Grund für mein gute Bewertung ist, dass ich wirklich sehr zufrieden war. Bis auf einen kleinen Kulturschock (die Sprache ist wirklich kaum zu vertehen die ersten Paar Tage) und unterschwelliger Anfeindungen einzelner Schweizer gegen die Deutschen hatte ich eine sehr lehrreiche und aufregende Zeit.
Klinikalltag: Im Krankenhaus kommt man in der Regel erst für einige Wochen auf Station, wo man mit einem Assi herumläuft und sich an den Klinikalltag gewöhnt. Man macht Aufnahmen geht mit auf der Visite, kann sich an Therapikonzepten und Verordnungen beteiligen (je nach Arzt versteht sich) und schliesslich Entlassungsbriefe schreiben oder diktieren, je nachdem. Ausserdem macht man noch hin und wieder arterielle BGA´s und meldet natürlich auch mal Röntgen oder Reha an (kein nerviges Blutabnehemn oder Viggo legen, das machen alles die Pflegekräfte). Zudem wird man für zwei wochen auf der Gastro zum Propofol-spritzen bei ERCP bereitgestellt.
So ziemlich alle Assistenten waren schwer in Ordnung aber manchmal etwas gestresst, sodass sie nicht immer die Zeit für Erklärungen fanden. So richtig verloren kommt man sich aber kaum vor, weil man als UA (unterassistent, bitte nicht "Uhu", denn das heisst Unterhund!!!) konkrete Aufgaben hat, die man ausführen soll. Da man also eine feste Rolle im Klinikalltag einnimmt, wird man auch respektiert und für voll genommen. Beeindruckend war, dass der Kontakt zu Oberärzten und leitenden Ärzten stets sehr entspannt war, man hat sich gedutzt und durfte Patienten alleine vorstellen. Ausser auf Station rotiert man in der Regel auf die Kardiologie, wo man Patientin für Coros vorbereitet und aufs Ergometer packt (natürlich auch viele EKGs auswertet) und schliesslich rotiert man auch auf die Königsdisziplin, auf die Notfallambulanz. Da ist man ohnehin ca. einmal im Monat für den Wochenenddienst (dafür sind dann die zwei folgenden Werktage frei), sodass man recht schnell mit der Arbeit vertraut wird. Das Triemli hat wohl eine der grössten Notfallstationen der Region (angeblich grösser als die der Uni), sodass da auch öfter mal ein Hubschrauber landet (gut, das sind dann eher chirurgische Fälle...). Auf dem Notfall hat man am meisten Autonomie, darf Patienten selber betreuen, einige Untersuchungen anmelden und (nach einer Zeit) auch Blutentenahmen verordnen. Dann bespricht man mit den Oberärzten(!!) wie es weitergeht und entlässt den Patienten oder schickt ihn auf Station. Gut, ehrlicherweise gibt es immer noch einen Assi, der für das Ganze verantwortlich ist, sodass man selber nicht allzu viel Mist bauen kann, aber im Grunde genommen kann man sich um ganz simple Fälle (z.b. vasovagale Synkope) weitgehend selber kümmern.
Was die Fortbildungen angeht, so sind sie für Assis konzipiert, da werden nämlich eher Paper vorgestellt und kein Grundlagenunterricht für Studenten gemacht. Das ist ein wenig enttäuschend aber es werden trotzdem interessante Themen besprochen.
Essen und Wohnen: Es gibt eine leckere Kantine, leider kostet aber ein Mittagessen umgerechnet 6 Euro, sodass die meisten Studenten sich doch was von zu Hause mitbringen. Was ja auch kein Problem ist, ist doch das Wohnheim nebenan. Dort kriegt man übrigens ein sauberes kleines Zimmer mit Bett, begehbarem Wandschrank und Kühlschrank. Duschen und Toiletten sind auf dem Flur, ebenso eine Kücke mit Herd und Ofen. Es wird regelmässig geputzt und eigentlich begegnet man nur selten jemandem auf dem Flur. Schockierend ist, dass man im Wohnheim KEIN INTERNET hat. Jeder neuankömmling schreibt näNlich erstmal ne Anfrage an diverse W-lan quellen unten im Aushang, aber stets vergebens, es meldet sich nie einer. Das Problem ist, dass im Wohnheim kein Internet zu verfügung steht. Will man sich eines einrichten, so geht das nur für eine Laufzeit von einem Jahr...Gott sei dank kann man auf Station seine Mails checken und ein bisschen surfen. Auf Facebook und co. kann man in der Bib ganz oben im Hauptgebäude reingehen.
Freizeit: Das Triemli steht am Fusse das Uetlibergs und ist an sich schon auf einer Höhe von ca 400m mit einem fantastischen Blick über die gesamte Stadt versehen, den man aus fast jedem Fenster geniessen kann. Nicht zuletzt auch vom Dach des Wohnheims aus, welches stets zu Bier und kleinem Sonnenbad einlädt. Ansonsten bietet Zürich einen Haufen toller Sachen, leider aber nur für Menschen die Geld haben. Darauf muss man sich echt einstellen, die Stadt ist unfassbar teuer, Lebensmittel einkaufen ist einfach mal doppelt so teuer wie in Deutschland. Da muss man dann schon Lidl oder Aldi suchen oder den indischen Gemüsehändler, um über die Runden zu kommen. Wenn man da aber ein Auge zumacht, dann kan man echt so ziemlich alles machen, von Sonnebaden in teils kostenlosen Bädern, über spazieren gehen und grillieren am Uetliberg oder in der Stadt und Bötchen fahren im See bis hin zu Bierchen trinken in der Langstrasse und feiern gehen in Züri-West. Auch kulturell ist immer was los, ständig gibt´s irgendwo live musik und irgendwelche Aktionen. Das Theater ist wirklich sehr gut und ne Oper gibt es für interessierte auch. Und wenn einem das Ganze nicht genug war, dann kann man sich die Schweiz angucken fahren oder gar nach Norditalien abhauen. Ich will nun den Rahmen dieses Berichtes nicht noch mehr sprengen und sage nur, dass man in jeglicher Hinsicht auf seine Kosten kommt.
Für die die unentschlossenen sind, hier also nochmal die wenigen Contras:
- die Sprache (ist für ungeübte am anfang echt schwer zu verstehen, aber man gewöhnt sich dran...)
- hohe Preise
- überspitzt gesagt "fremdenfeindlichkeit", die sich erstaunlicherweise nicht zuletzt gegen Deutsche richtet (das darf man jetzt aber nicht so verstehen, dass man von allen seiten agepöbelt wird, man kriegt eher hier und da nen dummen Spruch gesteckt, z.B. von Verkäufern nach dem Motto "das mag ja in Deutschland so sein, aber bei uns hier in der Schweiz...").
die Pro Liste findet sich in recht ausführlicher Natur im obigen Text wieder :D.
kleine Tipps:
- kostenloses Konto gibt´s bei Post finance
- Prepaid um günstig nach Deutschland zu telefonieren gibt´s bei lebara
- im sommer am besten schnell Samstags auf dem Flohmarkt (Helvetiaplatz) ein Fahrrad besorgen, Bahnfahren ist nervig teuer
- Parkplätze gibt es in der gesamten Stadt nicht, lasst euch nichts vormachen. Ein Auto dort zu haben ist ein einziger "pain in the ass".
Für Fragen stehe ich gerne offen, ansonsten wünsche ich ne schöne Zeit in Zürich!!
Bewerbung
Beworben habe ich mich mit einem Jahr Vorlaufzeit und war überrascht, dass es noch geklappt hat. Das Triemli ist aber sehr bemüht viele Unterassistenten zu haben (bis zu 10 in der Inneren), sodass man gut Plätze kriegen kann. Bewerbung lief per Post direkt ans Chefarztsekretariat, hatte vorher aber angerufen und mich erkundigt. Sonst ist alles sehr unkompliziert: das Sekretariat schickt einem alle Informationen, die man brauchen könnte, zu.