Das Augusta Victoria Hospital steht inmitten eines Gartens auf dem Ölberg im besetzten Ostjerusalem und befindet sich heute in Trägerschaft der Lutheran World Federation mit Sitz in den USA. Es ist Lehrkankenhaus der Al Quds University und betreut hauptsächlich palästinensische Patienten. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem sozialen Aspekt der Gesundheitsversorgung: Das Personal nimmt regelmäßig an humanitären Einsätzen z.B. in Gaza teil, es werden Transporte für Patienten organisiert, es gibt eine eigene Schule im Haus für Kinder, die nicht immer den Checkpoint passieren können, ein Hotel für Angehörige, usw. Zudem verfügt das Krankenhaus über die einzige Bestrahlungsabteilung für 4,5 Millionen Palästinenser, weswegen es vor allem für seine Onkologie und Chirurgie bekannt ist.
Chefarzt der Chirurgie ist Dr. Omar, der ebenso wie ein Großteil des Teams fließend Englisch spricht. Die gesamte Dokumentation in palästinensischen Krankenhäusern läuft auf Englisch, weswegen es besonders einfach ist, die Krankengeschichten inklusive Kurven und Anforderungen nachzuvollziehen. Ansonsten sind sowohl Ärzte als auch Pfleger immer gerne bereit zu übersetzen, zu erklären und anzuleiten, wenn sie merken, dass sie auf interessierte Ohren stoßen. Das Spektrum ist sehr breit, wobei meist onkologische OPs im Vordergrund stehen: Mastektomien, Lumpektomien, Sentinel-Lymphknotenbiopsie, Low Anterior Resection, Total Mesorectal Excision, Thyreodektomie mit neck dissection, Gastrektomie, Stomas, sowie das Standardrepertoire wie Hernien aller Art, Gallenblasen, Analfissuren, Abszesse, und so weiter. Der OP-Trakt und die Station wurden 2016 komplett renoviert, die Verbrauchsmaterialien und Stapler und so weiter sind die gleichen wie in Deutschland, was sehr erfreulich ist. Zwischen den OPs werden eigentlich ständig bei Kaffee und Keksen Fälle durchgesprochen sowie jedes Thema, zu dem man Fragen hat. Insgesamt war es soziemlich die beste Lehre, die ich je genossen habe. Dienstags ist Tumorkonferenz und anschließend Poliklinik. Da es ein christliches Krankenhaus mit mehrheitlich muslimischem Personal ist, ist das Wochenende Freitag und Sonntag, wodurch sich der Samstag als Studientag anbietet. Sonntags kann man zusätzlich Dr. Omar zu einer weiteren Poliklinik in Ramallah begleiten. Die Ärzte im Team haben entweder in Ägypten oder Europa studiert und freuen sich immer, wenn sie einem etwas beibringen können. So kann man z.B. auch intubieren lernen und in der Radiologie bei allen möglichen Interventionen und Untersuchungen dabei sein. Die Atmosphäre ist locker und man kann unter Pflegern und Ärzten tolle Freunde finden.
Jerusalem befindet sich zwar im Zentrum des Nahostkonflikts, allerdings ist man davon als Ausländer kaum betroffen. Vielmehr ist die Kriminalität sehr niedrig und die Palästinenser sehr hilfsbereit und freundlich, sodass man sich immer sicher und willkommen fühlt. Alles in allem was die beste Entscheidung, mein Chirurgietertial in Jerusalem zu verbringen.
Bewerbung
Die Bewerbung läuft über das International Office der Al Quds University und sollte mind. 2 Monate zuvor erfolgen. Voraussetzung ist ein Nachweis über ausreichende Englischkenntnisse in Form eines IELTS- oder TOEFL-Zertifikats. Asma Bader kümmert sich um alle Belange von ausländischen Studenten, man kann sich mit allen Fragen rund um den Aufenthalt an sie wenden und bekommt sofort jede Hilfestellung, die man braucht.