PJ-Tertial Anästhesiologie in Spital Aarberg (4/2016 bis 6/2016)

Station(en)
OP, Prämedikationsgespräche
Heimatuni
Bern (Schweiz)
Kommentar
Zuallererst: ich war im Juni 2016 auf der Anästhesie in Aarberg, gerade anschliessend hat es dort einige Änderungen gegeben:
- Der (ehemalige) Chefarzt, Dr. Ruzicic, wird bis Dezember 2016 nur noch 50% arbeiten, um den neuen Chefarzt, Dr. Frickmann einzuführen, und dann aufhören.
- Der eine leitende Arzt wechselt im Oktober 2016 die Stelle, der andere wird im Juni 2017 pensioniert. Der neue Chefarzt brachte soweit ich weiss 1-2 leitende Ärzte mit sich.
- Der Operationstrakt, der aus den 50er-Jahren stammt (was auch absolut offensichtlich ist), wird ersetzt; offiziell geht das von November 2016 bis Oktober 2017 (davor, also bis Oktober 2016, wird ein neuer Notfall gebaut).

Danach: Ich war im Rahmen des Wahlstudienjahrs (PJ in der Schweiz) einen Monat hier. Grundsätzlich war es ein gutes Praktikum und ich konnte wahnsinnig viel selber machen, ich gehe aber auch mit gemischten Gefühlen: Organisatorisch und lerntechnisch war das Praktikum toll, fachlich habe ich viel gelernt, auch wenn die Standards medizinisch z.T. fragwürdig waren, und 'interpersonnell' gab es im Team leider manchmal Schwierigkeiten.

Zum Spital:
Das Spital Aarberg ist wirklich winzig. Es gibt drei Stationen, vielleicht ca. 80-100 Betten, und drei Operationssäle. Jeder kennt jeden, ich wurde auch schon von einer Empfangsdame oder auf dem Gang gefragt, wer ich denn sei. Die meisten Leute sind wirklich sehr nett, man grüsst sich überall und zu jeder Tageszeit und hilft einander. Chirurgisch und internistisch kriegt das Spital Aarberg – insbesondere via Notfall – ein erstaunlich grosses Spektrum an Krankheiten aus der ländlichen Umgebung, instabile Patienten hingegen werden in die nächst grösseren Spitäler gebracht (Biel, Solothurn, Inselspital Bern), da Aarberg keine Intensivstation hat. Wobei man sagen muss, dass manchmal trotzdem auch kritische Patienten operiert werden, und nach der Operation einfach in den Aufwachraum oder auf die Station kommen, was medizinisch dann doch etwas fragwürdig ist. Es gibt ein Personalrestaurant mit limitiertem, aber gutem Angebot, ich fands lecker. Für Schweizer Verhältnisse ist es billig (8 Fr. für Vegi-Menü, 8.50 Fr. für Fleisch-Menü), aber vielen Deutschen PJ-lern war das zu teuer. In der Physiotherapie gibt es einen Kraftraum, den man als Mitarbeiter gratis benutzen kann.

Zur Anästhesie:
Momentan gibt es drei Operationssäle, und zwei Einleitungsräume, der Platz ist knapp. Das OP-Team ist sehr familiär, man kennt alle Gesichter nach 2-3 Tagen und hilft sich gegenseitig; d.h. als Anästhesiepfleger und -unterassistent arbeitet man auch bei der Lagerung mit und hilft den OP-Schwestern wenn nötig. Auf der Anästhesie gibt es einen Chefarzt und zwei leitende Ärzte, sowie 1-2 Unterassistenten, und viele Anästhesiepfleger, die oft auch die Ausbildung zum Rettungssanitäter haben. Wenn sie Dienst haben, helfen sie im OP mit und falls sie gerufen werden fahren sie mit der Ambulanz aus. So werden tagsüber und unter der Woche 2 Ambulanzen besetzt, nachts und am Wochenende eine.
Die Operateure sind entweder im Haus angestellt oder von der orthopädischen Belegarztpraxis auf dem Spitalareal. Orthopädische Eingriffe stehen also im Vordergrund, der Rest sind Allgemein-/Viszeralchirurgische Eingriffe.
Aarberg hat sich auf Regionalanästhesien spezialisiert und beherrscht diese zur Perfektion. Wenn irgend möglich, wird auf eine Vollnarkose verzichtet, sicher 80% der Operationen werden also in Teilnarkosen durchgeführt. Davon sind die meisten Spinalanästhesien, manchmal ergänzt mit Ischiadicusblock/ Femoralisblock/ Femoraliskatheter zur postoperativen Schmerzreduktion. Daneben gibt es Plexusblöcke und Interscalenusblöcke. Dafür wird aufgrund der Erfahrung der Anästhesieärzte nur selten ein Ultraschallgerät benötigt, es wird mit dem Nervenstimulator gearbeitet. Vollnarkosen werden immer total intravenös, also ohne Narkosegas, durchgeführt, je nach Programm gibt es davon ca. 3-8 pro Woche.
Die Lernziele für die Unterassistenten sind folgende: Venflon (Zugang) legen, Koordination/Einschätzung des Patienten, Medikamente dosieren lernen, steril arbeiten; Spinalanästhesie stechen, Maskenbeatmung. Grundsätzlich darf man unter dem jetzigen Chefarzt alles machen. Die Philosophie ist, da der OP-Trakt so klein ist, dass immer jemand in 'Rufdistanz' ist, daher darf der Student früh praktisch alles selbstständig erledigen (hier ist es von Vorteil, wenn man seine eigenen Grenzen kennt und auch mal nein sagen kann zum Alleingelassenwerden). Am Anfang lernt man, den Patienten zu monitorisieren, vorauf man dabei achten muss, und das Venflon zu stecken. Vorallem zu Beginn lohnt es sich, bei der Operation von Anfang bis Ende dabei zu sein, um die Medikamente und den Ablauf richtig kennen zu lernen. Nach einer Woche und einige Male zuschauen und instruiert werden habe ich meine erste Spinalanästhesie gestochen, zuerst mit Hilfe, dann alleine, und insgesamt waren es wahrscheinlich etwa 15 in diesem Monat. Ich durfte auch ca. 7 oder 8 Mal intubieren. Mehr war leider nicht möglich, da von den wenigen Vollnarkosen nicht alle von den Studenten übernommen werden dürfen (Schwierige Anatomie/Pathologie z.B. bei cervikaler Diskushernie, oder „V.I.P.“-Patienten wie Bekannte von Mitarbeitern) und da bei mir die faire Aufteilung mit dem anderen Unterassistenten leider nicht so gut klappte.
Grundsätzlich wird man bei all diesen Sachen gut angeleitet, und ich habe in dieser kurzen Zeit sehr viel gelernt. Es hängt aber immer auch vom persönlichen Input ab, und insbesondere von der anleitenden Person. Die meisten Anästhesiepfleger sind sehr nett und sehr hilfsbereit, und legen wert darauf dass man etwas lernt und Verantwortung übernehmen kann. Der Chefarzt ist ein extrem intelligenter und talentierter Mann, der einem auch Dinge fürs Leben mitgeben möchte. Aber so nett 90% des Anästhesie- und OP-Teams sind, die Stimmung war in manchen Momenten einfach katastrophal, und es gab Momente die ich niemandem wünsche. Ich habe sehr schnell gelernt, mich an „die Guten“ zu halten. Dennoch war das nichts im Vergleich zum Umgangston, der auf der anderen Seite des Vorhangs herrscht, wo ausser des Chefarztes kein Chirurg normale Kommunikationsfähigkeiten besass.
Trotzdem: Ich habe viel gelernt, habe ab der zweiten Woche Patienten von A-Z selber betreut, selbstständig Spinalanästhesien gestochen und intubierte Patienten ventiliert. Zusätzlich dazu sind alle Prämedikationsgespräche Aufgaben der Unterassistenten, und man lernt dabei einiges (französisch ist dabei von Vorteil, immerhin ca. jeder 6 Patient spricht kein Deutsch).
Fazit: Ich kann das Praktikum, so wie es bei mir war, weiterempfehlen.

Zum Personalhaus:
Das Personalhaus befindet sich direkt auf dem Spitalareal. Zwei Stockwerke mit einem Gemeinschaftsraum, Duschen, WCs und Küche auf dem Gang, werden einmal in der Woche geputzt. Küche nicht allzu schlecht ausgestattet (Töpfe und Pfannen...). Im Zimmer Lavabo und Wifi. Das einzige was etwas seltsam war, war dass mehrere Anästhesieangestellte (inkl. einem Oberarzt) auch dort wohnten, und man ihnen daher im Bademantel auf dem Gang begegnete.

Zu Aarberg und Umgebung:
Aarberg ist wirklich winzig, die Altstadt besteht aus einem etwas grösseren Platz. Aarberg besitzt aber trotzdem eine grosse Badeanstalt, und die landschaftliche Umgebung, das Seeland, ist wunderschön. Ansonsten gibt es dort wohl nicht viel zu tun, aber ich war nur einen Monat dort und komme aus Bern, was 30min. mit dem Zug von Aarberg liegt.
Bewerbung
Sehr unkompliziert über die überaus freundliche Frau Circo.
Unterricht
Kein Unterricht
Tätigkeiten
Braunülen legen
Briefe schreiben
Blut abnehmen
EKGs
Punktionen
Eigene Patienten betreuen
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich
Kleidung gestellt
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Unterkunft gestellt
Essen frei / billiger

Noten

Team/Station
2
Kontakt zur Pflege
1
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
3
Unterricht
2
Betreuung
1
Freizeit
1
Station / Einrichtung
3
Gesamtnote
2

Durchschnitt 2