Die zweite Hälfte meines zweiten Tertials im Wahlfach Psychiatrie absolvierte ich an den Universitären Psychiatrischen Diensten (UPD) der Universität Bern. Was etwas sperrig klingt (UPD), ist eine ganz normale universitäre psychiatrische Klinik. Und gleich vorab: Ich kann ein Tertial dort in jeder Hinsicht empfehlen!
Die Bewerbung war bei mir pandemiebedingt nur verhältnismäßig kurzfristig (5 Monate im Voraus) möglich. Normalerweise sollte man vermutlich mindestens ein Jahr Vorlauf einplanen, um einen Platz zu erhalten. Allerdings hat man an den UPD das große Glück, als Student von Carmen betreut zu werden, die sich um alles wie selbstverständlich gekümmert hat. Ab der ersten Kontaktaufnahme lief die gesamte Planung des halben Tertials problemlos und professionell. Auch die Organisation eines Platzes im Personalhaus zur Unterkunft war umstandslos möglich.
Ich hatte das Glück, mein halbes Tertial zeitgleich mit den Blockstudenten der Uni Bern (Studierende kurz vor ihrem Wahljahr, was dem PJ entspricht) zu beginnen. Dadurch konnte ich auch an deren Veranstaltungen (diverse Seminare, Besuch der Substitutionsambulanz, Besuch im Psychiatrie-Museum, Besuch einer Suchtklinik, Besuch der hochspezialisierten forensisch-psychiatrischen Station “Etoine” etc.) teilnehmen. Gleich am ersten Tag erhielt ich einen eigenen Piepser sowie eine Karte zur Zeiterfassung, auf die sich gleichzeitig Geld aufladen ließ, um in Kantine (mit ausgezeichnetem Essen für 7 bis 12 CHF pro Tag) und Cafeteria bezahlen zu können. Ich wurde auf eigenen Wunsch der Station “Marbach” zugeteilt, die generell als akutpsychiatrische Station fungiert und darüber hinaus ein spezifisches Psychose-Programm anbietet, weshalb man besonders aus diesem Formenkreis viele Patienten erlebt. Ich hatte im Büro einer der Assistenzärzte meinen eigenen Arbeitsplatz mit Computer sowie einen eigenen Zugang zu allen klinikinternen Programmen. Täglich sah mein Vertrag vor, dass ich circa 8,5 Stunden arbeite, was jedoch nie eine Last war (ich habe vielmehr unbemerkt Überstunden aufgebaut) und bei circa 1500 CHF Gehalt pro Monat für deutsche Verhältnisse mehr als fair erscheint. Außerdem sah der Vertrag zwei freie Tage pro Monat vor, unabhängig vom Tertial-Splitting.
Praktisch sah der Stationsalltag morgens nach den Morgenkonferenzen um 8 Uhr mit allen Ärzten und Vorstellung der Vorkommnisse im Dienst sowie der neuen Patienten (immer Mo, Mi und Fr) tägliche Visiten mit beiden Assistenzärzten im Fernsehzimmer (einmal pro Woche mit Oberärztin im Patientenzimmer) vor; donnerstags fand der interdisziplinäre Rapport statt, bei dem sich Pflege, Sozialdienst, Psychologen und Ärzte gemeinsam über die Ziele in der Behandlung aller Patienten verständigten. Danach war immer Zeit für eine ausgedehnte Mittagspause inklusive Kaffee. Nachmittags wurden relevante Dinge organisiert, es gab außerdem die Möglichkeit, bei psychologischen Gruppen- und Einzelsitzungen dabei zu sein. Manchmal gab es auch ärztliche Fortbildungen. Um 16 Uhr erfolgte dann die Übergabe für die Dienstärzte, danach wurden noch letzte Dinge erledigt und dokumentiert. Dienstags gab es auf dem Campus in der Innenstadt einen klinischen Journal Club, zu dem man bei Interesse mit einem Taxi gebracht wurde und auch wieder abgeholt wurde, mittwochs gab es einen wissenschaftlichen Journal Club.
Ich durfte in allem Umfang eigene Patienten betreuen und bei wirklich allem dabei sein und mitmachen. Auch die Dienste (Spätdienste unter der Woche von 16:00 bis 20:30 Uhr und Wochenenddienste von 8:00 bis 20:30 Uhr) waren überaus interessant und lehrreich, man konnte schnell einen Überblick über die gesamte Klinik erhalten. Die Mitarbeit mit wirklich allen Berufsgruppen war unglaublich angenehm und auf Augenhöhe. Ich wurde exzellent von meinen Assistenzärzten und der Oberärztin betreut und habe, wie es in der Psychiatrie so üblich ist, jeden Tag eine Fülle an Erfahrungen und Erlebnissen gehabt.
Es gibt viele Aspekte, die die Psychiatrie in der Schweiz von der in Deutschland unterscheidet (Zwangsmaßnahmen und Behandlungen, Freiheitsentzug im Rahmen der psychiatrischen Behandlung, das Pflegesystem, die Möglichkeiten des Sozialdienstes, klinikspezifisch auch Belegungs- und Aufnahmesystem der Stationen), die ich hier nicht alle erläutern möchte, weil das den Rahmen dieses Berichtes sprengen würde. Nur so viel: Schaut es euch an! Man profitiert in jedem Fall von der Kenntnis eines anderen Systems und vielleicht findet ihr ja mehr Gefallen an den Abläufen in der Schweiz.
Bern als Standort hat sehr viele Vorzüge: Die Stadt ist überschaubar und wirklich schön, man hat in der Stadt und umliegend viele Freizeitmöglichkeiten (viele Schweizer Städte sind in einer oder maximal zwei Stunden zu erreichen) und wer Berg-affin ist, findet mit dem Berner Oberland eine traumhaft schöne Alpenlandschaft direkt vor der Haustür (oder zumindest mit dem Zug einfach erreichbar; Stichwort Eiger, Mönch und Jungfrau). Eines sollte man sich jedoch vorher bewusst machen: In Bern wird Berndeutsch gesprochen. Man kann Berndeutsch als Dialekt auffassen, es wird aber von vielen Bernern eher als eigene Sprache angesehen und hat so viele phonetische und begriffliche Eigenheiten, dass man sich daran definitiv gewöhnen muss. Dieses “sprachliche Hindernis” darf man im Vorfeld definitiv nicht unterschätzen. Ich hatte keine Vorkenntnisse in Schweizer Dialekten und bin letztlich dennoch gut zurecht gekommen.
Zusammenfassend muss ich einfach sagen, dass mein Aufenthalt in den UPD Bern ein so unglaublich kurzweiliges halbes Tertial war, dass ich nichts dagegen gehabt hätte, meine Zeit dort weiter zu verlängern. Ich empfehle jedem, der sich für Psychiatrie interessiert, ein (halbes) Tertial in der Schweiz, besonders in den UPD. Gerade das Splitting bietet sich hier für einen Vergleich der Systeme gut an.
Bewerbung
Am besten circa ein Jahr im Voraus über Carmen oder (gemäß anderen PJ-Ranking-Berichten) über Andrea Cantisani per E-Mail.