Das PJ in der Neurologie in Westerstede ist der Geheimtipp schlechthin! Flache Hierarchien, ein super nettes Team, dass PJ'ler mit offenen Armen empfängt und dazu eine Neurologie, die größentechnisch mit mancher Uniklinik Schritt halten kann vereint mit allen Vorteilen eines kleinen Hauses. Wenn ihr viel selbst machen und viel in einer sehr wertschätzenden Umgebung lernen möchtet, dann seid ihr in Westerstede exakt an der richtigen Stelle. So viel als Überblick, jetzt im Einzelnen:
Als PJ'ler könnt ihr eure Ausbildung in der Neurologie in Westerstede komplett selbst mitbestimmen. Das PJ beginnt mit einer Einführungswoche (bei uns wegen Corona auf 2 Tage gekürzt), in der ihr in Ruhe alles kennen lernt und die wichtigsten Fähigkeiten (ORBIS...) erlernen könnt. Anschließend habt ihr einen festen oberärztlichen Mentor, der für euch mit zuständig ist und als Ansprechpartner bei allen Fragen dient. Den Ablauf der einzelnen Stationen im PJ habt ihr fast komplett selbst in der Hand - dadurch, dass es hier nicht so oft PJ'ler gibt seid ihr nicht von vornherein fest eingeplant, habt also in der Regel auch keine lästigen Routineaufgaben wie Blutabnahme auf mehreren Stationen (das erledigt in aller Regel die Pflege). Natürlich freuen sich die Kollegen, wenn ihr ihnen die ein oder andere liegen gebliebene Blutentnahme oder Viggo abnehmt - es ist aber auch niemand böse, wenn ihr gerade mal keine Zeit oder auch nur keine Lust dafür habt. Es bietet sich allerdings an, zumindest Stroke Unit, Normalstation und Notaufnahme mitzunehmen. Ich selbst war zwei Wochen auf der Stroke Unit, einen Monat auf Normalstation, zwei Monate in der Notaufnahme und am Schluss noch zwei Wochen in der Funktion/der Ambulanz. Zusätzlich hätte es auch die Möglichkeit gegeben, für einige Zeit auf die konservative Intensivstation zu rotieren, auf der ebenfalls viele neurologische Patienten behandelt werden.
Das insgesamt noch recht junge ärztliche Team (zum Teil auch im oberärztlichen Bereich) freut sich sehr über PJ'ler, und jeder nimmt sich gern Zeit, um euch etwas zu erklären oder zu zeigen. Mit etwas Eigeninitiative dürft ihr auch fast alles. Die finale Freigabe liegt zwar meist nicht in euerer Zuständigkeit (auch IT-seitig), aber man kann quasi alle Untersuchungen/Konsile/etc. vorbereiten, sodass man gut lernt, worauf man achten muss.
Die Arbeit unterscheidet sich natürlich von Bereich zu Bereich, in dem man gerade eingesetzt ist. Grundsätzlich ist es aber in jedem Bereich möglich, bereits nach wenigen Tagen eigene Patienten(zimmer) zu betreuuen, wenn gewünscht. Die Oberärzte nehmen sich stets viel Zeit, um die Patienten und ihre Erkrankungen mit euch zu besprechen.
Der Kontakt zur Pflege ist auch super, sofern man sich freundlich vorstellt wird man von allen offen und herzlich empfangen und wenn man Fragen hat hilft jeder gern weiter. Besonders zu erwähnen ist hier die Stationssekretärin der Normalstation - habt ihr die auf eurer Seite habt ihr quasi gewonnen - sie weiß eigentlich alles und kann euch sehr viel Arbeit abnehmen/ersparen.
Die (möglichen) Aufgaben eines PJ'lers im Überblick:
Überregionale Stroke Unit (D23): Hier erfolgt die Versorgung von über 1400 Schlaganfall-Patienten im Jahr. Ihr könnt von der Aufnahme bis zur Verlegung/Entlassung inklusive der kompletten Therapieplanung im Prinzip alles selbst übernehmen - wenn ihr mögt. Sehr viel lernt man auch bei der täglichen Oberarztvisite. Insbesondere durch die Möglichkeit zur Thrombektomie durch die Neuroradiologen werden auch viele schwer betroffene Patienten versorgt.
Der Arbeitsablauf auf Stroke:
7:30 Uhr Ãœbergabe vom Nachtdienst
08:00 Uhr: Oberarztvisite
09:00 Uhr: Frühbesprechung mit der gesamten Abteilung
danach: Ausarbeitung der in der Visite besprochenen Untersuchungen (Anmeldungen vorbereiten, Verlegungsbriefe schreiben, etc.)
12:00 Uhr: Röntgendemo (lohnt sich sehr, besonders durch die vielen Bilder lernt man jeden Tag etwas dazu), teilweise auch interdisziplinär mit den Neurochirurgen
12:45 Uhr: Mittagessen mit einem Großteil der Abteilung zusammen.
14:30 Uhr: Übergabe an den Spätdienst mit 2. Visite
16:00 Uhr: Feierabend (meist pünktlich möglich)
Normalstation (C22): Auf der neurologischen Normalstation erfolgt die Versorgung aller neurologischer Patienten mit dem gesamten Spektrum der Neurologie. Hier kann man insbesondere von den beiden Oberärzten extrem viel lernen - und alle sind bemüht, dass ihr auch etwas mitnehmt. Während meiner Zeit waren dank Corona leider fast alle elektiven Aufnahmen ausgesetzt - diese bieten sich sonst extrem gut zum lernen an. Trotzdem konnte ich auf Normalstation sehr viel mitnehmen. Bereits nach zwei Tagen durfte ich meine eigenen Zimmer übernehmen - man ist hier dann primärer Ansprechpartner für andere Fachabteilungen und auch die Pflege. Zusätzlich lohnt es sich, die gesamte Visite mit den Oberärzten "mitzunehmen".
Der Arbeitsablauf auf Normalstation:
08:00 Uhr: Dienstbeginn
08:45 Uhr: Start Visite (Montag, Mittwoch und Freitag Oberarztvisite)
09:00 Uhr: Frühbesprechung
anschließend Fortsetzung Visite
ca. 11 Uhr: Ausarbeitung der Visitenbeschlüsse
12:00 Uhr: Röntgendemo
12:45 Uhr: Mittagessen
anschließend: Lumbalpunktionen (dürft ihr als Student auch gern machen, wenn ihr fragt rufen euch die Kollegen auch für andere Stationen an, um die LP's, die dort anstehen, mit euch gemeinsam zu machen), EEG's auswerten (wird euch auch 20 Mal erklärt, wenn es für euch wie für mich ein Buch mit sieben Siegeln ist), weitere Therapieplanung für die Patienten
16:30 Uhr: Feierabend (meist pünktlich)
Notaufnahme mit angeschlossener Überwachungs- und Aufnahmestation (72): In der Notaufnahme dürft ihr als fast gleichberechtigter Teampartner die Versorgung sämtlicher neurologischer Notfallpatienten selbst durchführen (wenn ihr mögt). Hier ist das Arbeitsaufkommen von Tag zu Tag unterschiedlich - es gibt Tage, an denen in 8 Stunden nur 3 Patienten kommen, aber auch solche, in denen in 8 Stunden über 20 Patienten behandelt werden müssen - darunter teilweise auch mehr als 10 kritisch kranke Patienten. Wer erste Erfahrungen in der durchaus auch actiongeladenen Versorgung in der (klinischen) Notfallmedizin sammeln möchte ist hier absolut richtig. Egal wie hoch der Stresslevel gerade ist - die Kollegen stehen euch jederzeit für Fragen oder wenn ihr euch nicht sicher fühlt zur Verfügung, fragen auch selbstständig nach, ob sie etwas für euch und eure Patienten erledigen können. Auch ein Oberarzt ist, zumindest im Frühdienst, ständig als Ansprechpartner in der Notaufnahme präsent. Hier bietet es sich an, insbesondere die Patienten, die fußläufig ins Klinikzentrum kommen, selbst zu untersuchen und sie dann dem Oberarzt vorzustellen, um das weitere Procedere zu besprechen.
In der Notaufnahme gibt es zwei Schichten:
Frühdienst (07:30-16:00 Uhr)
Spätdienst (14:30-22:00 Uhr)
Je nach Arbeitsaufkommen kann es hier immer mal auch zu Überstunden kommen - notiert euch die einfach eigenständig, dann ist auch ein zeitnaher Freizeitausgleich kein Problem. Wer mag kann in der Notaufnahme auch mal am Wochenende arbeiten - dort ist nur jeweils ein Assistenzarzt (statt 2) im Dienst, das ist noch einmal eine ganz eigene Atmosphäre. Zusätzlich bekommt ihr dafür natürlich Freizeitausgleich unter der Woche - also eine gute Möglichkeit, um sich mal drei, vier Tage frei am Stück zu erarbeiten.
Ambulanz/Funktion: Hier könnt ihr gemeinsam mit dem jeweiligen dort eingesetzten Assistenzarzt und auch dem sehr guten und mit viel Freude am Lehren versehenen Oberarzt das gesamte Spektrum der Neurophysiologischen Diagnostik (inklusive Videonystagmographie) anschauen und teilweise auch selbst durchführen. Auch von den sehr guten MTA's könnt ihr viel lernen. Auch hier freut sich jeder über eure Fragen und erklärt gern. Auch die Möglichkeit, Patienten beispielsweise beim Ultraschall vor- oder nachzuuntersuchen gibt es.
Der PJ-Unterricht findet in der Regel einmal wöchentlich statt - wegen Corona derzeit digital. Hier werden meist Fälle exemplarisch besprochen oder bestimmte Themen noch einmal vertieft. Die einzelnen Fachabteilungen rotieren hierbei. Ich persönlich habe nicht jeden Unterricht mitgemacht, einfach weil ich es auf Station/in der ZNA lehrreicher fand, auch das war nie ein Problem.
Das "Drumherum": In Westerstede könnt ihr, wenn ihr mögt, kostenlos im erst wenige Jahre alten Wohnheim untergebracht werden. Die Organisation der Zimmer läuft über die Bundeswehr, meldet euch möglichst frühzeitig, dann bekommt ihr auf jeden Fall noch ein tolles Appartment (ca. 20qm) mit eigenem Bad, Küche und Backofen. Hier lässt es sich definitiv aushalten!
Ihr könnt wählen, ob ihr gern kostenlose Verpflegung haben möchtet, dann bekommt ihr noch 400€ ausbezahlt. Alternativ könnt ihr euch auch derzeit 677€ ausbezahlen lassen und trotzdem zu Mitarbeiterpreisen in der Kantine essen. Finanziell lohnt sich die erste Variante so richtig nur, wenn ihr alle drei Mahlzeiten in der Kantine nutzt, was derzeit wegen Corona nicht möglich ist. Dementsprechend habe ich mich für letztere Version entschieden. Trotzdem war ich meist mittags in der Kantine, das Essen ist durchweg schmackhaft und es stehen drei Gerichte zu moderaten Preisen zur Auswahl.
Westerstede selbst ist zwar ein kleines, verschlafenes Städtchen, hat aber, wenn nicht gerade Corona wäre, trotzdem Einiges zu bieten. Die Umgebung lädt zu ausgedehnten Radtouren ein, und bis nach Oldenburg oder zum Zwischenahner Meer ist es nur ein Katzensprung. Wer die Küste gern mag ist auch in unter einer Stunde am Nordseestrand - eine gute Erholung!
Ein Wort noch zum besonderen Konzept des Klinikzentrums: Deutschlandweit einzigartig sind am Standort des Klinikzentrums Westerstede die zivile Ammerlandklinik und das militärische Bundeswehrkrankenhaus Westerstede miteinander vereint. Zwar gibt es theoretisch eine organisatorische Trennung, praktisch ist das aber definitiv nicht so. Obwohl die Neurologie eigentlich rein zivil ist, arbeiten auch stets einige Bundeswehrärzte hier, die Rotationen im Rahmen anderer Weiterbildungen machen. Das erweitert den Erfahrungsschatz des Gesamtteams deutlich - und steigert noch mehr eure umfassende, vielseitige Ausbildung. Außerdem sind für die übergeordneten Aspekte der PJ-Organisation zwei Bundeswehrärzte zuständig, die sich sehr gut um alle eventuell anfallenen Probleme kümmern und auch zusätzliche Aus- und Fortbildung mit viel Herzblut organisieren. Das wäre bei rein zivilen Kliniken ob des meist höheren Zeitdruckes nicht unbedingt immer möglich. Außerdem gibt es dadurch einige kleine, aber feine Fachabteilungen, die unter Profitaspekten vermutlich nicht überleben könnten, wie die Neurochirurgie. Hier könnt ihr bei Interesse jederzeit freundlich fragen, ob ihr beispielsweise den gerade erst über den Schockraum aufgenommenen Patienten mit Hirnblutung mit in den OP begleiten dürft, um euch die OP anzusehen - in aller Regel ist das kein Problem und gern gesehen.
Man merkt vielleicht, ich war mit meinem PJ-Tertial in Westerstede rundum zufrieden - ich hätte mir kein besseres Haus vorstellen können. Ich kann jedem von euch, der sich nur irgendwie vorstellen kann, ein Tertial fernab der Großstadt zu verbringen (und die Zeit geht eh schneller um, als ihr denkt), Westerstede nur wärmstens ans Herz legen.
Bewerbung
Über das PJ-Portal zu den entsprechenden Fristen