Ich kannte die Anästheisologie in Bocholt aus einer Famulatur und schon damals habe ich beschlossen, für das PJ Tertial zurückzukommen. Vermutlich schreckt der Standort eher ab, Bocholt...weit weg von allem, plattes Land etc...das muss aber nicht sein. Das St. Agnes Hospital hat pi mal Daumen 500 Betten und eine große Chirurgie mit AC, UC, Gefäßchirurgie, Gyn, einen Davinchi-Roboter, einen Hybrid-Op...die Liste ist lang. Jedenfalls muss man sich keine Sorgen machen, sich zu langweilen, egal in welcher Abteilung man sich befindet.
Die Anästhesie ist schon lange "mein" Fachgebiet gewesen und ich wollte die Zeit nutzen, mich auf den Berufsstart vorzubereiten. Das Team ist groß und nett, alle Oberärzte sind gewillt einem so viel beizubringen wie sie nur schaffen, sie erklären, zeigen und lassen einen machen - den ganzen Tag. Aber die Assistenzärzte fallen da nicht zurück. Man merkt sofort, dass die Assistenzärzte gut ausgebildet werden und sich zu 100% auf die Oberärzte verlassen können, so dass man auch bei den Assistenzärzten recht schnell viel darf. Nach circa 2 Wochen war ich routiniert und habe (natürlich immer unter Aufsicht) die Patienten relativ selbstständig in Narkose gelegt. Dabei wurde mir sehr genau auf die Finger geschaut, so dass ich nie das Gefühl der Überforderung hatte und immer wusste wenn ich irgendwas nicht schaffe, ist sofort jemand da, der hilft. Besonders hervorheben muss man an dieser Stelle auch nochmal die Anästhesie-Pflege. Alle sehr nett und mehr als kompetent, auch hier ist der Anspruch hoch, den Studenten viel beizubringen und zu erklären. Wenn man sich Mühe gibt und motiviert dabei ist, lernt man von der Pflege genau so viel wie von den Ärzten (wenn nicht sogar mehr ;) ). Alles wurde erklärt und geübt, Beatmen, das Beatmungsgerät einstellen, welche Medikamente wie wirken und wann eingesetzt werden, etc. etc. Ich durfte aber nicht nur narkotisieren und intubieren, sondern zum Beispiel auch ZVKS und Arterien legen, wann immer es nötig war. Man wird morgens eingeteilt, aber darf sich frei durch den gesamten OP Bereich bewegen, wenn man wollte, könnte man auch von Einleitung zu Einleitung hüpfen, das habe ich allerdings nicht gemacht. Es war immer Zeit zum Mittagessen oder zwischendurch Pause machen, Feierabend fast immer pünktlich um 16 Uhr, wenn man mal früher weg musste war das auch kein Problem.
Was mir besonders gut gefallen hat, waren die NEF Dienste. Grundsätzlich kann man an Spätdiensten oder Wochenend-Diensten teilnehmen und bekommt einen oder zwei Tage dafür frei. Da kann man sich dann meistens aussuchen, ob man den NEF Dienst oder den normalen Anästhesie Dienst mitmachen möchte. Da das NEF am Krankenhaus komplett von der Anästhesie besetzt wird, ist da fast immer ein Plätzchen für den PJler frei. Je nach Notarzt darf man auch viel mitmachen, bzw wenn man sich traut und ein bisschen was auf dem Kasten hat, auch selbstständig den Notfall abarbeiten und bis zur Übergabe im Krankenhaus den Notarzt "spielen". Wenn man sich das zutraut ist das eine super Art zu lernen und wenn man nicht weiter weiß, stehen Notarzt und der überaus kompetente Rettungsdienst in Bocholt neben einem und helfen weiter.
Theoretisch hätte ich auch noch auf die Intensivstation rotieren können, da ich aber schon 4 Wochen vom Tertial freinehmen wollte, habe ich das nicht mehr gemacht, sondern die 12 Wochen im OP verbracht.
Ich war in der Unterkunft am Ostwall untergebracht, so dass ich 10 Fahrradminuten weg vom Krankenhaus gewohnt habe - ein riesiger Vorteil gegenüber dem Pendeln. Die 200 € dafür kann man sonst in den Tank stecken und man kann länger schlafen und das süße Bocholt erkunden. Man darf da jetzt keine 5 Sterne Suite erwarten, aber für 12-16 Wochen geht das absolut in Ordnung. Die Bezahlung ist ansonsten recht großzügig, es gibt Mittagessen umsonst (das Mittagessen ist sehr lecker) und wie in der Anästhesie üblich steht die Work-Life-Balance vor allem für die PJler auf Seiten des Lifes.
