PJ-Tertial Notfallmedizin in Tygerberg Hospital (6/2025 bis 8/2025)

Station(en)
Trauma-Unit / Front Room
Einsatzbereiche
OP, Notaufnahme, Diagnostik
Heimatuni
Magdeburg
Kommentar
++ DISCLAIMER: Dieser Bericht ist ausgesprochen ausführlich, dafür findet ihr hier drin alles was ihr wissen müsste für euer Tertial in Kapstadt und insbesondere am Tygerberg Hospital ++

PJ IN SÜDAFRIKA
Schon zu Beginn meines Studiums wusste ich, dass ich mindestens einmal im Ausland eine Famu/PJ machen und um die lange Liste potenzieller Ziele einzugrenzen, habe ich drei Kriterien aufgestellt. Der Ort musste folgende Voraussetzungen erfüllen: ein Land, in dem ich noch nie gewesen war + ein Ort, an dem die Medizin anders ist als zu Hause + ein Krankenhaus mit einem guten Ruf für gute Ausbildung und Möglichkeiten, meine praktischen Fähigkeiten zu verbessern. All das erfüllte Kapstadt und insbesondere die zwei großen Lehrkrankenhäuser der Stadt, das Groot Schuur und Tygerberg kamen demzufolge in Frage. Aufgrund der angenehmeren Bewerbungsfristen am Tygerberg fiel meine Wahl dann darauf.

KRANKENHAUS
Es gibt zwei unterschiedliche Universitäten mit Medizinischen Fakultäten in und um Kapstadt. Zum einen die UCT, welche im Grunde alle Lehrkrankenhäuser im Stadtkern umfasst (Goote Schuur Hospital = Maximalversorger, New Somerset Hospital = Basisversorger, Red Cross Children’s Hospital = Kinderkrankenhaus, Mitchells Plain Hospital = Basisversorger in Township-Nähe, Victoria Hospital = Basisversorger) und zum anderen die Stellenbosch Universität, diese liegt zwischen Kapstadt und Stellenbosch.
Das Tygerberg Hospital ist das größte Krankenhaus des Western Cape, demzufolge auch in der Region Kapstadt. Es liegt etwa 30-40 Autominuten von der Innenstadt entfernt und hat als Einzugsgebiet vor allem die Westküste und die umliegenden Suburbs. Insbesondere dient es als Referral Hospital für viele kleinere Krankenhäuser mit weniger Ressourcen und Möglichkeiten, die die PatientInnen dorthin verlegen für weitere Diagnostik oder Therapie. Insbesondere der Mangel an diagnotischer Bildgebung die über einfache Röntgen-Aufnahme hinausgeht sind oft Gründe für Verlegungen an das Tygerberg-Hospital. Es besitzt einen eigenen Rettungsdienst und umfasst zudem nahezu alle Fachrichtungen. Die Notaufnahmen sind, anders als in vielen anderen Kliniken, nicht interdisziplinär, sondern in eine Trauma-Unit (chirurgisch, Front Room) und eine Medical-Unit (internistisch, Back Room) geteilt. Das Tygerberg-Hospital ist zudem an den Campus der Stellenbosch Universität angegliedert. Ansonsten gehört der Stellenbosch Universität noch das stadtbekannte Khayelitsha Hospital im direkt anliegenden gleichnamigen Township an. Demnach ist es vermutlich das Krankenhaus mit der höchsten Exposition für Gewaltverletzungen/Trauma, allerdings sind dort in den letzten Jahren keine Electives erlaubt worden aufgrund von einigen Zwischenfällen in der Vergangenheit. Während meines Aufenthalts war allerdings eine Holländerin dort eingeteilt, sie hat genaue Instruktionen zur täglichen Anreise etc. erhalten. Inwieweit damit wieder Electives erlaubt sind weiß ich allerdings nicht.

NOTAUFNAHME - GENERELLES
Der erste Tag ist ausgelegt als Willkommenstag und war besser organisiert als das meiste was ich in DE erlebt habe. Wir wurden im International Office im Universtitätsgebäude vom Koordinator empfangen und man hat alle anderen Electives die zum selben Zeitpunkt anfangen kennengelernt. Danach wurde man vom Koordinator durch das Universitäts- und Klinikgebäude geführt, hat gemeinsam alle notwendigen Unterlagen und Zugänge eingesammelt und wichtige Eckdaten geklärt. Gegen Mitte des Vormittags wurde man dann den entsprechenden Abteilungen/Sekretariaten zugeteilt und wurde dort auch wärmstens empfangen. Im Anschluss daran wurde man auf die jeweilige Station bzw. zum jeweiligen Placement im Krankenhaus begleitet und konnte dort schon einmal die langen und verwinkelten Wege verinnerlichen. Für mein Placement in der Notaufnahme bedeutete dies, dass ich mitten im vormittaglichen Chaos angekommen bin. Dennoch waren direkt alle sehr lieb zu einem und haben versucht einem kurz "Hallo" zu sagen und ein paar Dinge zu erfahren. Es wurde einem dann freigestellt ob man am ersten Tag direkt starten möchte oder erst am kommenden Tag mit der normalen Rotation beginnen möchte. Da ich noch einiges anderes zu erledigen hatte, habe ich mich dafür entschieden in Ruhe am Folgetag richtig in das Praktikum zu starten. Die Rotation in der Notaufnahme beinhaltet vier verschiedene Teams (Alpha, Bravo, Charlie, Delta) in welche man anhand der Kapazitäten eingeteilt wird. Diese Teams rotieren über die Wochen immer im Wechsel zwei Tage Tag- (8-18 Uhr) oder Nachtschicht (18-8 Uhr) mit nachfolgend zwei Tagen kompensationsfrei und dann im Wechsel immer Wochenenddienste von Freitag-Sonntag (Beispiel: Team Alpha hat Mo&Di Tagschicht, dann Mi&Do Tage Kompensationsfrei, dann am Wochenende 1 Nachtschicht, dann Mo&Di Kompensationsfrei, dann Mi&Do Tagschicht und Wochende 2 Kompensationsfrei um dann am nächsten Mo&Di in die Nachtschicht zu gehen). Demzufolge war die Arbeitsbelastung hoch, aber es wurde auch ebenso gut kompensiert. Die ersten Tage gestalteten sich herausfordernd: Das Krankenhaus ist riesig und sehr verwinkelt, das heißt bis man die Wege verinnerhlicht hatte ist ein wenig Zeit vergangen. Zudem ist die Organisation der Notaufnahme grundlegend anders als in vergleichbaren europäischen Kliniken, den Überblick zu behalten war am Anfang schwieriger als zunächst angenommen. Und auch das Medical English stellte sich als eine größere Herausforderung heraus als antizipiert, was aber vor allem an den verschiedenen Dialekten lag, welche von dem durchaus internationalen Notaufnahme-Team gesprochen werden. Aber es waren wirklich alle sehr hilfsbereit und geduldig, was die Eingewöhnungszeit deutlich entspannter machte. Und nach wenigen Schichten konnte man sich dann auch gut zurechtfinden, wusste über Abläufe Bescheid, hatte sich an Dialekte und englische medizinische Abkürzungen gewöhnt, konnte sich aktiv einbringen und war schnell integriert. Was auffällig war, ist die deutlich weniger vorherrschende Interprofessionalität zwischen Pflegeteam und ärztlicherseits im Vergleich mit Deutschland.
Der Front Room ist in verschiedene Cubicles eingeteilt, architektonisch/planerisch ist die Notaufnahme nämlich eigentlich eine Katastrophe bestehend aus einem langen Gang mit Wartebänken durch welchen maximal ein Patientenbett passt wenn alle ihre Füße und Bäuche einziehen. Die ersten 2/3 Cubicles gehörten klar der „Trauma“ an, während die letzten 1/2 Cubicles der „Ortho“ gehörten. Die Übergänge waren aber fließend und man hat auch oft Ortho-Patienten gesehen/mitbetreut. Vorgeschaltet ist dem Front Room noch ein kleiner Pediatrics Room, wo die kleinen Trauma-Patienten abseits der schreienden und blutenden Erwachsenen liegen können.
 Zudem gehört der Trauma-Unit noch die „Resus“ an, was im Grunde genommen eine räumlich etwas ausgelagerte Intensiv- bzw. IMC-Station ist mit Beatmungsplätzen und allen Möglichkeiten. Auch dafür ist das Trauma-Team zuständig und kritisch kranke oder intubierte PatientInnen sind auf dem direkten Weg dorthin gekommen. Die Pflege dort ist sehr eigen, dort gilt „fass nichts an, ohne dass du vorher gefragt hast oder es dir befohlen wurde“.
Als ärztlicher Aufenthaltsraum stand der sogenannte Tea Room zur Verfügung mit zwei mehr oder minder bequemen Couches, Kaffeemaschine und sonst auch allem was das Herz begehrt. Für die Nachtschichten gab es noch den Rest Room mit 4 Betten.

NOTAUFNAHME - ABLAUF
Insgesamt muss man sagen, dass es insbesondere in Wochenend- und Nachtschichten aufgrund des großen Patientenaufkommens ohne Electives/PJler zu Personalengpässen gekommen wäre. Am Anfang haben wir alle aufgrund der fehlenden Erfahrung, des neuen Umfelds und der Strukturen natürlich deutlich personelle Ressourcen gebunden, aber nach wenigen Schichten waren wir als Electives so sehr eingearbeitet und integriert, dass wir den klinischen Alltag deutlich erleichtert haben.
In den Tagschichten sind sehr oft local students ebenfalls in die Notaufnahme rotiert um welche man sich dann teilweise gekümmert hat bzw. mit denen gemeinsam Patienten gesehen hat. Im Endeffekt haben wir Electives/PJler eigenständig PatientInnen gesehen, untersucht, Diagnosen aufgestellt, Diagnostik angemeldet und Therapievorschläge gemacht, welche dann nur einmalig kurz mit dem Team rückgesprochen wurden. Häufig wurde bei der Rücksprache dann auch schon davon ausgegangen, dass bereits Zugänge gelegt, Blutentnahmen oder aBGAs erfolgt sind und man nur noch den Plan vorstellt. Je nach Situation wurde dann noch einmal gemeinsam auf den Patienten geschaut oder das Prozedere einfach abgenickt.
In der Trauma-Notaufnahme des Tygerberg Hospitals wird man mit einer Vielzahl an Gewaltverletzungen jeglicher Art konfrontert. Stich- und Schussverletzungen sind dort auf der Tagesordnung und ich habe keine Schicht gehabt wo ich nicht mindestens eine dieser beiden Arten gesehen habe. Besonders gefährlich sind dort Verletztungen mit Pangas, was im Grunde Macheten sind und wo die oberflächliche Verletzung nicht allzu schwerwiegend sein muss, aber aufgrund der großen Krafteinwirkung und der Stumpfheit der Waffe häufig tieferliegende Verletzungen gravierend sind. Die Schussverletzungen sind fast ausschließlich kleinkalibrig, was die Verletzungen weniger gefährlich macht als man zunächst annimmt, so lange keine Organe getroffen wurde. Außerdem sieht man sogenannte Community Assaults, wo - einfach gesagt - eine Person von meist mehreren Angreifern gezielt angegriffen, geschlagen, getreten und anderweitig verletzt wird. Somit sieht man dort defitinv das ein oder andere Crush-Syndrom. Aber es gibt natürlich auch „normale“ Vekehrsunfälle, alltägliche Sturz- oder Schnittverletzungen.
Zu Beginn einer Schicht gab es immer eine Übergabe vom vorherigen Team, die Tag-Nacht-Übergabe ist nur mündlich im Doctors/Tea Room erfolgt, die Nacht-Tag-Übergabe war wie eine Ward Round mit den Consultants. Neue Patienten kommen entweder direkt durch den Rettungsdienst oder als Referrals. Das Referral-System in Südafrika ist ausgesprochen durchdacht. Alles läuft über eine App namens „Vula“, dort können die verschiedenen Notaufnahme-Ärzte miteinander kommunizieren, Bilder schicken und (Rück-)Fragen stellen. Bei Ankunft werden die PatientInnen aufgenommen, im System registiert und eine Papierakte wird angelegt, danach im besten Fall triagiert und dann anhand der Traigierung untersucht. Alle Patienten in Südafrika können eine staatlich finanzierte, medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern (wie dem Tygerberg) wahrnehmen, eine Zuzahlung erfolgt anhand des eigenen Einkommens. Jedoch ist der Großteil derjenigen die einigermaßen „gutes“ Geld verdienen privat versichert und geht in entsprechende Krankenhäuser. Im Laufe einer Schicht sammelten sich dann die ganzen PatientInnen anhand ihres Therapie/Pflege-Bedarfs in den Cubicles und standen teilweise dicht an dicht, sodass man nicht mal mehr durchgekommen ist. Außerdem galt es noch alle Bildgebungen und zumindest im Falle von CTs die Reports zu sichten und die PatientInnen zu reviewen um weitere Schritte/Therapien/Überweisungen einzuleiten.
In Nachtschichten wird versucht, dass jeder zumindest ein wenig Schlaf bekommt, dafür steht ein extra Rest Room zur Verfügung mit 4 Betten. Größtenteils funktioniert das auch ganz gut, ausgenommen davon sind Wochenden rund um den Payday, da arbeitet man gut und gerne auch mal die ganze Nacht durch ohne Pause. Ansonsten gibt es noch den Tea Room, wo man sich in ruhigeren Phasen als Team gemeinsam aufhält.
Die Geschwindigkeit in der Dinge in der Trauma-Unit von statten gehen war allerdings nicht angemessen und das Gegenteil des europäischen Standards, insbesondere pflegerischerseits. Triagierung ist dort optional, dringliche CTs dauern Stunden, Wundversorgungen die normalerweise innerhalb kürzester Zeit erfolgen dürfen dort ewig auf Bänken warten. Auch hinsichtlich der Sterilität muss man sich abfinden/seinen eigenen Weg finden oder sich anpassen. An unseren ersten Tagen wurden wir belächelt dafür, dass wir ein steriles Feld aufgebaut haben, "nähen seie ja per se eine semi-sterile Sache und man könne auch mit normalen Handschuhen nähen".
Worüber man sich ebenfalls dort im Klaren sein muss ist eine Exposition gegenüber diversen Dingen. Zum einen ist da die hohe Infektionsexposition gegenüber Tbc zu nennen, welche sehr stiefmütterlich thematisiert wird - als Beispiel trägt dort kaum einer der Ärzte eine Maske (generell werden nur normale OP-Masken angeboten) und einmal lag eine offene Tbc zwei Schichten lang im Front Room nur durch eine Glas-Trennwand mit Rollen von dem übrigen Front Room abgegrenzt und ohne, dass uns Bescheid gegeben wurde. Zudem ist auch eine hohe HIV-Prävalenz unter dem Patientenaufkommen, weswegen besondere Vorsicht hinsichtlich Nadelstichverletzungen geboten ist. Vom Strahlenschutz will ich hier gar nicht anfangen, da wird nämlich auch vom mobilen Röntgen-Team nicht drauf geachtet. Auf der anderen Seite kommt man auch mit viel Armut, Gewalt, Gangkriminalität und schlechte Versorgungssituationen in Kontakt. Ich für meinen Teil konnte das immer gut trennen und hatte keine Probleme, aber man kann defintiv geschockt sein von all dem und ich würde auch sagen, dass das sicherlich für den oder die ein oder andere traumatisierend sein kann.
Während der Arbeit in der Notaufnahme wird man feststellen, dass die Ressourcen wirklich sehr begrenzt sind. Nahezu in jeder Schicht kam es mindestens einmal dazu, dass keine Zugänge mehr aufzufinden waren oder BE-Röhrchen fehlten oder schlicht niemand eine Schere hatte zum Kleidung aufschneiden. Regelmäßig musste man auf die Suche nach diversen Dingen gehen bevor man Nähen, Zugang legen oder sonstiges tun konnte.
Neben Ressourcen fehlte, wie oben schon angedeutet auch Platz. Sodass man oft gezwungen war bei Platz- oder Bettenmangel verschiedenste Prozdeuren auf dem Lodox oder in irgendwelchen Gängen auf nicht bezogenen Betten oder auf Stühlen neben anderen Patienten ohne Abschirmungen durchzuführen.
Nachfolgend einmal alle relevant/spannenden Interventionen/Prozeduren die wir als Electives durchführen durften: venöse Zugänge, venöse und arterielle Blutentnahmen/BGA, arterielle Zugänge, Nähen (Extermitäten/Gesicht/Kopf/Lippe/Mundraum), Reponieren, Gipsen, Patronen entfernen, Thoraxdrainagen legen, Intubieren, ZVK legen. Dabei muss man sagen, dass das praktische Teaching wirklich gut war! Generell wird dort schon eher der Ansatz „see one, do one, teach one“ verfolgt, aber man konnte sich jederzeit an die ÄrztInnen wenden um nochmal Fragen zu stellen oder Hilfe zu bekommen. Selbst unter höchstem Zeitstress war das Teaching dann ruhig und besonnen, sodass man selbstsicher durch die Intervention geleitet wurde.
Einmal in meiner Zeit hat eine M&M-Conference stattgefunden, welche zahlreich besucht war und durchaus gut gemacht wurde.
Alles in allem muss man sagen, die Exposition die man bekommt ist riesig, das Teaching sowohl theoretisch als auch praktisch wirklich gut, der Teamzusammenhalt einzigartig, die Erfahrung unbezahlbar.
Hervorzuheben ist vor allem der großartige Teamaspekt, die Zuteilung zu einem Team ist unglaublich hilfreich und sinnvoll. Man hat einen klaren Dienstplan, die ÄrztInnen des eigenen Teams wissen was man kann, man selber weiß, was man machen darf und wo man helfen kann, es entsteht ein unglaubliches Teamgefühl und ich habe mich als Elective/PJler zum ersten mal richtig zugehörig gefühlt und nicht nur als Extra/Add-On. Dazu muss ich natürlich sagen, dass mein Team - Team Delta - natürlich das Coolste war. Aber jedes Team hatte seine Vorzüge und dazu kommt auch dass es dort auch viel Fluktuationen gibt. Wer sich übrigens jetzt denkt, dass die Teamzugehörigkeit den eigenen Freizeitplänen im Weg steht dem sei so viel gesagt: Ja, man ist Teil des Teams und es wird auch erwartet, dass man kommt. Aber auch das eigene Team weiß, dass die meisten nicht nur(!) zum Arbeiten nach Südafrika kommen und man zudem unbezahlte Arbeit leistet. Wenn man also mit dem Team spricht, dann kann man auch die Freizeit gewinnbringend gestalten und trotzdem eine tolle medizinische Zeit im Tygerberg Hospital haben.

FREIZEITGESTALTUNG
Ich habe in meiner Zeit in Kapstadt die „Ultimate Cape Town List“ erstellt, darin zu finden ist alles von Kulinarik und Hidden Gems über Parties und sonstigen Dingen zum Unternehmen. Diese ist eine geteilte iCloud Notiz und es ist ausdrücklich erwünscht diese fortzuführen. Hier der Link, dieser ist editierbar und darf gerne geteilt werden: https://www.icloud.com/notes/04cGsF60d3Br6G5srWLn_tUNg#The_ultimate_Cape_Town_list
Generell kann man sagen, man kommt sehr schnell über verschiedene Wege in Kontakt mit anderen Electives. Über die Elective Lodge, den ersten Willkommenstag und auch so zwischendurch trifft man immer wieder neue Electives verschiedenster Nationailitäten. Und zusätzlich bietet der große Campus vielerlei Möglichkeiten auch mit den local students in Kontakt zu kommen. Da Kapstadt als Stadt unglaublich viele Möglichkeiten bietet hat man eigentlich immer etwas zu tun. Ein paar Must-Do's für Kapstadt sind: Table Mountain (unzählige Wanderrouten von einfach bis höchst-anspruchsvoll), Lions Head (Sonnenauf- oder - untergang), einen der vielen Stadtstrände besuchen (Clifton/Camps/Muizenberg/Bali), Surfen in Muizenberg, Wein-Tastings, Promenade in und um Sea Point, First Thursdays (jeden ersten Donnerstag im Monat öffnen alle Kunstgalerien bis in die Nacht haben Musik, Kultur und Essen), die verschiedenen Märkte der Stadt besuchen (Old Biscuit Mill, Oranjezicht), wenn möglich ein Rugby-Spiel besuchen des Nationalteams. Darüber Hinaus gibt es noch tausende weitere Sachen zu entdecken (die wichtigsten davon in der iCloud-Notiz) und man sollte sich auf jeden Fall auch mit der Geschichte Südafrikas/Kapstadt beschäftigen. Und wir haben beispielsweise mit unserem Team auch privat in den kompensationsfreien Tagen Padel zusammen gespielt.

DAILY LIFE
- Internet: Entweder man kauft sich eine SIM-Karte vor Ort oder man besorgt sich eine eSIM, was ich gemacht habe. Empfehlenswert sind da GlobaleSIM und Airhub, welche im Vergleich mit den großen eSIM-Anbietern deutlich(!) günstiger sind und genauso gut funktionieren
- Geld/Zahlung: Man kann in Kapstadt nahezu alles mit Karte zahlen. Ich habe zwei Kredikarten (Barclays und Hanseatic), welche sicherlich sinnvoll sind generell beim Reisen. Bargeld habe ich nur ein einziges Mal abgehoben.
- Fortbewegung: Uber, Uber, Uber (oder Bolt). Uber und Bolt sind beide sehr verbreitet und bieten eine günstige und sichere Variante sich in und um Kapstadt sich fortzubewegen (Pro-Tipp Uber One für einen Monat kostenlos testen)
- Mietwagen: Um größere Strecken zurückzulegen oder für die eigene Flexibilität sollte man sich um einen Mietwagen Gedanken machen. Ich persönlich habe bei Ulf Car Rental gemietet. Ulf ist ein deutscher Anwalt und vermietet spezifisch für deutsche PJler/Studenten in Kapstadt Kleinwagen. Ich hatte einen Hyundai I10 und war damit völlig zufrieden, leider ist die gesamte Flotte die er anbietet eher älteres Semester, aber alle sind mit einem Bluetooth Radio aufgerüstet und fahren sich an sich gut. Einige hatten wohl nur so mittelgute Erfahrungen mit den Autos, aber ich kann wirklich nur positives berichten.
- Kantine: Im Keller des Krankenhauses gibt es eine sehr günstige Kantine die auch wirklich leckere Gerichte To-Go anbietet.

SICHERHEIT
- Regel Nummer 1: Don’t be stupid! Wenn sich etwas komisch oder sketchy anfühlt, mach es nicht!
- Ich bin eine sehr risikoaffine Person und habe mir im Vorfeld immer gedacht, so schlimm kann das dort ja gar nicht sein wie alle immer sagen - aber das was ihr auf der Notaufnahme seht wird euch Lehre genug sein
- Tragt eure Wertsachen immer bei euch am Körper! Uns wurde beim First Thursdays ein Handy aus einer Jackentasche geklaut.
- In Gruppen ist man sicherer als alleine, insbesondere nachts.
- Haltet euch von Townships fern, insbesondere in der Nacht.
- Versucht eher den Highway "N1" zu fahren! Meidet die "N2", insbesondere nachts, dieser verläuft direkt an einigen der brenzligsten Townships.
- Habt ggf. immer etwas Bargeld zur Hand das ihr abgeben könnt im Notfall.
- Im City Centre und am Sea Point ist es wohl generell sicher, auch nachts - das ist auch die Erfahrung die ich gemacht habe
- Der Bereich um das Tygerberg Hospital herum ist nicht sicher!
- Lange Strecken sollte man mit dem Auto zurücklegen egal in welchem Stadtteil (ausgenommen Sea Point)

TIPPS
- Im Vorfeld schon Kontakte knüpfen mit deutschen PJlern über die Facebook Gruppe „PJ in Kapstadt“, vornehmlich sind dort eher UCT-Studierende, aber es kann trotzdem hilfreich sein
- Über Jahreszeit bewusst sein, ich war im Winter da - kurze Tage und eher frische Temperaturen
- Wenn ihr der MVP der Notaufnahme sein wollt nehmt eine Schere mit, im besten Fall eine Rettungsschere aber auch eine simple, gute chirurgische lässt euch instant zum MVP werden.
- Sonstige Dinge für die Krankenhaus-Packliste:
- Scrubs, vorzugsweise blau oder zumindest farbig (je nach Unterkunft auch hinfällig, bspw. in der Freeland Lodge gibts bestimmt 100 verschiedene Farben und Formen)
- Stethoskop
- schwarzer Stift/Kuli (blau ist in Südafrika nicht dokumentenecht)
- ggf. Stauschlauch (sonst mit Handschuh lernen ein Tournique zu binden)
- ggf. Masken (vorher überlegen wie man mit der Exposition umgehen möchte)
- ggf. Handschuhe (gibt aber eigentlich genug in Summe, manchmal muss man dann halt skinny oder loose fit tragen)
- Leukoplast (fehlt eigentlich immer)
- Generelle Packliste:
- abhängig von Jahreszeit (Winter auf jeden Fall auch mindestens eine leichte Jacke)
- Vorhängeschloss für Lodge auf Campus
- Bluetooth-Box (immer gut, wir haben einen schmerzlich vermisst)
- Steckdosenadapter
- Ein paar andere Electives haben „Abschiedspräsente“ aus deren Heimatland direkt mitgebracht, das fand ich eine kluge Idee, bspw. Kühlschrankmagnet der eigenen Heimatstadt

WOHNEN/CAMPUS
*Die Campus Lodge soll wohl schon seit längerem saniert werden, wenn dem so ist, ist ein wohnen dort wohl für den Sanierungszeitraum nicht möglich*
Die Unterkunft wird einem im Rahmen des Bewerbungsprozesses vorgeschlagen und befindet sich in komfortabler Reichweite auf dem Campus. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Unterkunft auf dem abgesicherten Gelände der Universität befindet und man innerhalb weniger Fußminuten schnell und sicher zum Krankenhaus kommt. Die sogenannte Elective Lodge umfasst verschiedene Wohn-Appartmens mit bis zu 8 Zimmern, welche teilweise Einzel- aber auch Doppelzimmer sind. In meinem Einzelzimmer hatte ich ein kleines, semi-gemütliches Bett max. 80-90cm breit, einen Schrank, einen Schreibtisch und einen Plastik-Schreibtischstuhl.
Jeder Wohneinheit stehen ausreichend geteilte Badezimmer und eine geteilte Küche zu. Einmal pro Woche wird das Zimmer und die Gemeinschaftsräume durch die Reinigungskräfte gesäubert und neue Bettwäsche aufgezogen sowie frische Handtücher bereitgelegt.
Außerdem gibt es noch einen großen Gemeinschaftsraum mit vielen Sitzmöglichkeiten, In- und Outdoor-Grill, Kühltruhe und großem Fernseher. Der Campus bietet zudem noch einiges Weiteres: Pool mit etwa 15m Bahnen, Fitnesstudio (24€/Monat), kostenlose Hard-Court Tennis-, Basketball-, Hockey-, Fußballplätze und ein großen Rasenplatz. Auch findet man im Universitätsgebäude eine Bibliothek und auch verschiedene Cafes. Parkplätze gibt es direkt vor der Lodge kostenlos und man kann sich die eigene Studentenkarte für die verschiedenen Gates freischalten lassen, sodass man problemlos auf das abgesicherte Gelände kommt. Eine Laufstrecke findet sich um den gesamten Campus herum (etwa 2-2,5km je nach Route, einfach mal anderen JoggerInnen folgen oder Strava auschecken).
Einen kleinen Supermarkt in dem man alles findet was man für den alltäglichen Bedarf braucht ist auch im Studentenzentrum noch anzufinden, was wirklich ein großer Vorteil ist, da dieser jeden Tag geöffnet ist (teilweise länger als Supermärkte außerhalb des Campus, der Alkohol-Shop wurde allerdings während unserer Zeit auf unbestimmte Zeit geschlossen) und man sich so unnötige Wege zu umliegenden Supermärkten sparen kann.
Die Ankunft war etwas chaotisch, da wir an einem Sonntag angekommen sind und niemand wusste welches der Appartments für uns bezugsfertig sei und auch keine Schlüssel an dem Empfang auslagen. Zwar hatte man im Vorfeld eine Information bekommen wo man die Unterlagen abholen kann und dort wurde sich auch um einen gekümmert, aber von Ankunft auf dem Campus bis wir in die Zimmer konnten sind insgesamt 2h vergangen.
Was man zudem auch sagen muss, ist, dass die Unterkunft preislich eher teuer ist für südafrikanische Verhältnisse. Andere Electives wohnen zu großen Teilen in der sogenannten Freeland Lodge, welche eher Richtung City Centre im sichereren Stadtteil Observatory liegt und somit eher für die Krankenhäuser dort prädistiniert ist. Außerdem haben auch einige eine Unterkunft über AirBnB gefunden, für beides wird aber allerdings ein Mietwagen oder eine tägliche Uber-Fahrt benötigt. Auch ich bin nach etwa der Hälfte der Zeit in die Freeland Lodge gezogen, dort habe ich noch weitere Electives kennengelernt, welche allerdings alle in den Krankenhäusern im Stadtzentrum waren. Auch diese Unterkunft hatte ihr Vor- und Nachteile. Sie war sehr schön und gemütlich eingerichtet, war ebenfalls mit geteilten Badezimmer- und Küchenbereichen ausgestattet und hatte coole Gemeinschaftsbereiche. Insgesamt erinnerte der Gesamtaufbau schon sehr an die Elective Lodge auf dem Campus, mehrere Einheiten mit 3-4 Appartments, einen gut sortierten Supermarkt in der Nähe und einen kleinen Pool.

SONSTIGES
- Kosten: Die Studiengebühren belaufen sich umgerechnet auf etwa 600-650€ pro Monat, zusätzlich kommen vor Ort noch weitere wenige Euro für Chipkarten mit welchen man Zugang zu Krankenhaus und Universitätsgebäude erhält. Ich persönlich hatte ein Erasmus+ Weltweit Stipendium für die Reise, welches die Kosten für Flug und Studiengebühren gut abgedeckt hat.
- Visum: Ein Visum brauchte ich nicht, da ich nur ein Split-Tertial in Kapstadt gemacht habe. Deshalb klappte meine Einreise problemlos ohne. Es gibt wohl ein Visum spezifisch für Medical Electives, allerdings habe ich mich darum zu spät gekümmert da die Bearbeitungszeit bei 8-12 Wochen liegt und mir wurde aus verschiedenen Quellen gesagt, dass man auch ohne dieses Visum bei einem Aufenthalt von weniger als 90 Tagen visafrei einreisen kann. Wenn man ein gesamtes Tertial in Südafrika verbringt benötigt man entweder ein komplettes Visum, im besten Fall das für Electives oder man reist innerhalb der 90 Tage ohnehin für ein bisschen Afrika-Experience in eins der nahegelegenen Länder (bspw. Namibia, Botswana o.ä.) und bekommt bei Wiedereinreise „neue“ 90 Tage.
- Sprache: Englisch genügt völlig. Man muss sich etwas an das südafrikanische Englisch und die verschiedenen Akzente gewöhnen, aber man kommt schnell rein. Afrikaans oder Xhosa sind sicher hilfreich, aber man kommt auch sehr gut ohne zu recht. Die absolute Mehrheit der südafrikanischen Bevölkerung spricht ein gutes Englisch.
- Bescheinigung: PJ-Bescheinigung könnt ihr euch unkompliziert (und auch schon sehr früh bei Bedarf) vom Consultant unterschreiben lassen. Dabei an seinen Stempel denken und für doppelte Sicherheit könnt ihr euch im vorderen Bereich des Patienteneingangs auch noch einen Krankenhausstempel mit entsprechendem Datum holen (einfach fragen wo die Patientenanmeldung ist). Für die Äquivalenzbescheinigung ist das International Office und Paul zuständig, dort ist das frühere Unterschreiben ein bisschen Glückssache wie der Dekan drauf ist. Aber Paul ist da wirklich ausgesprochen hilfsbereit.

FAZIT
Die Zeit in Kapstadt und im Tygerberg Hospital war einmalig: unzählige Erinnerungen und Geschichten, neu geschlossene Freundschaften verteilt über verschiedene Kontinente, aufregende Erlebnisse und eine steile Lernkurve lassen dieses PJ-Tertial einzigartig sein. Ich persönlich habe mich in der Zeit auf so vielen Ebenen weiterentwickelt. Die Masse an Gewalt und Armut die ich dort innerhalb von 2 Monaten gesehen habe wird vermutlich in meiner gesamten zukünfitgen ärztlichen Zeit in Europa nicht erreicht. Auch muss man sich an die Gegebenheiten vor Ort im Krankenhaus gewöhnen, ein dauerhafter Zustand an fehlendem Material, kreative Lösungen für simple Probleme wie fehlendes Verbandsmaterial oder Desinfektionsmaterial sind gefragt, teilweise fraghafte Sterilität bei invasiven Tätigkeiten und eine andere Arbeitsmoral (insbesondere seitens des Pflegeteams). Aber nichts desto trotz wird dort im Rahmen der Möglichkeiten eine sehr gute Medizin praktiziert und wenn man sich einbringt bekommt man unendlich viel zurück!
Zusammenfassend würde ich behaupten ich würde die 2 Monate PJ in Kapstadt gegen all die restlichen 10 Monate des Praktischen Jahrs eintauschen. Ich kann eine solche Erfahrung jedem und jeder mit Interesse an der Notfallmedizin und Trauma, Abenteuerlust und Weltoffenheit wärmstens empfehlen.
Bewerbung
Das Tygerberg Hospital bzw. die Stellenbosch Universität öffnet ihre Bewerbungsprozesse für ausländische Studierende immer erst 1 Jahr vorher. Ich habe mich schon weit vorher informiert und stand schon lange in Kontakt mit dem International Office. Der Bewerbungsprozess läuft dann unkompliziert und leicht verständlich über das Applicant Portal der Stellenbosch Universität. Informiert euch vorher welche Unterlagen und Nachweise benötigt werden. Bei mir waren das neben klassischen Sachen folgende „special“ Unterlagen: Sprachnachweis (ich habe mir meinen alten Sprachnachweis von meiner Uni einfach erneut bestätigen lassen, das war dann wohl offiziell genug), Dean Letter, Bestätigung der Auslandsreise-Krankenversicherung und das Bewerbungsformular.
Ansonsten ist Paul Beresford, der aktuell der Ansprechpartner ist wirklich der hilfsbereiteste und netteste Mensch den ihr in Südafrika treffen werdet. Und vor allem ist er, entgegen der afrikanischen Norm, superschnell im Antworten.
Unterricht
Kein Unterricht
Inhalte
EKG
Bildgebung
Patientenvorstellung
Tätigkeiten
Patienten untersuchen
Untersuchungen anmelden
Patienten aufnehmen
Mitoperieren
Chirurgische Wundversorgung
Notaufnahme
Blut abnehmen
Punktionen
Braunülen legen
Eigene Patienten betreuen
EKGs
Gipsanlage
Dienstbeginn
Schichtdienst
Dienstende
Schichtdienst
Studientage
Gar nicht
Gehalt in EUR
-
Gebühren in EUR
ca. 600-650€ pro Monat

Noten

Team/Station
1
Kontakt zur Pflege
4
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
2
Unterricht
1
Betreuung
1
Freizeit
3
Station / Einrichtung
1
Gesamtnote
1

Durchschnitt 1.53