Zu aller Erst: Allgemeinchirurgie in Rendsburg ist fast uneingeschränkt zu empfehlen und ich hatte eine sehr gute und schöne Zeit dort.
Plus:
-Nettes Team, gute bis sehr gute Stimmung
-Recht gute Einbindung im OP
-Selbständiges Arbeiten
-Dienste könnten kaum besser sein
-Mittagessen umsonst und fast immer möglich
-150 € Fahrgeld (!)
Minus:
-SEHR sporadischer (wenn auch guter) PJ-Unterricht
-kein Studientag
-Betreuung eigener Patienten manchmal nur eingeschränkt möglich
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Für alle, die viel zeit haben und es genau wissen wollen folgt eine etwas genauere Beschreibung...
Zusätzlich noch als Information vorweg: Ich habe nur ein halbes Tertial in Rendsburg gemacht, die ersten 8 Wochen war ich in Kanada - verglichen dazu hat mich in Rendsburg anfangs vieles gestört, was sicher auch daran liegt, dass man Auslandsaufenthalte (wenn sie gut waren) im Nachhinein ersteinmal verklärt und man zumindest in Kanada oft sehr schnell sehr selbständig arbeiten kann und Unterricht dort einen ganz anderen Stellenwart hat als in Deutschland. Daher mögen manche Punkte meiner folgenden Beurteilung etwas überzogen klingen.
Das Klima im ganzen Krankenhaus und auf Station ist von wenigen Ausnahmen abgesehen gut bis sehr gut. Etwas Engagment vorausgesetzt wird man schnell in das Team integriert.
Station: Morgens wird auf Station erwartet, dass man alle Blutabnahmen für den Tag bis 9 Uhr durchführt - das schwankt zwischen 2 und 15 Stück. Ich bin meistens gegen viertel nach 7 auf Station gewesen - so hat man genug Zeit, kann um 8 zur Frühbesprechung (die in netter Runde recht informell stattfindet) und kann - wenn man eigene Patienten hat - auch nochmal kurz in einige Zimmer schauen.
Auf einigen Stationen gibt es gegen 9 gemeinsames Frühstück mit den Schwestern, was den Tag deutlich entspannt und sehr nett ist.
Die Betreuung eigener Patienten ist möglich, war aber in meinem Fall etwas unbefriedigend. Auch in diesem Haus gibt es zuwenig Leute für zuviel Arbeit, manche Entscheidungen über Patienten werden im OP zwischen Tür und Angel entscheiden und oft ist man nur zu 50% über "seinen" Patienten informiert. Wenn sich niemand die Zeit nimmt bzw. niemand die Zeit hat, die eigenen Vorschläge und Befunde mit einem zu besprechen, ist das ganze für alle Seiten eher eine zusätzliche Belastung und recht unbefriedigend - fairerweise muss man sagen, dass zu dieser Zeit nur einen Arzt/Ärztin auf der ganzen Station gab. Ich habe die Patienten daher wieder abgegeben.
Unter anderen Voraussetzungen ist das aber durchaus möglich und auch sehr lehrrreich - das hängt etwas von der Personalsituation auf Station ab.
OP: Meistens verbringt man den Vormittag im OP. Erste Assistenzen bei kleineren Eingriffen (Galle, Hernien-OP etc.) macht man sehr schnell. Auch bei größeren Eingrifen kann man - mit etwas Glück in der Regelarbeitszeit oder gelegentlich im Dienst - auch erste Assistenzen bei größeren Eingriffen machen (z.B. unkomplizierte Heimocolektomie). Nähen darf man auf Nachfrage, wenn man im OP aber nicht öfters ´nervt´ und nachfragt, kommt man dort nicht sehr häufig dazu.
Hakenhalten ist relativ oft angesagt, wobei man bei entsprechenden Nachfragen meistens einiges lernen kann.
Die OP-Schwestern sind ausnahmslos freundlich und hilfsbereit - keine Selbstverständlicheit !
Ambulanz: Ist man nicht im OP eingeteilt, arbeitet man meistens in der Ambulanz. Je nach eigenem Engagment kann man dort Patienten alleine aufnehmen, untersuchen und Folgeuntersuchungen anmelden, nach Rücksprache mit den Ambulanzärzten darf man auch Aufklärungen durchführen (Ich persönlich habe das bei den Eingriffen gemacht, bei denen ich schon einige Male assistiert habe).
Lehre: Ein deutlicher Minuspunkt ist der PJ-Unterricht. Trotz endloser Nachfragen und vieler Versprechen hatte ich in 8 Wochen nur 2 mal (!) Unterricht - enttäuschend. Fairerweise muss man sagen, dass dieser Unterricht dann auch wirklich gut und sehr praxisnah war. Wer Unterricht möchte (der im PJ ja eigentlich selbstverständlich sein sollte), muss Oberärzten und Chef hier aber manchmal bis über die Schmerzgrenze hinaus auf die Nerven gehen - das ist nicht immer angenehm.
Dienste: Die Dienste sind uneingeschränkt empfehlenswert. Ab 16.00 ist in der Ambulanz (dort verbringt - wenn nicht im OP - man den Dienst) ein Chirurg/Urologe für alle chirurgischen Fälle zuständig und jede Hilfe wird dankbar angenommen. Einige Ärzte machen hier (wenn die Ambulanz nicht völlig überlaufen ist) regelrechtes Praxistraining mit exzellentem Unterricht am Patienten, alle erklären viel und gerne. Man darf Wunden versorgen, nähen, selbständig Patienten (auch kleinere Nofälle) untersuchen, Röntgenbilder auswerten und weitere Diagostik planen - besser geht es kaum.
Wäre nicht der sporadische Unterricht, wäre das das perfekte Krankenhaus fürs PJ.