Im Epsom General Hospital ist viel Eigeninitiative gefragt. Der großartige Lernzuwachs, von dem so viele ältere Berichte schreiben, findet nur statt, wenn man (wie immer) Glück hat und den richtigen Arzt findet. Generell stimme ich sehr mit der Bewertung vor mir überein. In Großbritannien ist der Student nur zum Lernen da und man hat als PJler keine festen Aufgaben. Das kann je nach Station sehr gut bzw. auch sehr frustrierend sein. Ich war auf 2 sehr unterschiedlichen Stationen und möchte diese unterschiedlich bewerten.
Auf der Gastroenterologie sah man Fälle, die teilweise nichts mit Gastro zu tun hatten (Epilepsie, Sturz, TIA etc.), also insgesamt eine angenehme Überraschung. Leider war die Station von der Betreuung her sehr schlecht, hier hat es niemanden interessiert, wann ich komme und wann ich gehe. Alle Versuche, mich den FY1s und Consultants anzuschließen, um Aufgaben erteilt zu bekommen bzw. einbezogen zu werden, scheiterten. Es gab dort nur einen einzigen Arzt, der sich viel Mühe gab mit den Studenten und ihnen Aufgaben wie Untersuchung, Vorstellung etc. erteilte. Leider habe ich ihn zu spät entdeckt. Während der Visite wechselte ansonsten niemand ein Wort mit den Studenten, Fragen wurden mit 'Ja, Nein, lies es nach' beantwortet und man stand eigentlich nur herum. Da es im Epsom Hospital keine wirklichen Arztzimmer und zu wenig Stühle gibt, leidet der Rücken nach einer Weile darunter. Auch ist es dadurch sehr laut und Arzt und Student haben anders als in Deutschland nie wirklich Ruhe, um Fragen/Fälle/etc. zu besprechen. Man konnte essen gehen, wann man wollte, und am Nachmittag kam auf die Frage, ob man noch irgendwie helfen könne, immer ein höfliches (aber deutliches) 'nein'. Ich war voller Motivation vor Beginn dieses Tertials - man kann sich vorstellen wie enttäuscht ich auf dieser Station war.
Man hatte zwar auch die Chance, in die Endoskopie oder ambulante Sprechstunde zu gehen, jedoch lernte man dort genauso wenig wie auf der Station, da niemand mit einem redete. Auf der Notaufnahme lernte ich nur bei dem o.g. Arzt etwas. Wenigstens konnte ich mein medical english etwas verbessern...
Zum Glück verbrachte ich dann aber den größten Teil meines halben Tertials auf der Respiratory Station, die das komplette Gegenteil war. Engagierte FY1s, engagierte Consultants. Die Consultants wechseln sich (ich glaube monatlich) mit der Visite ab, was zu meiner Zeit ganz angenehm war, denn der eine konnte mit seinen Stimmungsschwankungen das Team (und mich) gerne etwas ins Schwitzen bringen. Bei einem musste man morgens noch vor der Visite neue Patienten vorstellen, dafür kommt man eine Stunde früher als sonst (um 8), sucht sich mithilfe der FY1s einen Patienten aus, untersucht ihn komplett und präsentiert ihn dem Consultant. Der Lernerfolg war enorm hoch! Das waren zwar die stressigsten Stunden meines Tertials, aber auch die lehrreichsten.
Der andere Consultant erwartet, dass man dies im Laufe der Woche tut. Er vergaß dann zwar immer wieder die Termine für die Patientenvorstellung, spätestens am Ende erwartet er aber gleich mehrere sauber niedergeschriebene Berichte auf Papier. Man beachte den starken Kontrast zur Gastro-Station!
Auf dieser Station hat man immer etwas erklärt bekommen während der Visite- von allen. Sehr wertvoll! Auch waren die Sprechstunden etwas interaktiver, wenigstens durfte man mituntersuchen und bekam einige Informationen über die Patienten.
Nach der Visite wurde man immer zum Essen geschickt- alleine und nicht mit der Ärzteschaft. Man beachte: In England kommen sich Studenten und Ärzteschaft nicht so nahe wie in Deutschland oder der Schweiz. Ausnahmen gab es wie immer, doch die englischen Studenten und auch die anderen Austauschstudenten der anderen Stationen bestätigten mir dies. Schade, denn ich hatte gerade zu Beginn so viele Fragen zum Gesundheitssystem, für die sonst nie die Zeit war auf Station. Wann man wiederkam, war uns überlassen. Da ich die Station sehr mochte, ging ich meist nach einer Stunde zurück.
Nachmittags baten uns die Junior Doctors an, Anamnesen zu erheben, die Patienten zu untersuchen und ihnen die Ergebnisse vorzustellen. Danach folgte ein langes Gespräch zum Krankheitsbild und zur Präsentation selbst. Sie verbesserten unsere Fehler und meistens konnte man danach gehen. Ich fand es sehr beeindruckend, dass sie trotz all dem Stress noch bereit waren, uns ein so zeitintensives Angebot zu machen. Ich bin danach meist noch in die Notaufnahme gegangen , weil ich so viel wie möglich lernen wollte. Je nach Consultant kann es aber auch sein, dass man bis 17:30 noch in der Sprechstunde bleiben muss.
Mit Berichten, Telefonaten und Bürokratie wird man nicht belastet- man ist wirklich nur zum Lernen da.
Sollte man genug von der Visite haben, kann man sich Bronchoskopien ansehen. Thoraxdrainagen etc. laufen meist nebenher, man muss Glück haben und zur richtigen Zeit am richtigen Ort (oder in der Notaufnahme) sein.
Blutentnahmen ,BGAs und Kanülen legen durfte man im Prinzip, nur sagte einem nie jemand bescheid, wenn es eine gab. So lernte ich in diesen 8 Wochen leider sehr wenig davon. Auf der Respiratory war ein sehr engagierter Junior doctor, der mir in den letzten zwei Wochen half, welche zu ergattern. Leider auch hier das Pech, dass er zu selten auf der Station eingeteilt war.
Nur zum Lernen da zu sein hat den Nachteil, nicht wirklich ernst genommen zu werden. Man kommt sich teilweise sehr überflüssig vor und manchmal sogar als Belastung für das Team, was ich persönlich nicht leiden kann. Ich wäre ihnen gerne eine richtige Hilfe gewesen, nur wünschte es niemand. Eigene Patienten bekam man leider nicht und auch sonst hatte man wenige Aufgaben, was das Patientenmanagement anging.
Dafür konnte man aber so viel untersuchen und sehen, wie man wollte - immer mit dem Angebot, den Patienten vorstellen zu können.
Was die Teachings angeht: Man bekommt am Anfang einen Stundenplan, der sehr beeindruckend aussieht. Letztendlich finden aber nur 3-4 dieser Teachings regulär statt, sind dafür aber auch sehr gut. Das XRay Teaching war (wie alle bisher hier schrieben) phänomenal und hat immer sehr viel Spaß gemacht. Die anderen bestanden aus U-Kursen (sehr gut) und Seminaren zu Krankheitsbildern (weniger gut). Während unserer Zeit dort erhielten wir auch ein Ganztagsteaching zu Immediate Life Support. Während der sog. Grand Round wird ein Vortrag gehalten und danach gibt es meistens ein von Pharmaunternehmen gesponsertes Mittagessen. Generell sollten die Teachings aber nicht der Hauptgrund sein, nach Epsom zu gehen. Es sind die guten alten Fortbildungen, die man auch aus DE kennt.
Offiziell durften wir auch zum Teaching am St. Heliers Hospital (per Shuttle), aber der 45-minütige Weg pro Fahrt war mir zu viel für ein einstündiges Teaching, zumal der Shuttle alle 30 Minuten fährt und man dadurch enorm viel Zeit verliert.
Nun noch ein paar Worte zur Unterkunft (Rowan House):
- Wände aus Papier: ES IST LAUT! Ich bin wirklich nicht so empfindlich, aber es gab Nächte, in denen ich bis 4 Uhr morgens wach war, weil die Türen ständig auf-und zugeknallt wurden und man wirklich jedes Gespräch im Flur hören konnte (es gibt sehr viele Feuerschutztüren und manche davon knallen mit solch einer Wucht zusammen, dass man ständig aufwacht). Ich habe in diesen 8 Wochen wirklich schlecht geschlafen, was dazu führte, dass ich für den Stationsalltag immer weniger Energie und Motivation aufbrachte. Nicht einmal Ohrstöpsel halfen.
- es kann sehr kalt werden und die Heizungen sind zentral geregelt, die Decke ist viel zu dünn. Die meisten von uns sind Decken kaufen gegangen. Bringt euch eine mit und v.a. auch warme Kleidung! Ich habe an einem Wochenende meinen Wintermantel gebraucht (im Juni wohlgemerkt).
- das Bad war sauber, also sorgt euch nicht um Hygiene. Allerdings ist das Gebäude sehr alt, was man am Teppichboden sowie den immer wieder zufallenden Fenstern sehr gut sieht...
- die Dusche wird in einigen Zimmern nicht wirklich heiß, an kalten Tagen war es für mich manchmal eine Qual, duschen zu gehen...soll wohl nicht überall so gewesen sein
- generell ist der Feuerschutz sehr präsent und man wird gleich zu Beginn erfahren, dass ein ausgelöster Fehlalarm 400 p kostet, also darf man im Zimmer offiziell keine elektronischen Geräte wie Wasserkocher o.Ä. benutzen. Möglich war es , aber ich wollte die 400 p nicht riskieren.
- Zugang zum Haus, zur Etage und zum Aufzug nur mit Swipe Card- es ist sehr sicher. Generell ist Epsom sehr sicher und ich habe mich nie unwohl gefühlt, auch abends nicht, wenn ich von London wiederkam. Allerdings fand ich es dann wieder nicht gut, wie ständig Personal Zugang zu unseren Zimmern hatte und ohne Ankündigung auch kam. Einmal schlief ich und es wurde kurz geklopft, um dann reinzukommen und Steckdosen zu kontrollieren. Das geht auch anders...
- Küche hat 2 Toaster, 3 Wasserkocher, 4 Backöfen, 4 große Kühlschränke, viele Kochutensilien, Geschirr etc.
- WLAN-Empfang sehr schlecht. Das offiziell angebotene kann man vergessen, je nach Zimmer allerdings. Ich hatte Glück und mein Zimmer lag so, dass ich ein offenes (nicht angekündigtes) Netz nutzen konnte, probiert alle durch. Ansonsten hätte es mich 40 pounds pro Monat gekostet, ordentliches Internet zu haben. Eigentlich eine Frechheit.
- der eine Flur hat ständig sehr übel gerochen, u.a. weil dort eine riesige Mülltone stand. Zum Glück lag er hinter den Feuerschutztüren der Zimmer...
INSGESAMT hat es mir großen Spaß gemacht, 8 Wochen lang Teil des Teams am Epsom Hospital gewesen zu sein, und ich würde es immer wieder machen. Gerade die Zeit auf der Respiratory Station war sehr lehrreich und mein Englisch hat sich enorm verbessert. London macht immer wieder Spaß und ist sehr gut erreichbar, ein Wochenendprogramm hat man immer!
Bewerbung
Bewerbung an Stephen Rosan oder Claire Potter (beide sehr freundlich!). Man sagte mir, die Plätze seien bis Ende 2017 alle besetzt. Aber es lohnt sich, nachzufragen. Manchmal ist kurzfristig doch noch etwas frei.