PJ-Tertial Neurologie in Kantonsspital Aarau (6/2010 bis 9/2010)

Station(en)
Haus 4, 1, 7, 2
Einsatzbereiche
Station, Notaufnahme
Heimatuni
TU Muenchen
Kommentar
Voller Vorfreude begann ich mein Tertial auf der Neurologie in Aarau im Sommer 2010. Noch war ich voller Tatendrang, denn ich wusste ja nicht was da auf mich zukommt. Es sollte ein sehr langer Sommer werden.
Die Stadt: nettes Städtchen mit einer idyllischen Altstadt am Ufer der Aare, die leider wegen ihren Strömungen und dem flussaufwärts gelegenen Atommeiler nicht unbedingt zum Baden einlädt; außer dem Aldi haben die meisten Geschäfte schon zu, wenn man Feierabend hat; ab September ist es in Aarau sehr neblig
Das Wohnheim; es gibt zwei davon und in keinem gibt es Internet:
- das Haus 27 am Klinikgelände, wo fast nur Unterassistenten wohnen und die Ärzte ihre Bereitschafts-Zimmerchen haben. Hier lernt man schnell neue Leute kennen, es gibt regelmäßig Feste auf der riesigen Dachterrasse und die Zimmer sind ca. 14 qm groß mit Holzfußboden
- das Haus 39 gleich neben dem Klinikgelände, wo alle möglichen Leute wohnen (auf meinem Stock waren das nur Bauarbeiter)und man dadurch veranstaltungstechnisch wie hinter dem Mond lebt. Für das gesamte 12-stöckige Haus gab es gerade mal 1 Waschmaschine (die anderen beiden waren schon seit Wochen kaputt) und auf die Idee den Trockenraum zu benutzen kommt man auch nur einmal. Nachdem die besten Sachen dann geklaut sind improvisiert man sich eine Trockenvorrichtung in dem ca. 8qm Minizimmer, wo auch noch das Fahrrad steht, da sogar im Fahrradkeller Bügelschlösser aufgesägt wurden. Das Glück ein Zimmer zur Westseite zu haben führte zu dem unangenehmen Effekt, dass sich die Fassade so aufheizte, dass ich sogar noch um 3Uhr nachts ca. 26 Grad im Zimmer hatte. Optimal für einen ruhigen Schlaf. Wenn man kochen möchte sollte man vom Öl bis zum Kochtopf alles mitbringen (je nach Stockwerk findet man nicht mal einen Kaffeelöffel) auch wenn es schwierig sein wird die Utensilien in den Minischränkchen zu verstauen. Dafür darf man dann ca. 370 CHF Miete zahlen.
Die Station: damit der Workflow möglichst effektiv und die Mitarbeiter fit bleiben sind die neurologischen Patienten in 3 unterschiedlichen Häusern untergebracht und auch da möglichst auf unterschiedlichen Stockwerken. Nur im Haus 4 liegen die Patienten auf einem Stock. Das führt dazu, dass man jeden Tag mind. eine Stunde mit sportlichen Spaziergängen auf dem Klinikgelände verbringt.
Der Alltag beginnt um 8 mit dem Morgenrapport, danach beginnt die Visite, die auch mal bis um 2Uhr nachmittags dauern kann. Das liegt daran, dass das Haus ein ausgeklügeltes papierenes Informationssystem besitzt und man jeder 2. Anforderung oder Konzil hinterhertelefonieren muss, da sie auf dem Weg durch die Rohrpost verschollen sind. Nun ja, es gibt auch noch Computer. Der UHU erhält ein Passwort für das Programm, in dem man Briefe schreibt. Daneben gibt es aber noch zahlreiche Programme für die Einsicht ins Labor, für die Bildgebung usw. die jedoch alle ein eigenes Passwort benötigen, welches der UHU aber nicht bekommt. D.h. ohne die Kulanz der Mitarbeiter kann man nicht mal das Labor eines Patienten einsehen.
Elektive Patientenaufnahmen gab es ca. 1-2 pro Woche, die meisten Patienten kommen über die Notaufnahme. Anders als in Deutschland wird da schon der Großteil der Untersuchungen durchgeführt und man muss auf Station den Patienten nur weiterführen, d.h. er wird nicht nochmals untersucht. Wenn man nicht am Notfall arbeitet hat man kaum die Gelegenheit eine neurologische Untersuchung zu lernen.
Nach einem ausgiebigen Essen in der wirklich tollen aber recht teuren Kantine (Gerichte zw. 10 und 15 CHF) werden am Nachmittag Briefe geschrieben und der anstehende Papierkram erledigt und der ist in Aarau immens. Als UHU hilft man beim Schreiben, so gut es geht, jedoch verzweifelt man bald daran, daß es zu fast keiner Untersuchung einen zeitnah erstellten schriftlichen Bericht gibt. Fast alle Entlassungsbriefe beinhalten mündliche oder selbst erstellte Befunde, was den UHU natürlich völlig verrückt macht, da er ja nicht selber den Radiologen anrufen oder MRTs befunden kann.
Mit etwas Glück darf man dann zw. 17 und 18 Uhr völlig genervt nach Hause gehen.
Aufgabenfelder für UHUs: Beim Eintritt erhält man ein Schreiben von der Sekretärin welches eine To-Do-Liste für Studenten beinhaltet. Dieses beschreibt auf 2 DINA4 Seiten, wie man die Arbeitsliste am Morgen erstellen soll. Sie enthält nichts anderes. Dies bringt die Sache auf den Punkt: absolute Sinnlosigkeit. Ich bin daran fast verzweifelt.
- Erstellung einer Patientenliste als Arbeitshilfe für alle Mitarbeiter der Neurologie. Dazu braucht man am Morgen ca. 30min und es beinhaltet den Kern des UHU-Daseins in Aarau. Eine Woche vor Austritt erwähnte eine Kollegin eine Software, in der die Bettenbelegung einzusehen ist. Das hätte den Arbeitsaufwand halbiert, jedoch bekommt man als UHU kein Passwort dafür. Also lieber 10 Telefonate führen als einmal im Computer nachschauen.
- Einheften von Befunden, Sortieren derselben und Anlegen von roten Patientenordnern.
- mit Hausärzten telefonieren, um Vorberichte zu erhalten
- Mini Mental Test und Schellong Tests durchführen (man darf ja nicht zu anspruchsvoll sein).
- Neuroüberwachung einer Lyse wobei man im Zeitraum einer Stunde die Vitalparameter in eine Tabelle eintragen muss (auch sehr anspruchsvoll).
- mit viel Glück kommt man dazu eine Lumbalpunktion durchzuführen, wobei einem auch niemand zeigt, wie das geht
- Patienten auf dem Notfall aufnehmen (je nach Assistenzarzt sehr lehrreich und spannend oder total frustrierend)
- eher selten Patienten auf der Station aufnehmen und den Eintrittsbericht schreiben
- 80% der Zeit begleitet man die Assistenten bei Visite, dackelt mit ihnen über das Klinikgelände, schaut zu, hält den Mund und versucht dabei nicht total abzuschalten oder auszurasten
Rolle der UHUs: Wozu die Schweiz deutschen UHUs 1500 CHF bezahlt, ist mir nach wie vor schleierhaft. Nachdem nicht mal ein Assistent ohne Genehmigung des Oberarztes eine Entscheidung treffen darf, ist die Rolle des UHUs fast nicht erwähnenswert. Innerhalb der 16 Wochen wurde keiner meiner Kommentare oder Meinungen in irgendeiner Weise wahrgenommen geschweige denn gewürdigt, auch wenn man die Patienten selber aufgenommen hat und sie nun vorstellt. Ob die neurologische Untersuchung richtig war interessiert auch keinen, es gibt selten die Gelegenheit Dinge zu diskutieren. Nicht nur meiner Meinung nach kann der Hauptteil der in Aarau anfallenden Aufgaben für UHUs auch von Hauptschülern ausgeführt werden und benötigt nicht 7 Jahre Studium.
Team: viele Leute, kein Team. Jeder Oberarzt hat sein eigenes Behandlungskonzept und seine eigene Weise die Assistenten zu betreuen. Die meisten Assistenten hatten zu meiner Zeit kaum neurologische Erfahrung, da sie fast alle Berufsanfänger waren oder von der Inneren kamen. Die Stimmung war fast durchweg gespannt, weil fast alle Mitarbeiter am Leistungslimit arbeiteten. Es gab kaum Zeit für Erklärungen, man wurde nicht mal richtig in den Workflow eingearbeitet. Natürlich ist man auch nie miteinander ausgegangen.
Fortbildungen: 2 Wochen vor Austritt erfuhr ich von einer neuroradiologischen Fortbildung, die einmal die Woche stattfand. Sogar die Oberärztin wusste davon, jedoch sah sie keine Veranlassung mich darüber zu informieren. Das war die einzige sinnvolle Veranstaltung von der ich weiß. Die EEG-Besprechungen oder abstruse Studien sind für den Studenten eher uninteressant.
Arbeitszeiten: jeden Tag ca. 10 Stunden; je nach Besetzung 1-2mal im Monat Wochenendschicht am Notfall, so daß man dann 12 Tage am Stück arbeitet. Dafür bekommt man dann einen Tag als Kompensation. Daß man das mit UHUs machen kann, da sie ja nicht unters Arbeitsschutzgesetz fallen, musste ich mir auch schon anhören.

Fazit: Ich habe das Tertial irgendwie rumgekriegt, es war jedoch eine eher aufreibende, unbefriedigende und frustrierende Zeit für mich. Wer etwas über Neurologie lernen möchte, sollte sich ein anderes Haus suchen, auch wenn man hier viele verschiedene zum Teil auch seltene Krankheitsbilder sieht. Es gibt leider so gut wie keine Betreuung, und niemanden interessiert es, daß wir uns auf ein schweres Examen vorbereiten müssen. Ich kam mit maximaler Energie und Motivation nach Aarau, nach einem Monat war ich am Ende und hatte immer noch 2,5 Monate vor mir.
Bewerbung
Da es in der deutschsprachigen Schweiz nur 4 oder 5 Häuser gibt, in denen man sein Neurologie-Tertial ableisten kann sollte man sich ca. 2 Jahre vorher bewerben, um sicher eine Stelle zu haben. Anders als für Chirurgie und Innere wird es schwer sein, kurzfristig eine Stelle zu bekommen.
Meist sind 4 UHUs da, wenn nicht darf man auch entsprechend öfter am Wochenende arbeiten.
Unterricht
1x / Woche
Tätigkeiten
Briefe schreiben
Röntgenbesprechung
Patienten untersuchen
Notaufnahme
Rehas anmelden
Botengänge (Nichtärztl.)
Untersuchungen anmelden
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
17:00 bis 18:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Kleidung gestellt
Mittagessen regelmässig möglich
Unterkunft gestellt
Gehalt in EUR
1500 CHF

Noten

Team/Station
4
Kontakt zur Pflege
3
Ansehen des PJlers
5
Klinik insgesamt
4
Unterricht
5
Betreuung
6
Freizeit
5
Station / Einrichtung
3
Gesamtnote
5

Durchschnitt 4.53