Ich habe mein erstes PJ-Tertial zur Hälfte in der Unfallchirurgie in Ulm verbracht.
Allgemeines & Teamstruktur
In der Unfallchirurgie in Ulm sind immer viele PJler:innen und Blockstudenten gleichzeitig da, was zur Folge hat, dass man – sofern man kein besonderes Interesse an der Chirurgie mitbringt – nicht zwingend täglich in den OP muss. Der Fokus lag für mich deutlich auf der Stationsarbeit.
Das Team war durchweg freundlich, die Stimmung kollegial. Besonders hervorzuheben ist der Chefarzt, der sich – auch wenn er stets mit etwas Verspätung zur Frühbesprechung erschien – explizit und herzlich für die PJler:innen eingesetzt hat. Viele Assistenz- und Oberärzt:innen waren ebenfalls sehr offen und per Du, was zur angenehmen Atmosphäre beigetragen hat.
Einführung & Organisation
Am ersten Tag gab es eine strukturierte Einführung, die von einem Oberarzt durchgeführt wurde. Dabei wurden wichtige Abläufe erklärt – etwa, wie man sich krankmeldet (wichtig: es wird nicht vom Urlaub abgezogen, im Gegensatz zu manchen anderen Häusern, habs aber nicht probiert, obs wirklich so ist), welche Telefonnummern man im Klinikalltag braucht, an wen man sich wenden kann und wie die interne Struktur funktioniert. Das war sehr hilfreich und hat den Einstieg deutlich erleichtert.
Tagesablauf & Aufgaben
Der Tag begann mit der Frühbesprechung um 7:15, in der der Nachtdienst vorgestellt wurde. Danach wurden die PJler:innen je nach Interesse und Bedarf auf OP oder Station aufgeteilt. Auf Station war dann zunächst Blutabnahme angesagt – das Pensum war machbar.
Im Anschluss startete die Visite, je nach Station mit 25 bis 35 Patient:innen. Wenn man sich gut organisiert hat, lief das irgendwann routiniert ab. Danach war man in der Zeiteinteilung ziemlich flexibel. Man konnte frühstücken, Arztbriefe schreiben oder andere Aufgaben übernehmen, wie z. B. Wundversorgungen, Verbandswechsel (darunter auch aufwendigere wie Meshgrafts), Madentherapien, Viggo legen etc.
Neben den medizinischen Tätigkeiten bekommt man auch einen realistischen Einblick in den organisatorischen Klinikalltag: Man lernt sehr gut, mit SAP umzugehen, Laborwerte nachzufordern, Untersuchungstermine anzumelden, Reha-Anträge zu stellen und – in Anführungszeichen – Patient:innen „zu verkaufen“, also an Reha-Einrichtungen, Pflegeheime oder andere Krankenhäuser zu vermitteln. Das sind Fähigkeiten, die im chirurgischen PJ vielleicht nicht im Vordergrund stehen, aber definitiv praxisnah und im späteren Berufsalltag wichtig sind.
Diese Aufgaben wurden uns auch gerne überlassen, was im positiven Sinne als Vertrauensbeweis verstanden werden kann.
Nachmittagsbesprechung & Feierabend
Täglich um 14:30 Uhr fand eine Nachmittagsbesprechung statt. Dabei wurden die Röntgenbilder des Tages durchgesprochen, OP-Säle überprüft (welche noch laufen, welche fertig sind) und offene organisatorische Fragen oder Probleme besprochen.
Wenn danach keine studentischen Aufgaben mehr anfielen, durfte man in der Regel nach der Besprechung auch gehen.
Falls man eigene Patient:innen betreute, war es natürlich schön, wenn man zur Kurvenvisite mit der Pflege geblieben ist – das wurde aber nicht vorausgesetzt.
Lehre
Einmal pro Woche fand ein verpflichtendes Seminar statt. Diese Seminare wurden meist gehalten und waren inhaltlich unterschiedlich – mal gut, mal eher durchwachsen. Dennoch war es positiv, dass überhaupt ein fester Lehrtermin eingeplant war.
OP & Stimmung dort
Im OP war man meist bis 15–16 Uhr eingeteilt. Die OP-Zuweisung variierte je nach OP-Plan und Interesse. Die Stimmung im OP war durchwachsen: Während das ärztliche Team sehr nett und bemüht war, war das Klima mit dem OTA-Personal eher angespannt. Die Sterilität wird in der Unfallchirurgie (natürlich zu Recht) sehr ernst genommen, allerdings herrschte hier eine sehr rigide Atmosphäre, die teilweise sogar von den Oberärzt:innen mit einem verständnisvollen Blick quittiert wurde. Das war für mich persönlich ein negativer Punkt, weil es den Lerneffekt im OP etwas getrübt hat.
Besonderheiten & Einblicke
Ein echtes Plus war das Department für Tumorchirurgie. Hier hatte ich mit einem Assistenten und einem sehr engagierten Oberarzt zu tun – fachlich super spannend, besonders wenn man sich auch für Weichteil-OPs interessiert und nicht nur „Knochenplatten“ sehen möchte. Da darf man mal ganz andere OPs sehen in einem sehr eingespielten Team und sich auch mal die Ambulanz anschauen.
Ich war über Weihnachten dort und wir wurden selbstverständlich zu den Teamfeiern eingeladen – was ein schönes Zeichen für die Einbindung der PJler:innen war. Generell fühlte ich mich im Team sehr gut aufgenommen, auch von der Pflege. Besonders auf meiner Station war das Verhältnis sehr herzlich, auch über den Arbeitsalltag hinaus.
Dienste
Bei einem vollständigen chirurgischen Tertial müssen vier Nachtdienste und ein Wochenenddienst gemacht werden. Ich habe nur die Hälfte gemacht, aber die Dienste waren spannend: Man blieb nach dem normalen Arbeitstag bis etwa 20–23 Uhr. Besonders cool war, dass man einem Assistenten zugeteilt wurde und mit in den Schockraum oder in die ZINA durfte. Die ruhigere Stimmung im OP in der Nacht war ebenfalls eine interessante Erfahrung.
Rahmenbedingungen
• Einführungstag: Ja, mit klarer Struktur und hilfreichen Infos zu Rechten & Abläufen
• Bezahlung: Ja, auch für Wochenenddienste
• Dienstkleidung: Wird gestellt
• Essen: Regelmäßig möglich, teilweise mit dem ganzen Team
• Lehre: Wöchentliche Seminare (pflichtig), mit schwankender Qualität
• Flexibilität: Große Studierendengruppe = gegenseitiges Ausgleichen gut möglich
Fazit
Ich hatte eine sehr gute Zeit in der Unfallchirurgie Ulm. Wer sich engagiert, wird gebraucht und kann viel mitnehmen. Die Stimmung im Team war in meinem Fall überwiegend positiv, insbesondere der Kontakt zur Pflege und den Assistenzärzt:innen. Kleine Wermutstropfen waren die teilweise strenge Atmosphäre im OP und die knappe Lehre auf Station.
Was sehr für die Klinik spricht: Viele ehemalige PJler:innen fangen nach dem Examen dort an – das sagt eigentlich schon alles.
Empfehlung: Ja – für alle mit Interesse an Chirurgie, die sich aktiv einbringen wollen und in einem großen, eingespielten Team arbeiten wollen.