Ich habe mein PJ-Tertial in der Unfallchirurgie und Orthopädie am Kantonsspital Luzern absolviert und kann ein Tertial dort uneingeschränkt weiterempfehlen.
Für mich persönlich war dieses Tertial besonders lehrreich, da ich zuvor nur wenig unfallchirurgische Vorerfahrung hatte und auch insgesamt noch nicht häufig im OP gearbeitet hatte. Dennoch wurde ich sehr gut eingearbeitet, hatte jederzeit Ansprechpartner und habe im Verlauf viel gelernt. Man übernimmt von Beginn an deutlich mehr Verantwortung als in Deutschland (insbesondere in den Ambulanzen), arbeitet eigenständig und wird voll in den klinischen Alltag integriert. Dies war insbesondere für einige Mit-UHUs erst etwas abschreckend, jedoch wird man so auf den Klinikalltag nach seinem PJ gut vorbereitet.
Arbeitsbereiche und Ablauf:
Die Haupttätigkeiten verteilen sich auf Sprechstunden (Trauma, Hüfte, Knie, Schulter, Fuß), den OP und seltener die Station (wenn man möchte, kann man auch hier einen Tag mit einem Stationsarzt mitlaufen). In der Ambulanz sieht man schnell eigenständig Patienten, zunächst Nachkontrollen, im Verlauf auch, je nach Vertrauen der OAs, dann Neuvorstellungen, wodurch man deutliche Lernfortschritte erzielt . Man führt selbst Anamnese und körperliche Untersuchung durch, bespricht anschließend jeden Fall kurz mit einem Kaderarzt, macht Therapievorschläge und verfasst den Sprechstundenbericht. Dabei erhält man regelmäßig konstruktives Feedback, lernt effizient die ärztlichen Tätigkeiten und verbessert seine diagnostischen Fähigkeiten sehr. Zum Start empfehle ich zunächst ein paar Tage in der Trauma- oder Kniesprechstunde, da man hier einen guten Start hat und sehr unterschiedliche Krankheitsbilder sieht.
Für den OP teilen sich die Unterassistenten eigenverantwortlich ein, je nach OP-Plan und persönlicher Präferenz. Meist funktionierte die Abstimmung problemlos, dies ist aber abhängig von den Mit-UHUs. Wer beispielsweise an einem Tag lieber in die Ambulanz möchte oder weniger im OP sein will, findet meist unkompliziert Möglichkeiten zum Tauschen.
Durch die gute Besetzung ist man meist zweite Assistenz, hält Haken und hilft regelmäßig beim Nähen oder kann auch mit der Zeit kleinere Schritte, wie zum Beispiel Metallentfernung, durchführen ( je nach Vertrauen der operierenden Ärzte und insbesondere im ambulanten OP gemeinsam mit den Assistenzärzten). Alle Assistenzärzte haben sich die Zeit genommen, etwas zu erklären und Tipps zu geben. Auch die Oberärzte und Leitenden Oberärzte haben immer gerne Fragen beantwortet.
Besonders positiv und anders als in vielen deutschen OPs war die Atmosphäre im OP-Saal: OTAs, Operateure, Anästhesieteam und Lagerungspflege arbeiten freundlich und respektvoll miteinander. Man fühlt sich stets willkommen.
Team und Arbeitsklima:
Ein großer Pluspunkt war für mich die Stimmung im ärztlichen Team. Das Verhältnis zu den Assistenzärztinnen und -ärzten war wirklich sehr nett, alle waren hilfsbereit und immer offen für Fragen. Auch mit mehreren Oberärzten hatte man guten Kontakt. Zum gemeinsamen Mittagessen und Eis oder Kaffee auf der Terrasse wurde man gerne mitgenommen!
Arbeitszeiten und Fortbildungen
Ein regulärer Arbeitstag geht von 07:10 bis 17:40 Uhr mit 30 Minuten Mittagspause. Trotz der Länge gingen die Tage meist schnell rum. Man hatte immer genug Zeit für Pausen! Zusätzlich gibt es Pickett-Dienste (Rufbereitschaft), die unter der Woche abends und nachts sowie am Wochenende rotierend übernommen werden und gut vergütet werden. Wird man gerufen, erhält man die Zeit zusätzlich als Kompensationszeit gutgeschrieben. Dies kommt jedoch meistens nur am Wochenende vor, wenn wirklich eine zweite Assistenz benötigt wird.
Es finden fast täglich Besprechungen und Fortbildungen statt, an denen man teilnehmen kann:
- zweimal wöchentlich Assistenzarztweiterbildungen
- wöchentliche Unterassistentenfortbildung
- gelegentlich zusätzliche Kurse wie Nahtkurse oder Gipskurse
- Freitags im Nachmittagsrapport gibt es Snacks und Getränke für alle
Wohnen und Freizeit
Wer früh genug dran ist, erhält einen Platz im Personalwohnheim direkt auf dem Klinikgelände, fussläufig zu allen Häusern. Die Zimmer sind zweckmässig, das Preis-Leistungs-Verhältnis für Schweizer Verhältnisse sehr gut, auch im Vergleich zu Zürich und anderen Krankenhäusern, sowohl Lage und Preis sind unschlagbar im Vergleich!
Luzern selbst ist eine sehr schöne Stadt mit viel Freizeitwert. Zwischen März und Juni war es abends lange hell, sodass man trotz langen Arbeitstagen viel Zeit draussen verbringen konnte. Diese Zeit würde ich auch allen empfehlen, da es im Winter die Tage deutlich kürzer sind. Schwimmen, Wandern, Fahrrad fahren oder Wochenend-Ausflüge in die Berge zum Skifahren sind möglich. Auch kulturell hat Luzern viel zu bieten.
Fazit
Für alle, die an Unfallchirurgie und Orthopädie interessiert sind, insbesondere, wenn man noch nicht so viele chirurgischen Erfahrungen hat, ist das PJ-Tertial in Luzern eine gute Wahl. Man lernt sehr viel, arbeitet eigenständig und hat ein nettes Team um sich!