PJ-Tertial Plastische Chirurgie in Inselspital Bern (3/2016 bis 5/2016)
Station(en)
F
Einsatzbereiche
OP, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde
Heimatuni
Bern (Schweiz)
Kommentar
Ich war im Rahmen des Schweizer Wahlstudienjahrs (ähnlich Deutsches PJ) einen Monat auf der Plastischen Chirurgie. Mir hat es sehr gut gefallen! Das Praktikum war aber hin vielerlei Hinsicht etwas speziell, darum ein etwas detaillierterer Beschrieb:
Am ersten Tag erhielt ich keine Einführung, sondern mir wurde der Piepser in die Hand gedrückt und dann gings grad in den OP. Der Assistenzarzt hat mir erklärt wies läuft: die Unterassistenten (UAs) decken den eigenen OP-Saal und die OPs in externen Sälen ab, und können sich darüber hinaus an den Kleineingriffen in der Dermatologie (i.d.R. Di, Mi, Fr Vormittag, manchmal jedoch keine) und an der Sprechstunde in der Poliklinik beteiligen (jeden Nachmittag ca. 13:00-16:30). Die Blockstudenten (Studenten aus dem 4. SJ) erhalten diesen "Plan" von der Uni auf Papier, die Wahljahrstudenten jedoch nicht. Auf der Station hat man keine (!) Aufgaben. Auch für den Assistenzarzt gibt es dort nur wenig zu tun. Visite (=Chef-/Oberarztvisite) 1-2x wöchentlich nach dem Morgenrapport um 07:30. Auch da werden wiederum nur die Wunden beurteilt, mehr zu tun gibt es halt nicht wirklich. Der Morgenrapport ist zusammen mit der Handchirurgie, da sich diese zwei Disziplinen die Station und den Dienst teilen. Jeder Plastiker kann also auch eine Handverletzung beurteilen. Das macht den Morgenrapport jeweils ziemlich spannend, ausserdem habe die Plastiker nicht so häufig was los auf dem Dienst. Das Team besteht aus einem Chefarzt, drei Oberärzten (wobei einer extrem erfahren und dem Chef nahe) und sechs Assistenzärzten (resp. Stv. Oberärzte), die jedoch nie alle gleichzeitig anwesend sind. Einer davon hat jeweils Dienst, einer betreut die Station.
Die Hauptaufgabe des Unterassitenten ist der Operationssaal. OP-Beginn ist meist etwas nach 8 Uhr (meistens reicht es noch für einen Kaffee vorher) und OP-Ende sollte (...) im eigenen OP-Saal vor 4 Uhr sein. Bei den Operationen ist man meist 2. Assistenz, manchmal erste, manchmal 3. Man hat aber eigentlich immer was zu tun, speziell wenn man sich schon etwas auskennt und nicht nur auf Anweisungen des Operateurs wartet. Wieviel man selber machen kann, hängt stark von eben diesem ab. Man muss etwas rausfinden, bei welchen AAs/OAs man viel selber machen darf. Die Regel ist aber schon, dass man selbst zunäht. Daran muss man die Ärzte anfangs etwas erinnern (kurz nachfragen ob man nähen darf), und sobald sie sehen, dass man nicht gerade zum ersten Mal einen Nadelhalter hält ist man die gebuchte "Nähmaschine".
Der Operationssaal befindet sich nicht im INO, sondern in der Augenklinik, wo ein kleiner Operationstrakt aus 3 Sälen ist, deren zwei für die Ophthalmologen und einer für die Plastiker. Durch diese "Separation" vom grossen Operationstrakt ist die Atmosphäre sehr familiär. Ich bin in meinem Leben noch keinem so netten OP-Team begegnet. Als Stundentin bin ich mir gewohnt, dass der/die TOA (Operationsschwester) erst einmal meine Feindin ist, bevor sie sich vergewissert hat, dass ich keine Dummheiten anstelle. Ganz anders hier. Man wird vom ersten Moment an freundlich behandelt, Sterilitätsfehler oder dergleichen werden einem in normalem Ton mitgeteilt, man macht zusammen Witze. Das bedingt natürlich, dass man sich auch gegenseitig hilft. Sowieso ist die Aufgabe des UAs, nach dem OP beim Abdecken, Rausfahren, Umlagern und Gipsen/Verbinden zu helfen, und gegebenfalls auch vor der Operation beim Lagern. Trotz dieser Aufgaben bleibt aber immer noch eine Zeit für eine kurze Pause zwischen den Operationen. Im Aufenthaltsraum des OPs gibt es gratis Kaffee, Sirup, Früchte und ganz viel Brot mit Butter und Konfitüre. Wenn das OP-Programm reibungslos läuft, reicht es oft nicht für ein Mittagessen im Personalrestaurant. Man kann Essen mitnehmen und in den Kühlschrank stellen, da ich aber nie wusste, wie der Tag laufen wird oder wo ich sein werde, habe ich mich halt von Brot und Früchten ernährt. ;)
Das Operationsspektrum ist riesig. Es sollte aber jedem bewusst sein, dass das Inselspital KEINE rein ästhetischen Eingriffe macht, sondern praktisch ausschliesslich Rekonstruktives und Defektdeckungen. Das Inselspital ist kein Verbrennungszentrum, die gibt es in der Schweiz nur in Lausanne und Zürich, hier werden nur oberflächlichere resp. kleinere Verbrennungen behandelt. Die meisten AAs waren aber mal in einem Verbrennungszentrum und haben daher Erfahrung. Dann ist die plastische Chirurgie auch ein wenig die Allgemeinchirurgie dieses Unispitals. Abszesse, Dekubiti, Temporalisbiopsien, Muskelbiopsien, Hämatomausräumungen etc. werden von den Plastikern gemacht. Das ist manchmal etwas überflüssig, macht aber das OP-Programm sehr abwechslungsreich. Die "eigentlichen" plastischen Operationen beinhalten beispielsweise Spalthauttransplantationen, Ulkusversorgungen (beides oft mit anschliessendem VAC-Verband), kleine Lappenplastiken (Rotations- und Transpositionslappen), Mastektomien, Melanomentfernungen, und grosse Lappen zur Defektdeckung nach einer anderen Operation. Ich weiss, dass auch Brustrekonstruktionen, Fettschürzenoperationen und Narbenkorrekturen durchgeführt werden, ich habe in meinem Monat allerdings keine gesehen. Da die Plastische Chirurgie im Inselspital traditionell alle Melanomentfernungen inklusive Lymphknoten gemacht hat, hat es sich so entwickelt, dass sie auch grössere Lymphadenektomien macht: axillär und inguinal sind Standards, und auch Neck-Dissections kommen immer mal wieder vor - dafür muss man anderswo auf die HNO.
Drüben in der Dermatologie werden Kleineingriffe in Lokalanästhesie gemacht, wie Biopsien und Spinaliom/-Basaliomentfernungen im Gesicht, ggf. mit einer kleinen Spalthauttransplantation. Dort ist man oft Zudienung/1. Assistenz.
Die Operationen in den externen OP-Sälen finden immer in Zusammenarbeit mit der anderen Fachrichtung statt und sind dann meist auch ausgedehnter. Zum Beispiel ist die Arbeit mit den Orthopäden gut, und man deckt Defekte nach Hüft- oder Unterschenkel-Operationen mit grossen gestielten Transpositionslappen. In der Gynäkologie deckt man inguinale Defekte und mach Mastektomien. In der Urologie gabs einmal eine Glans-Rekonstruktion, und mit den Schädel-/Kiefer-/Gesichtschirurgen eine gigantische Defektdeckung im Gesicht mit freiem Lappen. Solche Operationen finden ca. 1-2x wöchentlich statt und sind immer das Highlight, können mit Pausen aber auch gerne mal 10-12h dauern. Ansonsten kann man jeweils pünktlich nach OP-Ende um 16(-17) Uhr resp. nach Sprechstundenende gehen.
Die Sprechstunde ist unterschiedlich. Manchmal ist der Takt gemütlich, manchmal ist sie zum Bersten voll. Miteinbezogen wird man leider kaum (mit Ausnahme von 1-2 AAs), aber auch hier ist es halt in der Plastischen nicht nötig, Anamnesen und Untersuchungen in voller Länge zu machen, sondern man schaut auf eine Wunde und stellt zwei-drei Fragen. Wenn es Fäden zu ziehen gibt oder Klammern zu entfernen gibt, kann man das als UA gerne machen. Die Verbände macht die Pflege, diese ist aber auch extrem lieb, zeigt einem gerne wies geht und lässt einen auch ran. Ich bin schlussendlich längst nicht jeden Nachmittag in die Sprechstunde, dafür ist sie manchmal einfach zu langweilig. Es hat sich aber definitiv gelohnt, einige Male zu gehen, da man nur so Einblick in die Nachbehandlung von Narben/Wunden erhält (merke: keine Stationsarbeit) und einige ambulante plastische Methoden kennenlernt, sowie länger zu planende Eingriffe (Expander und dergleichen).
Fazit:
- keine Stationsarbeit
- kein Verbrennungszentrum
- fast nur im OP
Vorteile:
- Nettestes OP-Team aller Zeiten, gutes Klima im OP
- der Student näht fast immer fast alles (meist intrakutan, manchmal Donati, sowie subkutikulär und subkutan)
- man sieht das ganze Spektrum des plastischen Chirurgie, von kleinsten Basaliomentfernungen im Gesicht bis hin zu 40cm langen freien Lappen mit Mikroanastomosen
- bis auf die paar langen Operationen pünktliches Arbeitsende
Nachteile:
- das Praktikum ist nicht strukturiert (keine Einführung, keine feste Einteilung, kein eigener Computerzugang), man muss sich selber zurecht finden (daher vielleicht eher geeignet, wenn man schon 1-2 Monate Praktikum hatte und weiss wie es läuft?)
- wenig Patientenkontakt, Sprechstunde mässig
Ich kann das Praktikum nur weiterempfehlen, allerdings nicht unbedingt für länger als einen Monat (viel mehr hätte ich wohl nicht gelernt, nur das Nähen noch etwas gefestigt).
Bewerbung
Früh, die Plastische ist beliebt und sie nehmen nur 2 Studenten gleichzeitig, wobei ein Platz von Mai-November jeweils von einem Blockstudenten der Uni Bern besetzt ist. Email an Frau Sandra Steinmann vom Chefarztsekretariat, rasche Antwort, unkomplizierte Bewerbung.
Impfstatus muss vollständig sein, aber ich persönlich wollte für diesen einen Monat nicht noch einen Varizellen-Titer (?!) machen gehen, wenn ich die Varizellen ganz bestimmt hatte, darum habe ich die entsprechende Forderung einfach ignoriert. Hatte keine Konsequenzen - könnt euch also den Weg zum Hausarzt diesbezüglich sparen.