PJ-Tertial Allgemeinchirurgie in Kreisklinik Prien (8/2009 bis 10/2009)
Station(en)
C2
Einsatzbereiche
Station, OP, Notaufnahme
Heimatuni
LMU Muenchen
Kommentar
Chirurgie war (ob schlechter Erfahrungen während meines Blockpraktikums an der Uni) mit Sicherheit immer das PJ-Tertial, auf das ich mit der geringsten Vorfreude blickte; doch in Prien durfte ich -wider alle chirurgischen Befürchtungen und gemäß den Bewertungen, die andere PJler hier vor mir veröffentlicht haben- großartige acht Wochen verbringen. Ich bin tatsächlich jeden Tag gerne zur Arbeit gegangen, hatte Spaß an diesem Fach und war am Ende meines halben Tertials sogar traurig, dass ich "weiterziehen" musste. Denn die Stimmung in Priens Kreisklinik (mit je einer Abteilung für Innere Medizin und Chirurgie) ist derart gut wie ich es bisher in keinem anderen Haus erlebt habe und wie man es vermutlich selten erleben wird. Hierarchie wird hier wirklich sehr klein geschrieben und die einzelnen Berufsgruppen arbeiten extrem harmonisch und kollegial zusammen. So witzeln und lachen die Schwestern und Assistenten gemeinsam mit dem Chefarzt am OP-Tisch, so darf jeder Assistenzarzt bei den Besprechungen ohne Scheu die Dinge fragen, die ihm unklar sind, so konnte ich erleben, wie erfahrene OP-Schwestern den Operateur in manchem Fall beraten, so wird man als PJler überall mit offenen Armen empfangen, darf gerne jederzeit Fragen stellen, kann sich im Sommer mit einigen unerschrockenen Ärzten zum frühmorgendlichen Schwimmen am nur etwa 500m vom Krankenhaus entfernten Badeplatz treffen (sehr zu empfehlen!), so hält man spontan eine Brezel in der Hand (man muss sich ja stärken) oder ist in der Ambulanz von den Schwestern auf einen Eiskaffee eingeladen.
Der Arbeitstag der Ärzte und PJler beginnt um 7.30 Uhr mit der Morgenbesprechung. Hier werden die Röntgenbilder der zu operierenden Patienten, Röntgenkontrollen der stationären Patienten und Aufnahmen der Ambulanz-Patienten des vorherigen Nachmittages sowie der vergangenen Nacht betrachtet und -gutachtet. Außerdem werden eingegangene externe (z.B. histologische oder mikrobiologische) Befunde der Patienten bekannt gegeben. Anschließend freuen sich die Stationsärzte, wenn ihr PJler das Blut abnimmt und den Patienten gegebenenfalls eine neue Nadel legt. Danach kann man im Grunde fast frei entscheiden, was man machen möchte. Wird man nicht für eine spezielle Operation als 1. oder 2. Assistent gebraucht, kann man entweder bei der Visite mitgehen (Hier zeigen die Schwestern und Pfleger einem gerne, wie man beispielsweise Infusionen aufzieht oder ZVKs und Redon-Drainagen zieht.) und später auf Station üben, Arztbriefe zu diktieren und Anträge für Anschlußheilbehandlungen auszufüllen (Dabei kann man die Stationsärzte immer gerne um Rat fragen.), oder in die Notaufnahme oder den OP gehen. Die Neuaufnahme der Patienten erfolgt über ein eigenes Aufnahmezimmer, das während meines Tertials leider von einer nicht sehr lehrfreudigen und auch nicht besonders geduldigen Ärztin besetzt war, so dass ich in den acht Wochen keinen Patienten selber aufgenommen habe. Sieht man auf dem OP-Plan eine OP, für die man sich besonders interessiert, würde ich einfach mal im OP vorbeischauen. Je nach Art der Operation und je nachdem, ob ein anderer PJler oder Famulant einem schon zuvor gekommen ist, darf man dann assistieren oder eben zumindest zuschauen (Am besten spricht man sich also mit den anderen Studenten ab.). Gleichwie wird einem fast immer das Vorgehen bei der Operation erklärt. Je nach Operateur darf man gelegentlich auch die Haut zunähen. Stellt man sich übrigens mit den OP-Schwestern gut (was in Prien wirklich sehr einfach ist, da sie ausnahmslos nett sind), erwirken sie unter Umständen für einen PJler z.B., dass er eine Kniepunktion durchführen darf.
In den zwei chirurgischen OPs kann man u.a. Portanlagen, Strumektomien, VAC-Wechsel, abdominelle Eingriffe wie Cholezystektomien, Appendektomien und, da die Klinik ein zertifiziertes Darmzentrum ist, jede Menge Sigmaresektionen (Hier bekommt man zahlreiche Gelegenheiten, sich im Führen des Laparoskops zu üben.), unfallchirurgische Eingriffe wie Versorgungen von Radius-, Patella- oder Schenkelhalsfrakturen sowie orthopädische Eingriffe wie Hüft- oder Knie-TEPs und Arthroskopien sehen. Auch im dritten OP, in dem abwechselnd die HNO-,Urologie- und Gynäkologie- Belegärzte zu Gange sind, kann man, wenn man Zeit hat, gerne zuschauen und sich die OPs (z.B. Circumzisionen, transurethrale Bänder bei Inkontinenz, Paukenröhrchen oder Tonsillektomien) erklären lassen beziehungsweise mitunter sogar mitwirken. Sowieso bekommt man in Prien durch die Überschaubarkeit des Hauses und die familiäre Atmosphäre die Chance, auch über den Tellerrand der Chirurgie hinauszuschauen. Dementsprechend konnte ich bei den Internisten auch Koloskopien und Schilddrüsensonographien sowie in der Radiologie Kolonkontrasteinläufe sehen und habe von den MTAs eine halbtägige Führung durch das Labor und seine Arbeitsprozesse bekommen.
In der Notaufnahme sieht man ein breites Spektrum von Arbeitsunfällen (anhand derer man lernt, wie ein D-Arzt-Bericht aussieht) über Vekehrsunfälle, von Urlaubern, die beim Abstieg der Kampenwand gestürzt sind oder sich den Unterschenkel beim Tretbootfahren auf dem Chiemsee unter dem Pedal eingeklemmt haben, über Patienten mit Katzenbissen und Kinder, die sich bei einer Kissenschlacht Finger gestaucht haben. Man darf Anamnesen erheben, die Patienten untersuchen (Untersuchungsmethoden wurden mir gerne noch einmal gezeigt.) und kann dann das weitere Vorgehen mit den Ärzten besprechen. Ein paar Mal wurde ich auch angehalten, selbst Entscheidungen zu treffen (Muss diese Wunde genäht werden oder nicht?, ...), was am Anfang streßig erscheint, aber das eigene Urteilsvermögen auf jeden Fall schult. Natürlich werden dabei die eigenen Entscheidungen von einem Arzt auf ihre Richtigkeit überprüft. Man lernt, wie die Wundversorgung funktioniert, darf - wiederum je nach Arzt - auch mal selbst eine Wunde nähen, erlebt die notwendigen Abläufe bei der Begutachtung potentiell polytraumatisierter Patienten, sieht Sonographien und darf gelegentlich auch mal selbst Hand an den Ultraschallkopf anlegen. Besonders viel habe ich in der Ambulanz bei Dr. Kreutz gelernt, der einem mit seinem unermesslichen Wissens- und Erfahrungsschatz sehr viel zu erklären weiß, und dem ich an dieser Stelle (auch wenn es defintiv mehr Menschen zu danken gilt, die ich hier nicht persönlich erwähne) noch einmal besonders für die vielen Stunden danken möchte, die er damit verbracht hat, verschiedenste Kasuistiken und Röntgenbilder detailliert mit mir zu besprechen.
Ab 12 Uhr kann man mittagessen gehen und, falls man nicht gerade am OP-Tisch steht, kann man sich seine Essenzeiten immer ganz nach eigenem Belieben aussuchen. Im Casino trifft man meist andere PJler und Famulanten und die Zivildienstleistenden, so das man hier in einer geselligen Runde junger Leute sitzt. Jeden Tag kann man übrigens aus drei verschiedenen Menüs auswählen, das Essen schmeckt meist gut und ganz davon abgesehen ist es für uns Studenten kostenlos.
Manch ein Arzt hat sich also ganz im Speziellen für die Ausbildung von uns Studenten eingesetzt. Das einzige, was ich nun während der Zeit in Prien aber vermisst habe (und was mich zu meiner einzigen Note befriedigend in der Bewertung veranlasst hat), war ein für alle PJler und Famulanten beispielsweise wöchentlich stattfindender expliziter Studentenunterricht zu studentenrelevanten Themen, der eben nicht von dem zwar möglichen, aber nicht selbstverständlichen Engagement einzelner Ärzte abhängt. So sollte in meinen Augen z.B. allen Studenten zu Beginn des Tertials ein Nahtkurs angeboten werden. Auch das prä- und postoperative Management von Patienten, Leitsymptome und ihre Differentialdiagnosen, OP-Verfahren oder Examensfragen/ -kasuistiken könnten hier besprochen werden.
Was es allerdings gibt und was ich auch gerne besucht habe, sind je ein Mal die Woche eine Fortbildung für alle Chirurgen (allerdings mit einer Pause über die Sommerwochen) (z.B. zur Handchirurgie, zur Patientenaufklärung oder - sehr interessant und praktisch - ein Reanimationstraining) und für alle Internisten. Auch hier ist man als PJler in der Chirurgie immer sehr herzlich willkommen (ich wurde nach wenigen Wochen quasi schon erwartet) und anschließend an den Vortrag (z.B. zur Schweinegrippe, zu Altersdemenz oder ein Journal-Club) zu Getränken und Schnittchen eingeladen. Letzteres gibt es auch während jeder Tumorkonferenz, bei der ein Mal pro Woche mit externen Onkologen, Strahlentherapeuten und Pathologen das Vorgehen bei einzelnen Krebspatienten diskutiert wird.
Organisatorisch sollte man vielleicht noch wissen, dass die Dienstkleidung vom Krankenhaus gestellt wird. Man kann sie nur (!) montags in der Wäscherei abholen. Wenn man nicht aus dem Chiemgau kommt und auch nicht jeden Tag von München aus pendeln möchte, wird einem vom Krankenhaus ein großräumiges Zimmer (z.T. sogar mit eigenem Balkon; Bettwäsche ist vorhanden, Geschirr muss man mitbringen.) im nur etwa 300m entfernten Schwesternwohnheim gestellt (Im Keller gibt es Waschmaschinen.). Damit wohnt man luxuriöserweise direkt am Chiemsee, aber ein Stück außerhalb des Zentrums Priens, weshalb sich ein Fahrrad empfiehlt. Das einzige, was mir im Wohnheim wirklich gefehlt hat, war Internet. Wenn ihr die Assistenten, die auch im Wohnheim wohnen, fragt, teilt aber vielleicht einer von ihnen sein W-LAN mit euch. Falls ihr das Zimmer nicht benötigt, zahlt das Krankenhaus euch 300 Euro. Lernfrei an sich hatte ich nicht. Allerdings war es kein Problem, mal einen Tag frei zu bekommen, wenn man einen wichtigen Grund hatte und dies mit seinem Oberarzt oder dem Chefarzt besprach.
Zu den vielen Freizeitmöglichkeiten im Chiemgau muss ich vermutlich nicht viel sagen. Ich habe z.B. Schloß Hohenaschau besichtigt, habe die Kampenwand erklommen, war in der netten Innenstadt Rosenheims, im Schloß Herrenchiemsee und auf der Fraueninsel. Aber es gibt noch so viele andere Ausflugsziele und denkbare Aktivitäten... . Wer München also mal ein paar Wochen hinter sich lassen möchte, sollte unbedingt nach Prien kommen: ein echter Geheimtipp!