszeug besprochen. Dienstag gibt es noch um 16:30 Uhr Journal Club (da sind auch die UAs dazu aufgerufen, Paper nach eigener Wahl vorzustellen) und um 17 Uhr Tumorboard. Donnerstag ist nachmittags meist noch eine Fortbildung, immer von anderen Ärzten, auch von den Belegärzten.
Es gibt einen verpflichtenden Einführungstag jeden Monatsbeginn. Da ich an die deutschen Tertialzeiten gebunden war und mitten im Monat angefangen habe, musste ich mich um alles selber kümmern (Garderobenschlüssel für Spind, wo sind die Umkleiden, Telefon organisieren, IT-Zeug) und den Einführungstag (da verpflichtend) dann nachholen. Zum Glück hat eine weitere UA mit mir zusammen angefangen und wir haben das dann zusammen gerockt. Wir haben auch für das verschachtelte IT-System einen Leitfaden geschrieben zum How-to-Briefe schreiben im INESkis, der liegt in einem roten Schnellhefter im Arztzimmer.
Freizeit: mittwochs wird eine Turnhalle aufgeschlossen zum "Spitalsport". Wandern und Skifahren ist aber super, für Wanderfreude kann ich den Aufstieg in Fanas sehr empfehlen. Das Prättigau gibt landschaftlich echt viel her.
Fazit: man lernt hier sehr viel, nicht durch Teaching, sondern durch die hohe Verantwortung, da man eigentlich den Assistenzärzten fast gleich gestellt ist. Die Tage sind lang und abwechslungsreich. Der Chefarzt hat einen speziellen Charakter, dies wird durch die netten Oberärzte ausgeglichen. Ich war ein halbes Tertial da und würde wieder für 2 Monate hin, aber nicht für volle 4 Monate, da das chirurgische Teaching dann doch zu kurz kommt und man wegen der langen Tage im Winter auch danach nicht mehr zum lernen kommt.
Bewerbung
1,5 Jahre vorher per Mail (zu diesem Zeitpunkt gab es eine Stellenausschreibung auf der Homepage), es sind hier aber meist auch sehr kurzfristig noch Plätze frei (andere UAs hatten sich 1,5 Monate vorher beworben).