Hallo zusammen, insgesamt kann ich kann ein Tertial am KSA in der Chirurgie für alle die etwas in der Chirurgie lernen wollen nicht empfehlen.
Aktuell (September 2020) ist mein Eindruck, dass viele Assistenzärzte frustriert sind und wenig Lehre machen. Dies ist vielleicht auch in Anbetracht der derzeitigen Corona-Situation zu bewerten. Hier noch paar Details.
- Zu Beginn möchte ich mit der weit verbreiteten Aussage aufräumen, dass man in der Schweiz eigenständig viele Patienten betreuen darf. Ich habe mit viele PJs gesprochen, auch aus anderen Spitälern. Dabei ist klar geworden, dass die PJs = Unterassistenten in der Chirurgie oft nur als Hakenhalter gebraucht werden.
- Was man auch noch unbedingt beachten sollte: Das Schweizer PJ heisst Wahljahr und die Studenten durchlaufen Abteilungen jeweils Monatsweise. Viele Schweizer Unis haben während des Studium kaum praktische Module, sodass für viele Schweizer Studenten das Wahljahr einer der ersten Berührungen mit der Klinik ist. Leider werden die deutschen PJ'ler oft in den selben Topf wie die Schweizer Studenten geworfen. Da die praktische Ausbildung an vielen deutschen Unis doch schon früher beginnt, habe ich praktisch kaum neue Aspekte lernen können.
- Man wird am Eintrittstag in Aarau super eingeleitet und bekommt die notwendige Ausstattung.
- Im Vorfeld kriegt man eine Mail vom dienstältesten UA, welcher den Dienstplan selbst erstellt. Man kann Wünsche äussern, was sowohl freie Wochenenden angeht als auch auf welche Stationen man rotieren möchte (Chirurgie = Viszeral, Thorax, Kinder, Gefäss, Trauma, Notfall). Es gibt ein paar besondere Regeln (z.B. keine Komensation an einem Freitag), welche von einer Assistenzärztin überblickt werden. Leider gab es in meiner Rotation eine PJs, deren einziger Wunsch war, an einem bestimmten Wochenende frei zu bekommen. Dies wurde ihr leider nicht erfüllt.
- Am KSA müssen in der Chirurgie Pikettdienste abgeleistet werden. Unter der Woche heisst dies Rufbereitschaft von 08 - 08 Uhr zum Hakenhalten. Am Wochenende besteht zusätzlich Präsenzzeit von 11 - 19 Uhr auf dem Notfall (dafür gibt es dann aber einen zusätzlichen Kompensationstag). Wenn in einem Monat z.B. nur 5 UA's da sind, kann es vorkommen, dass man entsprechend auch mal 6 oder 7 Piketts machen muss. Der Pikett ist dann immer zuständig für die ganze Chirurgie. Ich habe meine Pikett-Dienste sehr unterschiedlich wahrgenommen. Man hat 30 Minuten Zeit, um im OP zu sein. Leider ist die Dauer und der Umgang mit dem UA sehr abhängig von der Laune vom Operateur (nicht neues, nicht wahr?). Die abgerufene (!) Pikettzeit wird am KSA minimal vergütet, man kann am nächsten Tag nach Absprache später kommen.
- Wie in jedem Fach hängt die Gesamterfahrung auch davon ab, wie die aktuellen Abteilungen mit AA's und OA's so aufgestellt sind. Ich möchte nicht alle über einen Kamm scheren, deshalb kann ich zum Zeitpunkt September 2020 folgendes berichten:
-- Viszeral: mittelgrosses Team, die meisten Ärzte haben leider wenig Interesse an Lehre. Vor allem in der Viszeral geht man gerne auch mal unter. Mir hat ein AA sogar direkt gesagt: "Ihr seid da zum Haken halten und damit wir kein Pikett machen müssen" (den Rest denkt ihr euch bitte..). Anwesenheit von 07.45 Morgenbesprechung bis 15.00 Mittagsrapport. Dazwischen hat man ein paar Optionen (Morgenvisite, OP's zuschauen, ggfs. Patienten übernehmen, Mittagsrapport vorbereiten, AA-Sprechstunde). Besonders positiv möchte ich die OP-TA's hervorheben. Super gelaunt und nie motzig! Habe teilweise sogar mehr von den TA's erklärt bekommen, als von den Ärzten.
-- Notfall: Früh-, Zwischen- oder Spätdienst. Auslastung und die Möglichkeit zum eigenständigen Arbeiten hängen von der Menge der Patienten und dem zuständigen AA ab. Insgesamt jedoch auf jeden Fall empfehlenswert.
-- Thorax: kleines Team, alle sehr nett und bemüht. OA's haben sich bei wenig Patienten auch mehrere Stunden für einen Zeit genommen. Trotz sehr speziellem Fach habe ich hier einen super Einblick bekommen und durfte im OP auch Nähen.
-- Trauma: Sehr hierarchisch, oft rauer und emotionaler Ton in den OP's. Man darf nicht nähen, weil der Chef spezielle Nahttechniken als Qualitätsmerkmal bei der Wundversorgung möchte und das den UA's nicht zugetraut wird (die Bewertung davon überlasse ich mal jedem selbst..). Trotzdem gibt es hier auch den ein oder anderen Hoffnungsschimmer, manche OA's erklären sich dann nach explizierter Bitte bereit, auch mal was zu erklären.
-- Kinder: kleines Team, super sympathisch und bemüht. Hier habe ich viel über Kinderchirurgie gelernt. Top OA's.
- Lehre: Es gibt eine spezifische UA-Fortbildung sowie eine Radiologie-Fortbildung für alle UA's pro Woche. Leider ist es nicht vorgesehen, dass UA's aus der Chirurgie an den Fortbildungen der anderen Abteilungen (z.B. Innere) teilnehmen. Vom Teaching war ich insgesamt eher enttäuscht, vor allem in der Viszeral.
- Wohnen: Es gibt mehrere Personalwohnheime, meistens 3-4er WG's mit einer bunten Mischung aus Klinikangestellten, hier ist das Preis-Leistungs-Verhältnis jedoch miserabel. Es gibt ein grosses Wohnheim mit 10 Zimmern. Falls ihr nach Aarau geht, unbedingt dem Team Wohnen schreiben, dass ihr dort unterkommen wollt (Wohnheim Birkenweg)! Hier sind die Zimmer echt gross und man hat einen schönen Garten. Für ~500 SFr insgesamt zufriedenstellende Wohnverhältnisse. Grade in der zweiten Tertialhälfte sind nochmal sehr coole Leute dazugestossen.
Insgesamt würde ich allen raten, die grosses Interesse an der Chirurgie haben, eher an ein anderes Haus zu gehen.